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Zschopauer Tageblatt and Anzeiger Dienstag, den 1. Februar 1882 Nah ««d Fer« Grotze Siurmverheerungen I» Süddeutsckjland, Schweiz und Frankreich Der Sturm, der zur Wochenwcnde weite Teile Europas heimsuchtc, hat schwere Schäden verursacht. Im Allgäu verursachte der Sturm im Bezirk Füssen, be sonders zwischen Seeg und Lengenwang an der Straße Füssen—Markt Oberdorf, große Schäden an den Telcphon- nnd Stromlcitungen. Allein an der genannten Strecke wurden über 7" Leitungsmasten nmgelcgt. Ein mächtiger Südsturm, verbunden mit starkem Schneetreiben, behinderte allenthalben in der Schweiz den Verkehr. Die Bahnen im Berner Oberland erlitten große Verspätungen durch Beschädigungen der Fahrlei tung. Die Schöllenen-Bahn konnte schon am Sonnabend nicht mehr Weiler, und am Sonntag war es unmöglich, von Andermalt fortznkommen. In den Wäldern wurden ganze Baumrcihcn entwurzelt. Am Neubau der chemi schen Fabrik von Sandoz in Basel wurde ein riesiger Drehkran mit einer Ausladung von 2-1 Meter durch einen gewaltigen Windstoß nmgelcgt. Der Kran schlug die Um fassungsmauern um und drückte die bereits ausgestellten Panerrebodeuwände wie ein Kartenhaus zusammen. Zwischen Baden und Turgi schlug der Blitz während eines Winlcrgewittcrs in die elektrische Leitung der Buu- dcsbabncu, wodurch Zuguuterbrechungen uiw große Vcr- späluugcu entstanden. Im Elsaß wurde gleichfalls eine ganze Anzahl elektrischer Leitungs- und Telephonmasten nmgelcgt. Am Bodensee wütete namentlich am Unter see ein schwerer Wcststnrm, der mit Blitz, Donner und Hagel endete. W «rkergewitter in Westveuischiand Das Rhe:n-Main-Gcbict erlebte einen Wittcrungs- ablauf, >vie er nur selten zu beobachten ist. In rascher Folge wechselten Erwärmung mit Abkühlung, Regen mit Schnee. Gleichzeitig tobte ein Sturm, der teilweise eine Windstärke von II Meier und Böen mit einer Geschwin digkeit von 25 Meter in der Sekunde hatte. Im Taunus und im Westerwald gingen Winterge Witter mit ungewöhnlich starken Niederschlägen nieder. In den Wäl dern hat der Sturm starke« Wiudbruch verursacht. Die Tempera!« e-i wechselten stündlich und lagen zwischen plus 2 «»"> minus 4 Grad. S.arle Schneefä le in -er Eifel Am Sonuabeudabcnd und auch am Sountagvormittag setzte im Gebiet der Hocheifel mehrere Stunden an- dauernder Schneefall ein. Während der Schnee in den Höhenlagen über 400 Meter Ucgcnblieb, ging er in den tiefergehenden Gebieten bald in Wasser über. Die Gebirgs bäche wurden bald zu reißenden Wassern und überfluteten teilweise weile Strecken der Wicsentälcr. Ucbcr Paris tobte wieder ein heftiger Orkan. Sieben Personen wurden in der Straße durch herabfallcude Schornsteine, Zweige, Fensterscheiben oder Balken verletzt. Ein 15 und ein 8 Meter hoher Kamin stürzten auf die Straße. Auf dem Ausstellnngsgelände wurde eine 40 Meter lange Palisadenwand des Pavillons des fran zösischen Haudclsministerinms eingedrückt. In Paris selbst, im Bois de Bonlogne nnd im Park von Versailles eu'wurzclte der Sturm zahlreiche Bäume. Auch in allen Vororten nnd in der Provinz ist der entstandene Schaden beträchtlich. In Daumeönil brachte ein hcrabfallcnder Baum zwei Häuser zum Einsturz. InGalizien herrschte ein überaus heftiger Sturm, der ungeheuren Sachschaden anrichtcle. Der Sturm war so gewaltig, daß die Dächer von zahlreichen Häusern abge tragen wurden. Auf vielen Abschnitten wurden die Tele phonleitungen zerstört. Auch die Stromzuführung wurde verschiedentlich unterbrochen. Die Eisenbahnzüge mußten infolge Gefährdung der Brücken und Neberführungen ihr, Fahrgeschwindigkeit vermindern. Das Gxplosionsunglück bet Segni Italiens Dank für die Anteilnahme des Führers Der Königlich Italienische Botschafter hat dem Führer und Reichskanzler den herzlichen Tank Seiner Majestät des Königs von Italien, Kaisers von Acthiopien sowie des italienischen Regierungschefs und der italienischen Regierung für die aus Anlaß des Erplo« siousunglücks bei Segni zum Ausdruck gebrachte Anteil nahme übermittelt. Zwei schwere Auiounfälle Ein folgenschweres Kraftwagenunglück ereignete sich aus der Eyauhee zwischen Carow nnd PMbus auf Rügen. Ein Dienstwagen der Putbuser Feuerwehr, der Mannschaften der Feuerwehr von einem Kameradschastsfest heimbrachte, raste in einer Kurve gegen einen Baum. Von den Insassen wurden vier schwer verletzt, von denen zwei später verstorben. Bei T r e ch t l i n g s h a u s e n im Kreise St. Goar er eignete sich das zweite schwere Autounglück. Im heftigen Schneegestöber geriet ein mit dem Ehepaar Berns aus Wupper tal besetzter Kraftwagen von der Landstraße ab und stürzte f bei der Glätte der Fahrbahn über das Geländer auf den vier einhalb Meter tiefer liegenden Eisenbahndamm. Im selbe» Augenblick brauste der D-Zug der Strecke Köln—Frankfurt her an. Er überrannte und zermalmte das Auto, dessen Insassen aus der Stelle getötet wurden. Lawine verschüttet sechs Skiläufer In dem Skigebict von Claviöre ereignete sich ein Lawincnunglück, bei dem zwei junge Frauen ums Leben kamen. Trotz schlechtesten Wetters hatte eine Gruppe von sechs Personen im lebhaftesten Schneetreiben, dichtem Nebel und Sturm einen Aufstieg unternommen. Kurz nach der Abfahrt nach Clavisre ging im „Tal der drei Brüder" eine Lawine nieder, die alle Skisahrer unter sich begrub. Vier von ihnen konnten sich verhältnismäßig leicht befreien, während zwei im Skiläufe» anscheinend noch nicht geübte Frauen, die sich der Gruppe angcschlosscn hatten und den übrigen nicht näher be kannt mären, bis zur Stunde nicht aufgefunden werden konnten Dichter des berühmten „Glühwürmchcn"-Licdes gestorben. Heinz Bolten-Baeckers, der bekannte Textdichter, ist in einem Dresdener Sanatorium im 67. Lebensjahre gestorben. Wenn man Paul Lincke als den Schöpfer der Berliner Operette feiert, so hatte Heinz Bolten-Baeckers seinen großen Anteil an diesem Werk. Nr war es, der die Fabel der Operette „Frau Luna" ersann, von ihm stammt der Text des bc- rühmten „Glühwürmchen"-Licdcs ebenso wie des Lincke- Schlagers „Isola Bella", der vor kurzem erst einen Welterfolg errang Mit vierzig Jahren zum erstenmal mit der Eisenbahn. Daß ein kerngesunder deutscher Mann, der immerhin schon vierztg Lebensjahre aus dem Buckel hat, bisher noch niemals mit der Eisenbahn gefahren ist, dürste in deutschen Landen wohl ziemlich ohne Beispiel fein. Dieser sonderbare Mann lebt in dem Dorse S in der Nähe von Schönberg In Mccklenbuc« Wohl Hai der Mann «»gezählte Male alle möglichen Dampf' rosse und alle Arbeite» von Eisenbahnzügcn gesehen, ade, nichts in der Welt hat ihn bisher bewegen können, sein kost- einem Eisenbahnzug anzuvertrauen Erst der heiße Wunsch, Max Schmeling gegen Ben Foord in der Hanse- alenhalle in Hamburg boxeq-tzuHshe», ha« den Sonderling ver- anlaßt, sich am Sonntagmorgen -der Eisenbahn anzuveru oucn. Hundeschlitten für Postbeförderung in den Alpen. Db französische Postverwaltuug untcrnimmt zur Zeit interessant« Versuche mit Hundeschlitten als Mittel zur Postbeförderung iß den Alpen. Man Hai zur Poslbeföroerung über den 2W0 Meter hohen Alpenpaß des Col du Lauteret Hundeschlitten ein- gesetzt und auf diese Weise tatsächlich erreicht, daß erstmalig Im Winter eine Postverbindung zwischen Monetier und La Grave zustande gekommen ist Verdorbene Nahrungsmittel in den Verkehr gebracht. Dit französische Sicherheitspolizei hat in Marseille füns Milch Händler und vier Gastwirte sestgenommen wegen Verkaufs ver dorbener und ungenießbarer Lebensmittel. Die Milchhändlc- hatten vor einiger Zeit mehrere erkrankte Kühe erworben uu die schlechte Milch an ihre Kundschaft verkauft. Später hatte sie die Tiere geschlachtet und das Fleisch an die Gastwirte ve kauft, die es ihrerseits ihren Gästen vorsetzten. Ein Ski-Luxuszug ist von Warschau mit Wintersportler von zwölf Stationen nach den Karpaten abgefahren, d wird auf den bekanntesten Wintersporlplätzen Polens Ha' machen. Der aus zehn Wagen bestehende Zug besitzt eine' Wagen mit Badeeinrichtungen nnd einen Wagen als Tanzsaa! Genickstarre in zwei slowakischen Gemeinden. In de> slowakischen Gemeinden Habt« und Kalimow sind einig Fälle von Genickstarre ausgetreten. In Habnr sind neun nick in Kalimow drei Kinder erkrankt. Vier der Erkrankten sind bereits der Genickstarre erlegen. Vom Nordpoleis verschlungen. Der Sowjeldampfer „Ra- botschij", der im Nördlichen Eismeer eingefroren war, ist durch den Druck der Eismassen so schwer beschädigt worden, daß er vor wenigen Tagen unterging. Die Besatzung des Schiffes konnte sich über das Eis auf einen anderen einge- sroreiien Dampfer retten. Vier Tage lang von einer Räuberbande terrorisiert. Seit vier Tagen wird die Stadt Porto National im nordwcft- brasilianischen Slaat Goya von einer Räuberbande, die einige hundert Mitglieder zählt, angegriffen. Es kam bereits zu heftigen Kämpfen mit schweren Verlusten aus beiden Seiten. Polizei- nnd Militärvcrstärkungen zur Befreiung der Stadt find unterwegs. rrurä? -iachricyten Bertin. Der Führer und Reichskanzler bat dem König der Bulgaren zum Geburtstag drahtlich seine Glück wünsche übermittelt Berlin. Der bisherige Leiter des Flugverkehrs auf dem Flughafen Rhein-Main, Ritter von Lechner, übernimmt ab 1 Februar die Leitung des Flugverkehrs aus dem Zentral flughafen Berlin-Tempelhof Sein Nachfolger ist der bisherig' Flughascnleiter in München, Otto Wieprich. Lansanne. Eine Volksabstimmung im Kanton Waadt über das Verbot der kommunistischen Organisa tionen ergab eine Annahme des Verbots mit der großen Mehrheit von 34 536 gegen 12 693 Stimme» In der Stadl Lausanne, wo die Marxisten bei den Gcmeindewahlen im November nahezu 10 WO Stimmen aufzuweiscn hatten, spräche» sich jetzt nur 4536 Personen gegen das Kommunistenverbot auS. Athen. Die Agence d'Athönes teilt mit: Pressemeldungen zufolge treffen die Gerüchte, daß die Gemahlin des Kron prinzen Paul den Namen Margarita annehmen werde, nicht zu. Die Prinzessin wird ihren Namen Friederike Luise behalten. M MMM Hel WM Mil Roman von Anny v. P a n h u y s. 33. Fortsetzung. „Wie kommen Sie denn darauf?" fragte sie sehr er staunt. Die Frau verzog den Mund. „Och, wenn eine wie eure Tippmamsell ein Verhält nis mit so 'nem feinen Kerl hat, wie die, denn bleibt sie doch nich hier in das Milljöh." „Wovon reden Sie denn eigentlich?" fragte Martha noch immer verständnislos. „Hach, was für'n Eetue, Sie wissen doch Bescheid, Fräulein Kuschke! For nichts und wieder nichts rennen Eie doch nich jeden geschlagenen Tag, den Gott werden läßt, bei'n Bäcker rüber und holen Kuchen." Jetzt begriff Martha. „Was fällt Ihnen denn ein, Frau Mutzer, etwas Der artiges auszubringen," fuhr sie die Frau an. „Fräulein Re nate arbeitet für den Herrn, der immer zu uns kommt. Er diktiert ihr eine Uebersetzung, sie verdient ihr Brot damit." Die Frau planschte mit der Rechten im Scheuereimer herum. „Sie machen gute Witze, Fräulein Kuschke, wenn ich 'n bißchen dümmer wäre, könnten Sie mir so was erzählen, aber ich bin Helle. Der Herr kommt immer ins Auto und an die nächste Ecke steigt er aus. Also is er nich aus die Gegend. Nein, Fräulein Kuschke, mir macht man nich dumm und andere auch nich. Das ganze Haus regt sich auf, weil Ihre Mutter, von die man so was gar nich gewöhnt is, mang die Geschichte rumkuppelt." Mar4ha stand einen Augenblick stocksteif. „Schandmaul!" sagte sie verächtlich. „Sie sind eine so erbärmliche Person, daß es noch eine milde Strafe für Sie wäre, wenn man Ihnen die Zunge bei lebendigem Leibe Herausrisse. So, nun machen Sie Platz, ich will durch!" Die Frau griente niederträchtig. „Er wird ja wohl für Ihre Mutter und Sie ordentlich wa - springen lassen. Für gutes Geld kuppelt man auch mal 'n bißchen, wenn es auch nich gerade anständig is, nich wahr? Geld stinkt ja nich, und so ein noblichter Herr weiß, was er freundliche Leute schuldig is." Martha war dunkelrot geworden. Sie wollte antworten, aber sie zwang die Antwort zu rück, bückte sich blitzgeschwind, langte in das schmutzige Scheuerwasser, spritzte der Frau kräftig ins Gesicht und war dann mit zwei Sprüngen auf dem Treppenabsatz. „So beruhigt man Klatschmäuler!" lachte sie. Die Frau schimpfte: „Freche Kröte!", doch Martha Kuschke eilte sich, fortzukommen. Martha meinte fast, als sie aus dem Bereich der Gift zunge war. So also sprach man über Renate Wittenborn, die sie so sehr verehrte, für die sie wer weiß was hätte tun kön nen und es doch nicht einmal zustande bringen würde, den Klatsch zu ersticken. Aber Renate war zu schön, sie kümmerte sich um nie mand. Weder uni die Leute im Vorderhaus, noch um die im Hinterhaus, noch um die in den beiden Seitengebäuden. lind das ertrugen diese Menschen um sie herum nicht. Dafür rächten sie sich auf ihre Art. Martha dachte nach. Es ging nicht, daß man Renate eine Liebschaft andich- tete, ihre Mutter und sie selbst als beschenkte Vermittlerin beschimpfte. Man mußte dem Klatsch irgendwie zu Leibe rücken. Der Mutter wollte sie lieber nichts sagen, aber gut wäre es, wenn der tägliche Besucher fortan nicht mehr so oft käme. Renate Wittenborns guter Ruf war in Gefahr. Sie hatte eine Idee. Sie mußte lächeln. Wenn ihr Vorhaben glückte, wäre der gute Ausweg gefunden. Gleich darauf stand sie vor der Mutter, die in der Küche herumhanrierte. „Mutter, ich möchte mir jetzt die Schuhe kaufen gehen, die ich schon lange brauche. In der Potsdamer Straße ist ein großer Ausverkauf, da kriege ich für wenig Geld was Feines. Heute ist ja wenig Arbeit im Hause, da paßt es gut. Und die Wäsche hängt ja!" „Meinswejen loof man, Marthekcn, ick brauch dir ja nich. Sei man aba um eens Widder hier, wejen det Essen." Martha aber dachte vorläufig nicht daran, das Schuh geschäft in der Potsdamer Straße auszusuchen, sie landete vor einem Hotel im Tiergarten. Ein sehr lakaienhaft gekleideter Portier fragte nach Martha Kuschkes Wünschen. „Ich möchte gern Herrn Tasero sprechen," antwortete sie etwas befangen, denn ihr ward ganz bang vor dem un durchdringlichen Gesicht des Portiers. Er ließ seine Augen zu gründlicher Musterung über sie hingleiten. Er erwiderte etwas von oben herab: „Nennen Sie, bitte, Ihren Namen, dann will ich mich erkundigen, ob Senjor Casero Ihren Besuch anzunehmen beliebt." In Martha empörte sich irgend etwas. Sie erwiderte kurz: „Mein Name ist Herrn Casero un wichtig, es wird ihn nur interessieren, daß ihn jemand wegen seiner Uebersetzungsarbeit sprechen möchte." Der Portier ging an sein Telephon, das sich in einem kleinen Extraraum befand, und kehrte sehr schnell mit dem Bescheid zurück: „Senjor Casero wird sofort selbst kommen." Juan Casero hatte in seinem Zimmer gesessen und über legt, ob er Renate Wittenborn nicht auf irgendeine Weise helfen konnte, in den Besitz des Hauses, der Möbel und all der anderen Dinge zu gelangen, die ihr die von ihr so sehr verehrte Hedwig Sanders hatte hinterlassen wollen, als der Anruf des Portiers erfolgte. Renate kam zu ihm! mußte er denken. Was aber war vorgefallen, daß sie zu ihm kam? Im Vestibül angekommen, erkannte er Martha Kuschke. Das erschreckte ihn erst recht, versetzte ihn in die größte Bestürzung. Aber das kleine Lächeln, das sich bei seinem Anblick über Marthas frisches Gesicht legte, beruhigte ihn. Ernstlich krank war Renate sicher nicht, sonst hätte Martha trauriger ausgesehen. Er reichte ihr freundlich die Hand. „Kommen Sie, Fräulein Kuschke, setzen wir uns ins Lesezimmer, wo wir uns gut unterhalten könne«', dort ist um 7>Iese Zeit niemand." ' Martha atmete tief auf. Sie gingen nebeneinander ins Lesezimmer. Juan Casero nötigte sie in einen weichen, bequemen Sessel und schob ihr ein Lederkissen unter die Füße. Juan Casero setzte sich ihr gegenüber. „Also, Fräulein Kuschke, was gibt es Neues für mich?" Er war aufs äußerste gespannt, was er hören würde, aber anmerken lieg er sich nichts. Martha dachte an Rike Mutzer und ihr Zorn flammte aufs neue hoch. Sehr lebhaft und anschaulich wiederholte sie dem ihr gegenüber Sitzenden ihre Unterhaltung mit der klatschsüch tigen Frau, und da Juan Tasero nicht die kleinste Bemer kung einwarf, schloß sie: „Ich dachte mir, es sei am klüg sten, mit Ihnen über diese Sache zu reden. Wenn Sie jeden Tag weiter zu uns kommen, geht auch der Klatsch weiter. Wenn Sie aber wegbleiben und man sieht Sie ein Weilchen nicht mehr, dann schläft das Gerede von selbst wieder ein. Sehen Sie, Herr Casero, man ist Fräulein Renate im Hause und in der Nachbarschaft überhaupt nicht besonders grün, weil sie so schön ist. Die Neidliesen platzen schon, wenn sie so was wie Renate Wittenborn nur von weitem sehen. Und sie hat deshalb schon allerlei Pech ge habt. Wo sie zu Mittag aß, haben die zudringlichen Man- ner sie fortwährend angestarrt, und anstatt das arme Wurm etwas in Schutz zu nehmen, hat die Pensions madam noch behauptet, Fräulein Renate kokettiere und sie solle lieber anderswo essen." Sie warf ein: „Ich glaube, Fräulein Renate weiß gar nicht, was kokettieren überhaupt ist, versucht hat sie es bestinimt noch nicht." Sie fuhr in der Aufzählung von Renates Pech fort: „Und dann passierte ihr die Sache, wie sie zu einer Schrift stellerin zum Abschreiben eines Romans in die Wohnung bestellt wird, und sie, freudestrahlend über die gute Ein nahmeaussicht, hinläuft und von einem frechen Menschen empfangen wird." Martha sah Juan Casero bittend an. „Es täte mir natürliK furchtbar leid, wenn Fräulein. Renate, nur weil es böse Mäuler gibt, nicht mehr für Sie arbeiten sollte. Sie braucht das Geld so dringend, so nötig." Sie holte noch einmal gründlich Atem. „Ich habe mir nun ausgedacht, Fräulein Renate könnte von jetzt an zu Ihnen kommen und hier schreiben. Damit wäre dann ihr und auch Ihnen geholfen." Juan Casero antwortete nicht gleich. Er war dazu viel zu erregt über das, was ihm Martha Kuschke mitgeteilt. Er erwiderte endlich leise: „Ich schlug Fräulein Witten born gleich bei meinem ersten. Besuch vor, sie möge zum Diktat zu mir ins Hotel 1oM»sn, aber sie lehnte es rund weg ab." Martha nickte. „Ach, das war damals, da saß ihr das Mißtrauen von dem Erlebnis in der Eenthinerstraße noch in den Knochen. Das darf man ihr nicht Lbelnehmen. Jetzt weiß sie doch längst, Sie sind ein ganz anderer Mensch wir der Unverschämte." Sie bettelte: „Es wäre sehr lieb von Ihnen, Herr Tasero, wenn Sie ihr den Vorschlag noch ein mal machen würden! Aber natürlich ohne Ausrede ginge es nicht, damit ihr der plötzliche Wechsel aicbt ausfällt." IFortschung folgt).