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Beilage zur Weideritz-Heilung Sonnabend, den 6. November 1937 103. Jahrgang r«ri» VII ULkvllLmt Maml g ri. Fvrnevunv.. r M. ihren und Mengen von Chinin. Die Hauptsache ist, abends und nachts vor den Rebeln in acht Ein toller Fall aus Amerikas Kriminalgeschichtq Von Clemens Laar ausreichende daß Sie sich nehmen. Sie Alle anderem sehr gut versteht, und er wollte ja auch eigentlich sein Konto mit hundert Dollar eröffnen, aber leider muß er noch am Vormittag Weiterreisen und eine Ueberwelsung, die er erwartet, ist nicht eingetroffen . . . Also kurz und gut, statt hundert Dollar kann er als Grundstock seines Kontos nur fünfzig einzahlen. Fast schüchtern meint er: Die dicke Dame mit Paketen kreischt auf fällt hin. Zeichnung: Drewitz — Dus Leuchtfeuer von Chesterland weist den Weg zu dem „Gold" in den Ficbersümpfen Floridas. Juli 1912 fallen die beiden einsamen Leuchtturmwärter dem Fieber zum Opfer. Gwendolyn Rhyde kommt wieder durch. Er ist der einzige von sechzehn Wärtern, der dem Fieber entrann. Viele Jahre bleibt der Leuchttnrm unbesetzt. Neue Schiffahrtslinten entstehen. Der Leuchtturm muß wieder besetzt werden. Aber es findet sich kein Wärter. — Am Schalter der Nationalbank in Pittspride er- ein Mann. Er will sich mit 50 Dollar ein Bankkonto errichten lassen Nr. 260 Der „Fall RE". Solchermaßen ist also das Intermezzo in Pittspride geartet. Durch die indiskrete Haltung der Polizei ist l>er- ausgekommen, welch eine fragwürdige Persönlichkeit der einstige Leuchtturmwärter Gwendolyn Nhyde im Grunde darstellt. Es ist tatsächlich nichts los mit Gwendolyn Rhyde, aber es muß ihm zugute gehalten werden, daß er immer Pech gehabt Hal im Leben. Sein erstes Unglück war, als Sohn eines reichen Mannes geboren zu sein. Das zweite bestand darin, daß Papa Nhyde sich vor Eintreffen des Knaben auf ein Mädchen kapriziert hatte, das er Gwendo lyn nennen wollte. Diese Meinungsverschiedenheit zwi schen Papa Nhyde und dem Klapperstorch endete damit, daß der ältere Rhyde wenigstens in einem Punkte seinen Kopf durchsetzen wollte und mithin der Knabe auf den Mädchennamen Gwendolyn getauft wurde. Man soll so etwas nicht machen. Es geht in den sel tensten Fällen gui aus. Es wurde venu auch prompt nichts aus Gwendolyn Nhyde, was den eigentlichen Ver anlasser all des Unheils bestimmte, seinen Sohn mit dem Mädchennamen zu enterben und auf das Pflichtteil zu setzen. Als es so weit war, wurde der tüchtige Gwendo lyn in zwei Monaten damit fertig und entschied sich dann mangels anderer Möglichkeiten und auch, weil die Polizei von drei Staaten hinter ihm her war, den Posten eines Leuchtturmwärters auf Turm VII von Ehesterland anzu nehmen. Eine Position, die er für idyllisch und geruhsam hielt und die er nach mancherlei handgreiflichen Raufereien mit dem Leben als erstrebenswert erachtete.- Es ist bereits beschrieben worden, wie diese Unter nehmung endete, und es wäre nunmehr darzustellen, wel chen Einfluß auf die weitere Tatkraft des nicht uninter essanten Gwendolyn Rhyde der Vorfall in Pittspride hatte. In einem Protokoll, das erst viele, viele Monate nach dem erwähnten Zeitpunkt Beamte der Polizei anfertigten, und das später im gerichtlichen Abschluß des Case RE. als Geständnis aufgefaßt wurde, steht die Aussage dieses dunklen Ehrenmannes: „Es wurde mir klar, daß ich nach den bisherigen Methoden nicht mehr Weiterarbeiten konnte. Ich mußte mir auch eine Vertriebsorganisation schaffen, aber vor allen Dingen war es nötig, meine technischen Mittel der art zu vervollkommnen, daß die Fälschungen nur unter .dem Röntgenschirm erkannt werden konnten. Es ist mir dies ja wobl aüch gelungen. Diese technischen Erfordernisse brachten ganz zwangs läufig die Frage nach einer entsprechenden Lokalität mit sich, und, wie bekannt ist, löste sich auch dieses Problem sehr schnell für mich. Dann begann ich zu arbeiten . . Es wäre ungerecht, dem Gwendolyn Nhyde nicht zu zubilligen, daß er zwar nicht gearbeitet hat, aber daß er äußerst energisch und geradezu unwahrscheinlich erfolg- I reich tätig gewesen ist. Es beginnt das große Rätsel des Case RE. und eines dsr mittleren Kapitel in der Chronik vom absonderlichen Schicksal des Leuchtturms VII. Etn neuer Leuchtturmwärter „Wissen Sie, in welche Gefahr Sie sich begebend Der Leiter der Küstenwachtinspektion III, Florida, ist ein kleiner, sehr scharfer und kürz angebundener Herr. Er mustert den vor ihm stehenden Mann aus zusammcnge- kniffenen Augen. Ein Seemann nach Haltung und Ge-' baren, aber irgend etwas stört den Inspektor. Weiß der Henker, was es ist. Vielleicht der Gesichtsausdruck des vor ihm Stehenden. Der Kerl bemüht sich, bieder drein zuschauen, aber es liegt etwas . . . v-in. nicht nur Intel ligentes, etwas suchsschlau Durchtriebenes in seiner Physiognomie. Ein Aus ¬ druck, wie ihn Männer nicht besitzen, die ständig auf dem Meer zu tun haben. » Der Manu dreht die blaue Schirmmütze in den Händen. Auch das scheint nicht ganz echt zu sein. Na, gleichgültig. Die Hauptsache, der Bursche tut seine Pflicht nach den Vorschriften. Wenn er es nicht tut, fliegt er. „Also, Sie sind sich der Ge fahr bewußt? Ich will Ihnen ganz offen erklären, daß es noch keine ständige Turmbcmannung gegeben hat, die nicht früher oder später vom Gelben Fieber Der Mann wirft nur einen kurzen Blick zurück und macht dann einen einzigen Sätz in die Drehtür hinein. einig. Es ist auch halb so schlimm, wie ich pflichtgemäß die Dinge darstellen muß. Sie bekommen „Ich hoffe, das genügt." „Selbstverständlich genügt das", erklärt Sim und zieht den Hundert-Dollarschein über die Zahlplatte. Er ist beinahe gerührt über die Umständlichkeit, mit der dieser nc»e Kunde der Bank den Schein aus der Brieftasche ge kramt hat. Und die Skrupel, die er sich gemacht har. Daß es so etwas noch gibt! Als er den Hundert-Dottarschein glättet und in das Fach im Zahltisch stecken will, hört er erneut den schüch ternen Fremden: „Einen Augenblick . . . Wenn ich Sie noch einmal stören dürfte . . ." „Bitte." Sim dreht sich halb um und muß lachen, als er erfährt, daß der Mann nichts anderes will als die Bitte äußern, seine fünfzig Dollar möglichst in Zehn- Dollarscheinen zu erhalten. * „Aber gern", erklärt Sim und sagt dann dem Mann, daß er ihm eine Quittung ausschreiben werde und mit dieser Quittung möge doch der Herr sich dort drüben an den Kontokorrentschalter begeben, wo man alle weiteren Formalitäten erledigen werde. Währenddessen zählt er fünf schöne Zehn-Dollarscheine auf die Platte. Der Fremde bedankt sich: es kommen neue Kunden, und Srm ist schon drauf und dran, den Mann z» verges sen: da siebt er. daß der zwar durch den Naum in die Richtung auf den Kontokorrentschalter geht, aber vorher am zwelten Ausgang haltmachi und ganz offenbar hin ausgehen will, weil eine umständliche Dame vor ihm sich mit einigen Paketon in der Drehtür verheddert hat zmeiter Mann." „Ja, deswegen . . . Ich hätte nämlich jemand." „Mensch, das sagen Sie erst jetzt?!" „Naja ..." < Gwen Rhyde, der wieder einmal Engström heißt^ ' kann jetzt beim besten Willen ein Lächeln nicht unterdrük-i ken. Es gelingt ihm aber, eine dümmlich verlegenes Grimasse daraus zu machen. Lsenn du wüßtest! denkt der. Nicht nur einen Manm habe ich, sondern zwanzig und dreißig, wenn ich willu auch fünfzig. Gwen Rhyde hat die tollste Bande zwischen Frisko und Panama am Schnürchen und braucht nur mit, dem kleinen Finger zu winken, wenn er Leute haben will. Bei Gwen gibt es was zu verdienen, und zwar auf einej Art, die eines Gentleman würdig ist. Jawohl,, er wird seinem Freund sofort schreiben, und wenn der nicht gerade ein Schiff hat . . . Aber er wird wohl keins haben, denn er ist ja wohl ein bißchen schwach auf de» Brust und trinkt mehr, als Kapitäne es gern sehend /Forttekuno kolat? erwischt wurde. Seit ein paar Jahren, seit der grotzq Touristenverkehr nach Miami und nach den Bahamas? aus den Südstaaten begonnen.hat, müssen wir de» Tur«? VH wieder in Betrieb halten. Er war vor dem Krieget geschlossen worden, weil er tatsächlich nichts anderes iv»t^ als eine Todesfälle . . ." Der andere steht auf seine Stiefelspitzen. Ein keiseZI Grauen macht ihn plötzlich frösteln. Er denkt an dem Neger Pete, an die letzten Stunden auf Turm VH, da-! mals 1912. Damals war er ein junger Kerl, und jetzt.. Hatte er jetzt mehr als damals? Ist er mehr? Har erj etwas geschafft? Seme Augen werden starr. Verdammt nochmal, ers wird nicht als alter Tramp einmal auf den Bahnsteigen herumliegen und immer mehr verkommen, bis eines Ta-> ges das unausbleibliche Schicksal erfüllt ist und er irgend-» wo in einem Straßengraben vor Hunger krepiert. Er nicht. Er wird seinen Landsitz haben. Er wird»! im Winter in einem Palast am Riverside Drive oder am der Washington Avenue sitzen. Er wird seine Loge in der! Metropolitan Opera haben. Er wird... Er wird! Geld haben, maßlos viel Geld. Jetzt beginnt sein großes Spiel, und weder alle! Cops noch Federal Agents,, noch der Tod in den violet-j ten Nebeln von Chesterland werden ihn aufhalten kön-i nen. Er hört kaum hin, was der Inspektor sagt. „Ich bin verpflichtet, es Ihnen zu sagen, daß der Posten seit mehr als zwei Jahren offensteht, aber sich nie mand findet. Man weiß hierzulande, was es bedeute». Wärter auf dem Turm VII zu sein. Vorläufig habeni meine Lotsen in kurzem Turnus Viesen Dienst versehen^- aber auf Vie Dauer geh» das nicht. Sie teblen zu sehr; an ihrem richtigen Platz Er sucht -te Einsamkeit „Haben Sie Todesfälle varunter gehabt?" fragt der» Anwärter mechanisch. / „Einen", erwiderte ver Inspektor kurz. Sein Miß trauen ist erneu» erwacht. Der Mann vor ihm ist plötz lich aus seinem Matrosenslang gefallen. „Sie wäret» nicht immer Seemann, scheims?" Gwen Rhyde har fölbst sofort seinen Fehler erkannr., „Nein", erklärt ermöglichst gleichmütig, „bin herunter-- gekommen. Ich habe mein Jngenieurpatent gehabt. Na! ja . . " „Und warum fahren Sie nicht länger als Seemann?! Es gibt voch genug zu tun." Der Mann vor ihm aber, ist nicht zu verwirren. - „Habe vor acht Wochen einen Unfall gehabt. Beim» Laden in den Raum gestürzt. Rippen und Arm. Kann, vorläufig nicht schwer arbeiten." Nun, oas ist einleuchtend. Außerdem steht es so aus,! als ob Vieser Mann Vie Einsamkeit sucht. Er wird irgend! etwas zu verwinden haben. „Well, Mr . . . Mr. Engström, dann sind wir uns Der Schein war falsch Der Mann hat sich anscheinend verlaufen. „Hallo!" ruft Sim über den ganzen weiten _ .träum hinweg, denn er ist dem Fremden günstig gesonnen. „Hallo! Warten Sie doch einmal!" Da geschieht etwas Seltsames. Der Mann wirft nur einen kurzen Blick zurück und macht dann einen einzigen Satz in die Drehtür hinein. Die dicke Dame mit ihren Paketen kreischt auf und fällt hin. Sie rutscht aus am Boden, kommt mit den Füßen in den Spalt zwischen Tür- flügel und Rahmen, und jetzt dreht sich die Tür selbstver ständlich erst recht nicht. Links von ihr wirft sich der Mann mit dem Stepphut wie ein Wahnsinniger gegen den Türflügel. Die Dicke jault vor Schmerz auf wie ein trübsinniges Nebelhorn. Manche Leute lachen. Sim lacht nicht. Er weiß sofort, daß hier etwas nicht stimmt, taucht blitzschnell unter den Schallertisch und er scheint ebenso blitzschnell wieder mit seiner Artillerie in der Faust. „Halt! Sofort zurückkommen!" Em paar Frauen kreischen auf. Alles prescht zur Seite. Sim hat freies Schußfeld. „Zurückkommenl" Der Mann in dem Glaskäfig wirst sich noch einmal gegen die Tür, dann merkt er, daß es in dieser Richtung nicht geht. Er dreht, sich um. Sim sieht eine Pistole in seiner Hand. Die Tür dreht sich; wie ein springender Schatten er scheint in einem Sekundenbruchteil der Mann in voller Größe. . Sim schießt. Der Fremde auch. Sie schießen beide vorbei, und das ist bei dem Mann mit dem Stepphut kein Wunder. Er muß mit seinem vollen Körpergewicht die strampelnde Frau im Türgeviert nach außen schieben und kann nur einen unaezielten Schuß zurückschicken. Noch einmal hakt die Dicke Irgendwo feA und für eine ganze Sekunde steht der Fremde wie eine Scheibe für Sim da. Sim kann jetzt einfach nicht vorbeisch^eßen, und jetzt. . . Der Zeigefinger nimmt Druckpunkt am Abzugbügek, aber die Stahlzunge gibt nicht nach, die Trommel rotiert nicht. Hemmung. Der Hahn hakt eisern fest. Sim ver- j sucht es umsonst mit dem Daumen, Und dann muß er die Linke dazu nehmen, und dann gibt es noch einmal Ge kreisch von der Dicken und schließlich schlimmstes Durch einander, weil jetzt auch die anderen Beamten aus ihrer Lähmung erwachen, zur Tür stürmen und rettungslos den Ausgang verkeilen. In der Chase National Bank sieht man den Frem den mit dem Stepphut nicht mehr wieder. Ma»» hat jedoch vorerst ein Andenken an ihn. Einen Hundert-Dollar schein, der sich als eine plumpe Fälschung erweist. Es »st selbstverständlich, daß die Pittsprider Chase Bank das Falsifikat an das Schatzamt schickt. Die Stellungnahme der Behörde tritt postwendend ein. Es stellt sich danach heraus, daß nach den Erhebungen der Polizei derartige Fälschungen in vergangener Zeit mehrfach aufgetaucht, und daß sie auf einer gewöhnlichen Handpresse hergestcllt worden sind. Die'Polizei äußert woitcrhin die Ueberzcngnng, daß nach der Art des Vorgehens der Hersteller und Verfertiger der falschen Scheine ein gewisser Gwendolyn Nhyde ist, der vom Jahre 1916 bis 1920 im Kansks State Zucht haus eine Freiheitsstrafe verbüßt hat. Es wird betont, daß Rhyde sein Aussehen häufig ändert, so daß Steckbriefe meistens überholt sind, und daß I erhalten übrigens ein Merkblatt darüber. Bevingungen sind klar. Verproviantierung erfolgt vier--! zehntägig. Mit Ablösung dürfen Sie natürlich vorerso nicht rechnen. Vielleicht findet sich früher oder später eins . - er neben seinen echten Papieren »in Besitz von verschiede- rer Sim nur bedingtes Interesse ausweist.