Volltext Seite (XML)
als sie sich der sinfonischen Dichtung zuwandten und diesen Zweig der Komposition ergriffen. Der Einfluß von Franz Liszt, des Führers der neudeutschen Schule, ist gleich in den ersten Werken Smetanas spürbar, die allerdings noch ganz der deutschen Bildungs sphäre angehören. Smetana wächst dann allmählich in die tschechische Welt hinein, der er zwar seiner Abkunft gemäß schon angehört, die es aber auch zu bekennen gilt. Nach dem er in seinem Schaffen (in seiner Erstlingsopcr ,,Die Brandenburger in Böhmen") noch starke wagnerische Einflüsse verarbeiten und überwinden mußte, gelang ihm mit der 1866 geschriebenen Spieloper ,,Die verkaufte Braut" der große Wurf, ein Werk, das so spezifisch tschechisch im Musikalischen war, daß von diesem Augenblick an in der Welt mit diesem Novum, nämlich dem tschechischen Anspruch auf Teilnahme am musikalischen Leben, gerechnet wurde. Da auch damals die Propheten nichts in ihrem Vaterlande galten, errang dieses Werk, das sich dann die Welt eroberte, erst 1892 in Wien jenen Erfolg, der ihm gebührte. In seiner vierten Oper „Libussa" greift er die Eigentümlichkeiten seiner tschechischen Tonsprache wieder auf und vervollkommnet sie so, daß man dieses Werk als das Meisterwerk tschechischer Dramatik schlechthin nennt. Nun ist Smetana im Vollbesitz seines Könnens, geschult durch die farbige Palette des Lisztschen und Wagnerschen Orchesters, bereichert um die rassisch-rhythmischen Eigentümlichkeiten seines volkhaften Erbes und erhöht durch das Selbstbewußtsein, das ihm aus dem Bekenntnis zur unterdrückten Heimat erwuchs. Gerade in diesem Augen blicke der höchsten Kraftfülle traf ihn, den zarten, äußerst sensiblen Menschen, ein Schicksalsschlag von ausgesprochener Grausamkeit: er ertaubte plötzlich im Jahre 1874. Wie aber das Schicksal auch Beethoven mit dem gleichen Schlag nicht niederwerfen konnte, so meisterte es auch Smetana. Im selben Jahre begann er mit der Niederschrift zu den sinfonischen Dichtungen des sechsteiligen Zyklus „Mein Vaterland". Er arbeitete bis 1879 daran. Vor seinem inneren Ohr werden Landschaft und Geschichte seines Volkes lebendig, werden dort tönende Wirklichkeit. Selten hat ein Musiker mit solcher Farbig keit und Bildkraft geschaffen, selten ist aus einer so starken Heimatliebe und Inbrunst zum eigenen Volke und Lande heraus gestaltet worden, selten hat jemand seiner Innig keit und Sehnsucht besser Ausdruck verleihen können, als Smetana in diesem großen sinfonischen Gemälde. Hier scheint eingetreten zu sein, daß ein Kunstwerk ganz Natur wird. Bis heute hat diese sinfonische Dichtung ihren ursprünglichen Reiz bewahrt, ihren Schmelz, ihren morgendlich-jungen Charakter, ihre Frische, ihre Kraft und zugleich unnennbare Süße. Smetana hat mit seinen Meisterhänden die Zweifel um die umstrittene Gattung Programmusik behoben. Bei ihm ist alles richtig, es sitzt alles, es ist alles so natürlich, weil-es einmalig in seiner Vollkommenheit ist. Es ist kein Wunder, daß ..Mein Vaterland" ein Welterfolg werden mußte. Smetana selbst zerbrach später doch an dem ihm vom Schicksal zugefügten Schlag: der Wahnsinn griff nach ihm, im Ringen mit diesen Dämonen unterlag er 1882. Als er 1884 starb, betrauerte das tschechische Volk seinen größten Musiker, die Welt einen großen Meister der Tonkunst, der mit den Opern „Die verkaufte Braut". „Libussa" und dem sinfonischen Zyklus „Mein Vaterland" unsterbliche Werke hinterließ. Johannes Paul Thilman Vorankündigung: Sonntag, 28. Januar: Carl Garaguly (Stockholm) dirigiert Werke von Beethoven, Sibelius, Alfven, Brahms Sonntag. 4. Februar: Werke von Thilman. Sibelius,Tschaikowskij (Pathetique). Solist: Sigmund Blcier, Stuttgart (Violine); Dirigent: Prof. Bongartz Sonnabend, 10. Februar: 5. Mozart-Abend. Solist: Walter Stoscheck