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Der langsame zweite Satz des Werkes ist als eine Art Notturno angelegt und zeichnet gleichsam das Bild einer schönen südlichen Sommernacht. Als Hauptthema liegt diesem Andante eine gesangliche, ein wenig impro visatorische Melodie zugrunde. — Temperamentvolle Tanzstimmung dominiert im letzten Satz, einem feurigen Allegro, in das ein kontrastie render, kantabler mittlerer Teil eingefügt wurde. In der Reprise dieses lebensvollen Finalsatzes, der mit einem kurzen Epilog beschlossen w T ird, wurde auch noch einmal das Hauptthema des ersten Satzes mit ver arbeitet. Dr. Dieter Härtwig Tschaikowskis 5. Sinfonie entstand im Sommer 1888 und wurde noch im gleichen Jahre unter der Leitung des Komponisten in Petersburg urauf - geführt. Über ein Jahrzehnt war seit der Vollendung seiner 4. Sinfonie, der die 5. in der kompositorischen Anlage wie in ihrem Ideengehalt ver wandt ist, vergangen. Nur zögernd begann er, von erfolgreichen Gast reisen im Ausland in den Jahren 1887/88 zurückgekehrt, mit der neuen Arbeit. „Ich bin nun endlich dabei, aus meinem stumpf gewordenen Hirn schwerfällig, eine Sinfonie herauszuquetschen“, äußerte er in dieser Zeit. Dennoch beendete Tschaikowski das Werk schließlich weit eher, als er ge dacht hatte. Aber gerade bei dieser Sinfonie kamen dem sehr selbst kritischen Komponisten immer wieder Zweifel, sie schwankte außer ordentlich in seiner eigenen Einschätzung. So schrieb er noch kurz nach der Uraufführung: „Nachdem ich nun meine neue Sinfonie zweimal in Petersburg und einmal in Prag gespielt habe, habe ich die Überzeugung gewonnen, daß sie kein Erfolgswerk ist. Sie enthält etwas Abstoßendes, ein Übermaß an Farbigkeit und Unechtheit, etwas Gewolltes, was das Publikum instinktiv erkennt.. . Bin ich denn wirklich ausgeschrieben, wie die Leute sagen?“ Wie sehr Tschaikowski sich mit diesen Zweifeln an dem bleibenden Erfolg seiner 5. Sinfonie irrte, ist längst erwiesen. Dieses Werk, dessen Programm ähnlich wie in Beethovens 5. Sinfonie die Über windung des Schicksals, des Zweifels und der Dunkelheit durch Daseins freude und Zukunftslicht bildet, hat seine starke, unmittelbare Wirkung auf die Hörer bis heute immer wieder unter Beweis gestellt. Mit einer langsamen, dunklen Einleitung, deren Thema das Grundthema der Sinfonie, ein in allen Sätzen wiederkehrendes Schicksalsmotiv, dar stellt, beginnt der erste Satz (Allegro con anima). Ein schnelles, rhyth misch-erregtes Thema, immer mehr gesteigert, folgt. „Zweifel. Klagen, Vorwürfe“ schrieb der Komponist neben die Skizze dieses Themas. Es kommt zu einer dramatischen Durchführung — dann endet der Satz düster resighierend, verlöschend im Pianissimo der tiefen Streicher, der Fagotte und der Pauke. — Im zweiten Satz, dem berühmten Andante cantabile, erklingt eine schwärmerische, lyrische Hornmelodie voller Sehnen und Glücksempfinden. Obwohl auch hier wieder zweimal die mahnende Stimme des düsteren Grundthemas drohend eindringt, dominiert doch in diesem Satz das angedeutete Bild einer lichten Welt. — Ein rauschender, langsamer Walzer erscheint im dritten Satz, in dem freilich auch das dunkle Schicks alsmotiv wieder auf tritt, an der Stelle des sonst üblichen Scherzos. — Doch das Finale bringt in seiner Wendung vom Moll zu strahlendem E-Dur, in der Veränderung des Schicks als themas in einen heroischen Marsch schließlich Triumph und Sieg — die Überwindung der dunklen Mächte. Nach volkstümlichen russischen Tanzepisoden im Haupt teil dieses Satzes wird das Werk in überschäumendem Jubel und Festes freude beschlossen. IV/10/5 PG 102/39/67 1650 (1279/B)