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Nr. -4 Zfchopaner Tageblatt «»d Anzeiger S»»«abe»d, de» L». Januar 1938 WeWn Tageblattleser in Gornau. Die Früchte an «einem Birnbaum waren in diesem Jahre fast sämtlich mit /inem Pilz behaftet, lauter kleine, weiße Häufchen ring förmig um die ganze Frucht. Die Früchte faulten alle schon auf dem Baume. WaS ist das für eine Krankheit und vie begegnet man ihr im nächsten Jahre? — Das ist die .Fruchtfäule", verursacht durch einen Pilz. Hauptsache ist, »aß Du di« auf dem Baume sonst noch hängenden Frucht mumien heruntergeholt und verbrannt hast. Wende Dich an einen Obstbauverein oder an einen Gärtner, der Dir wegen »er Behandlung des Baumes weitere Angaben machen wirb. Tageblattleser aus Zschopau. Wo kann ich eine Betti, bsanleiung von Di?selmotoren für Schiffs- lrntrieb herbekommen? — Wende Dich an Deine Fach buchhandlung. Es gibt zu verschiedene Systeme von Dieselmotoren, sodaß ich Dir kein bestimmtes Heft bezw. Buch empfehlen kann. Tageblattleser aus Zschopau. Wie lange fliegt eine Brieftaube von Tokio bis nach Chemnitz? — Uff. Das ist ja gleich ein wenig reichlich. Wie mir von «uverlässiger Seite mitgeteilt wurde, dürste wohl ein Flug m dieser Länge praktisch unmöglich sein. Die Taube, die nachts stet^ schläft, dürfte wohl, selbst wnn die „flug technischen Voraussetzungen" vorhanden sind, diese Strecke nicht fliegen können. Di: Wetterunterschitde, d>e sibi rische Kälte, denn die Taube fliegt zumeist auf dem Lande, Wasserno: usw. sind von großer Bedeutung. Die größten Flüge, die Tauben'üch^r im Erzgebirge bisher zu verzeichnen hatten, waren Flüge von Newcastle in .England. Bon dort bis ins Erzgebirge brauchen dis Tauben Tag, was einer reinen Flugzeit von etwa 17 bis 13 Stunden entspricht. Tageblattleser aus Krum Heimersdorf. Welches ist die größte Landgemeinde Sachsens und wel ches die kleinste Stadt? — Nach dem endgültigen Ergeb nis der Volkszählung vom 16. Juni 1933 hatte die kleinste Stadt Sachsens, Liebstadt, 733 Einwohner, dis Land gemeinde Weinböhla aber 8445. 168 Gemeindcn hatten weniger als 160 Einwohner. Tageblatleserin aus Dittmannsdorf. Kann man aus Steinkohle Speisefette und Butter Her stellen? — Beim L ssn Deiner Frage wird wohl mancher Leser gerade hinaus lachen und sagen: Nein, was die Leu e für Blödsinn fragen! Aber die Frage ist gar nicht so dumm. Zwar: Speisefett und Butter kann man aus Steinkohle nickst einfach „Herstellen". Denn Speisiefett und Butter sind nicht wie viele Brennstoffe, Farbstoffe und ähnliches in der Kohle enthalten. Aber di« Hauptbau stoffe von Fett und Butter sind Kohlenhydrate. Es ist also dem Chemiker klar, daß es theoretisch durchaus mög lich sein muß, aus solchen Kohlenhydraten, die man aus Steinkohle gewonnen hat, durch Hinzufügung geeigneter anderer Swfse F tt und Butter aufzubauen. Der Briefkastenonkel. MB Sie sW... daß zwei fünfzehnjährige Burschen in Bayern im De zember auf dem Felde zu tun hatten? Da kamen aus dem nahen Walde sechs Wildkatzen und fielen die beiden Jungen an, bißen und zerkratzten sie. daß in Dillenbu.ra in diesem Jahre zum vierten Male ein Rotkehlchen a7s Wintcrgast gekommen ist? daß in einem Dorfe bei Eger ein Fuchs — wahrscheinlich vom Brotduft angelockt — im Backofen entdeckt wurde? Dort machte er höllischen Spektakyl und gebärdete sich wie toll, weil «rk einen Ausgang fand. Meister Reineke wurde vom Besitzer erschossen. daß in der Nikolaikirche in Chemnitz kurz vor Beginn des Weihnachtskonzertes eine große Orgelpfeife herausfiel und nicht nur die Kirchenbänke sehr stark beschädigte, sondern auch eine Konzertbesucherin verletzte? daß im Werdenfelser Land der ehemalige Bergführer Ehrhardt oder „Schweizer Bartl" «ine Niesenleistung in seinen achtzig Lebensjahren vollbracht hat? Rund 1200mal ist er auf der Zugspitze gewesen! baß der englische Frauentitel „Lady" aus dem angel sächsischen Worte „Hlaefdige" entstanden ist, das „Brot- kneterin" bedeutet? baß das National-Gctränk der Bewohner Tibets Butter- tee ist? In den Tee wird zur „Gcschmacksvcrbcsserung" Butter getan, die manchmal mehrere Jahre alt ist. baß in jedem Kulturlande meistens eb«nsoviel Ratten wie Einwohner vorhanden sind. Eine Ratte hat einen täg lichen NahrungSbcdarf im Werte von 1,23 Rpf. Die 65 Mil lionen Ratten, die cs schätzungsweise in Deutschland gibt, fressen demnach jährlich Nahrungsgüter für fast 300 Mil lionen auf. daß die neue Straßenverkehrs-Ordnung das ungeschützte Mitführen von Sensen als Verkehrsgefährdung betrachtet und unter Strafe stellt? daß die neuen Tretstrahler, mit denen neue Fahrräder ab 1. Juli 1638 anstelle der Katzenaugen ausgerüstet sein müsse», eine Erfindung des ersten Kraftwagcnfahrers des Führers, des jetzigen »t-Obersturmführers Anton Loibl sind? baß Johann Sebastian Vach als Kirchenorganist ber freien Reichsstadt Mühlhausen seine Besoldung z. T. in Naturalien erhielt? Neben Korn und Brennholz standen ihm auch alljährlich drei Pfund Fische zu. baß das „Freihändigfahren" auf dem Fahrrad unter sagt ist? Auch die Füße dürfen nicht von den Tretern ge nommen werben. Bus Sachsens ««WM Eine grmeinr Tat. Chemnitz. Der am 3. April 1885 geboren« Lffbert Pester aus Chemnitz, der bereits dreizehn Vorstrafen auf dem Kerbholz hat, stahl seinem Stubenkameraden 75 Mark aus dem Koffer, den er zuvor aufgebrvchen hatte. Ebenfalls nahm er aus einer verschlossenen Kommod« sie ben Mark mit. Das Amtsgericht Chemnitz erteilte dem rückfällige» Dieb eine derbe Lektion und verurteilt« ihn zu 1 Johr und 2 Monaten Zuchthaus. Die bürgerlichen Ehrenrechte wurden ihm auf drei Jahr« aberkannt. Mil-MM«! ReichSse»d««ge» am Sonntag, dem SV. Jannar. 9,«6 Reichsminister Dr. Goebbels spricht zur Jugend. 11M Die deutsche Revolution. 12,60 Mittagskonzert. 15.00 Nachmittagskonzert. 16,00 Unterhaltungsmusik. Dazwischen Berichte vom Boxkampf Schmeling—Ben Foorb, von der Internationalen Wintersportwoche in Garmisch-Partenkir chen und den Internationalen Europa-Meisterschaften im Kunsteislauf für Paare in Troppau. 10,00 Nachrichten. Be- > richt von der Verleihung ber Ordensanszeichnungen an die Nationalpreisträger. 16,15 Marschmusik. Dazwischen Histo rischer Rückblick auf den 30. Januar 1933 und Bericht vom Fackclzug. Eigeusendungen Leipzig. 0,00 Hafenkonzert. 8,00 Großes Wecken. 9,30 Orchcster- konzert. 22,00 Nachrichten. 22,30 Zur Unterhaltung. 0,l5 Nachtkonzert. Montag, den 81. Januar. Deutschlaudseuder. 6,30 Konzert. 7,00 Nachrichten. 9,40 Kleine Turnstunde. 10,00 Hanswurstel, Kuhhorn und Fasnetbutz. 11,30 Dreißig bunte Minuten. 12,00 Konzert. 13,50 Nachrichte». 14,00 Allerlei von Zivei bis Drei! 15,00 Wetter, Börse. 15,15 Opcrctten-Mclodien. 15,40 Die Schwe ster — ein wichtiger Frauenberuf! 1555 Programmhinweise. 16,00 Musik am Nachmittag. 17,00 Der weise Kadi. Eine heitere Geschichte. 18,00 Neue Chormusik. 18,25 Musik auf dem Trautonium. 18,40 Emanuel Swedenborg. Zum 250. Geburtstag des großen schwedischen Denkers. 19,00 Kcrn- sprnch, Wetter, Kurznachrichten. 1910 ... und jetzt ist Feier abend! 20,00 Achtung! Gaunerstreiche! 21,00 Deutschland echo. 21,20 Siebentes Philharmonisches Konzert. 22,00 Wet ter, Presse, Sport. 22,20 Deutschlandecho. 22,30 Eröffnung der NeichS-Wintersportwettkämpfe der HI. 1938. 23,00 Hans Busch spielt. Leipzig. 6,30 Konzert. 6,50 Nachrichten, Wetter. 7.00 Nachrichten. 8,00 Gymnastik. 8,20 Kleine Musik. 8,30 Kon zert. 10,00 Mnsikal. Märchcnstunde. 10,30 Wetter, Tages programm. 11,15 Erzeugung nach Wunsch. 11,35 Heute vor ... Jahren. 11,40 Persianer aus deutscher Zucht. 11,55 Zeit, Wetter. 12,00 Konzert. 13,00 Zett, Wetter, Nachrichten. 14,00 Zeit, Nachrichten, Börse. Kleine Sachen, die uns Freude machen. 15,00 Die Natur im Februar. 15,15 Kinder spielen für Sinder. 15,30 Bernd Poieß erzählt. 16,00 Konzert. 17,00 s Zeit, Wetter, Wirtschaftsuachrichteii. 18,00 Aus alten Dorf- ordnungen und Wcisttimern. 18,20 Lieber zur Laute. 18,40 Deutsche Literatur in Entwicklnngsreihen. 19,00 Nachrichten. - 19,10 Wilhelm Filchner, ein Frontkämpfer auch im Frieben. 20,00 Umschau am Abend. 20,10 Das große Wilhelm-Bnsch- Albnm. 22,00 Nachrichten, Wetter, Sport. 22,30 Aus nor dischen Ländern. 23,00 Nacht- und Tanzmusik. M MktMM dkl MMi Ns« Roman von Anny v. Panhuys. 31. Fortsetzung. Zu meinem größten Erstaunen höre ich von Neuyork, daß die Kisten für die Firma Smith-Brothers dort noch nicht angekommen find." Renate schrieb, was Juan Tasero diktierte, und es ging ihr sehr schnell von der Hand. Als der Brief, der Renate ein richtiger Geschäftsbrief schien, ziemlich fertig war, machte der Diktierende eine Ichmeichelhafte Bemerkung über die Schnelligkeit. „So eine Sekretärin wünsche ich mir, leider kann ich Sie nicht engagieren, da ich zu weit weg von hier wohne." Sie sah ihn ein ganz klein wenig neugierig an. Es schien ihr schwer, diesen sehr gebräunten Mann mit den beinahe deutschen Augen und der flüssigen Beherrschung der deutschen Sprache in irgendeine Nationalität eüizu- reihen. Er sah selbstbewußt und herrisch aus an Gestalt und Gesicht, während seine Augen etwas Melancholisches hat ten. Er lächelte sie an. „Raten Sie, bitte, wo ich her sein könnte." Sie betrachtete ihn forschend und mußte unwillkürlich denken, daß diese energischen, charaktervollen Züge unge mein sym;>aihisch waren. „Sie könnten Spanier sein," erklärte sie nach einem Weilchen des Nachsinnens. „Beinahe geraten," gab er zurück, „denn spanisch ist meine Landessprache, und unter den Bewohnern meines Landes sind sehr viele Nachkommen von Spaniern." „Dann sind Sie wohl Argentinier?" fragte sie. Er schüttelte den Kopf. „Argentinier bin ich nicht, aber ein ähnlicher Lands mann. Argentinien gegenüber, in Uruguay liegt mein Zuhause!" „So weit von hier ist Ihr Daheim," scrgte sie sinnend und lächelte dabei ein ganz klein wenig. Er sah das Lächeln um den weichen Mund erblühen, und es bezauberte ihn. Noch süßer, noch lieblicher dünkte es ihn, als das Lächeln auf dem Medaillonbild der blon den Frau. Das Lächeln aber schwand schon wieder. „Wollen Sie so gut sein und mir den Brief fertig dik tieren," sagte Renate. Und der Mann diktierte den Vries fertig an eine Firma, die es in Hamburg gar nicht gab, nur um Gelegen heit zu haben, sich bei Renate Wittenborn umzuschauen. So viel aber wußte er jetzt schon, er war zur rechten Stunde gekommen. Es war an der Zeit, dem schonen Mäd chen zu helfen. Sie lebte in Verhältnissen, die ihrer nicht würdig waren. Nun, lange sollte sie diese Existenz nicht mehr führen. Er konnte nun nachdenken, wie ihr unauffällig zu helfen war. Er diktierte noch einen zweiten fingierten Brief und dann fand er keinen Grund mehr, länger zu bleiben. Er unterschrieb die Briefe. Sie las den Namen Juan Casero. Er schob die Bogen in die von Renate geschriebenen Umschläge und steckte die Briefe in die Brusttalche. „Nun bin ich eine Last los und kann weiterbummeln durch das interessante Berlin," meinte er. „Meviel bin ich schuldig?" wohnte, wie er geäußert, erst hierherfahren nach der Lad. tieren. Martha rückte Juan Casero einen Stuhl zurecht und stürmte dann über den Hof, um Renate zu benachrichtigen. Jan- I Das i Er mußte, er wollte das wunderschöne Mädchen wieder- I I , , sehen. Er mutzte und wollte, und wenn er die Ruhe seines 1 Sie rannte beinahe eine Nachbarin an. ganzen fernen Lebens dafür auf das Spiel setzte. > lFortsetzung folgst. nowitzbrücke, um seine Uebersetzung zu diktieren, konnte er bequemer in seiner Gegend haben. Aber der Fremde kam doch wieder. Zwei Tage später schon trat er in Frau Kuschkes chen und erklärte, er möchte Fräulein Wittenborn gern täglich ein paar Stunden Teile seiner Uebersetzung dik< Martha steckte ihren Kopf zur Tür herein, trat dann bei Renate ein. „Ist er weg?" Sie seufzte etwas übertrieben. „Fräulein Renate, das war ein Herr! Mutter und ich, vielleicht auch Sie, zerbrechen uns den Kopf, wie der sich hierher verlau fen hat. War das ein interessanter Mensch! So einen kriegt unsereins überhaupt nicht vor die Augen. Immerzu mutz ich an ihn denken." Renate sagte lächelnd: „Hat er Ihnen so gut gefallen, Martha?" „Und ob!" begeisterte sich das nette saubere Mädchen. » Als er so im Laden stand mit Muttern, habe ich ihn im merzu angucken müßen. Mutter sagt, es ist ein Auslän der. Wo ist er aber her, wissen Sie es vielleicht?" Sie erzählte Martha den kurzen Inhalt ihrer Unter haltung mit dem Fremden, denn die treue anhängliche Martha durfte sie nicht unfreundlich behandeln. Martha sah sie groß an. „Und Sie haben sein Angebot, im Hotel nach seinem" ' Diktat zu schreiben, nicht angenommen?" fragte sie ein paarmal hintereinander, als vermöge sie es gar nicht zu glauben. „Wie kann ich denn ein derartiges Angebot annehmen," verwahrte sich Renate, „ich denke noch mit Schaudern an meinen Besuch bei der Schriftstellerin Elida Jsfenstein." „Aber ich hätte Sie doch gern begleitet, da wären wir beide wenigstens ein paarmal hier rausgekommen. Mut ter hätte mich bestimmt gern mitgelassen. Ach, waren Sie dumm, Fräulein Renate. Entschuldigen Sie, aber Sie wa ren wirklich dumm!" Renate nickte zustimmend. „Möglich, Martha, daß ich dumm handelte, vielleicht hätte ich endlich mal eine lohnende Einnahme gehabt." In Gedanken setzte sie hinzu: Und ich hätte ihn -uch öfter wiedergesehen, ehe er zuriickfährt in seine ferne .. .imat. Martha meinte nachdenklich: „Vielleicht kommt er aber doch wieder, weil er gesagt hat, er will es sich übe».egen. Wenn er kommen sollte, können wir Ihre Maschine riibcr- tragcn in unsere Stube. Ich mache drüben siir alle Fälle Scheuerfest." Sie machte ein ganz verklärtes. Gesicht. „Ach, wenn er doch bald wiedcrkäme." Renate dachte, er wird nicht wiederkommen. Weshalb sollte er, der in einem Hotel am Tiergarten Er dächte in diesem Augenblick nicht an Verena und nicht an das ferne Land, dessen Sohn er sich jetzt nannte. Er dachte nur daran, daß Renate Wittenborn die blonde Frau war, um die sein Sehnen zog, seit er das Medaillon- vild zum erstenmal betrachtet, und daß sie lebte, diese süße, schöne Frau. Leidenschaft machte sein Blut Heitz, trieb es schneller durch die Adern. Er preßte das kleine Medaillonbild an seine Lippen, murmelte: Renate, süße Renate! ' Sie antwortete: „Mit Papier und Umschlägen eine Mark." 'Er legte das Geld hin. „Sie dürfen nicht so billig sein." „Die Leute hier finden meins Preise meist noch zu teuer und das Geld ist ja auch rasch verdient," gab sie zurück. „Wenn es nur genügend Kundschaft gäbe." Ihm kam eine Idee, weil er Renate gern Wiedersehen wollte. Er sagte: „Wenn Sie viel Zelt haben, können Sie, solange ich noch in Berlin bin, eine größere Arbeit für mich übernehmen. Ich bin nämlich mit der Uebersetzung eines Buches aus dem Spanischen beschäftigt und würde JhnAr dann täglich ein paar Stunden diktieren." Er sah sich um. „Aber nicht hier, sondern in meinem Hotel am Tiergarten." Renate wollte erwidern: Dann bedauere ich außer ordentlich! als er fortfuhr: „Vielleicht haben Sie eine Freundin, die Sie begleiten kann?" Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe niemals eine Freundin besessen und Martha Kuschke hilft im Geschäft ihrer Mutter, die darf ich nicht um ihre Zeit bestehlen." Er machte eine unschlüssige Bewegung. „Da Sie tadellos schreiben, will ich mir die Sache noch einmal überlegen. Vielleicht komme ich wieder zu Ihnen. Notieren Sie mir, bitte, Ihren Namen und Adresse." Sie tat es und er ging, von Renate bis zur Tür geleitet. Er stieg wie ein Träumender die Treppe hinunter und schritt über den von allerlei widrigen Gerüchen erfüllten Hof. Er dachte beklommen: Das Geld, das er damals Renates Vater genommen, allerdings ohne zu wißen, daß sich mehr in der Silberbörse befand als seine fünfhundert Mark, dieses Geld hatte ihm selbst zum Reichtum verhül fen. Renate Wittenborn aber befand sich in Not. Er fuhr im Auto in sein Hotel zurück. Er sehnte sich nach seinem stillen Zimmer, um sich erst völlig klar darüber zu werden, wie es geschehen konnte, daß nun alles zusammengefallen war, was er über Renate Wittenborn gedacht seit langen Jahren. Immer, wenn er sie sich vorgesleur, zeigte pcy lym ein blasses Elendsgeschöpf mit straffem, dünnem Haar. Nur die Augen stimmten bei der Renate seiner Vorstellung und der Renate der Wirklichkeit überein. Nur die Augen. In seinem Zimmer angelangt, sann er vorerst nur dem Wunder nach, daß sie lebte, die blonde Schönheit, die so viele, so unzählige seiner Träume umspannen. Die Weissagung der alten Nieves hob sich aus verschüt teten Tiefen seiner Erinnerung. Allmählich stimmte sie im-> mer mehr. Verena hatte ihm auf dem Sterbebett noch ge standen, was sie ihm bei der Verdolmetschung verhehlt, daß Nieves gesagt, er fände in der alten Heimat ein neues Glück, an der Seite der blonden Frau, deren Bild er bei sich trage. Er sank in einen Stuhl, bedeckte die Augen mit der^ Schale der rechten Hand. Renate und er! Wahnsinn war der Gedanke. Das schöne junge Geschöpf und er, der Mörder ihres Vaters! Es ist vielleicht beßer, ich sehe sie nie mehr wieder! sagte er vor sich hin. Und er wußte doch zugleich, er war nicht I dazu imstande.