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CtMstbuum izörst auch du dte leisen Stimmen klus den bunten Kerzlein dringen? Vie vergessenen Gebete klus clen Tannenzweiglein singen? Izörst auch clu clas schüchternfrohe, Izelle kinderlachen klingen? Schaust auch clu clen stillen Lngel Mit clen reinen, weihen Schwingen? ... Schaust auch clu clich selber wieder Zern uncl fremcl nur wie im Traume? Grüht auch dich mit Märchenaugen Deine Kindheit aus dem vaume? ... Ada Christen Weihnacht allein Eine wüuschbarc Geschiclne von Loire W e g e. Edda Petersen lag in ihrem Zimmer ans der Eonch und lrännne. Sie mar die jüngste, schönste nnd begabteste Schanspielerin des Siadlthcaicrs. Es mar Heiligabend, nnd sie Ivar ganz allein. Sie halte nicht nach Hause fahren können, man hatte sie nicht srcigclassen. Aber sie mar nichi nanrig barüber. Sie liatie auch die Einladungen ln der Stadt adgeletmt. Denn Edda Petersen mar roman tisch. und es erschien ihr schön, das Fest dieses eine Mal mit sich allein zn sciern. Sic liebte zmischen den fröhlichen Abenden den besinnlichen. Sie lag aus der Eonch und mar glücklich. Eine Lampe verbreitete mildes Gelb. Es duftete nach Tanncnzmeigen und Gebäck. Das hatte sie geschickt bekommen. Es duftete auch nach Glühmcin. Den hatte ihr die Wirtin gebracht. Sic Hörre durch die Zimmer die laute Freude der Kinder. Edda Petersen streckte sich wohlig und dachte an früher. Als sic cin Kind war, halte das Fest jedesmal einen bitteren Auftakt gehabt. Sic konnte den Weihnachtsvers nicht sprechen. Sie konnte bloß murmeln, stocken und sich schämen, als ob sie etwas Entsetzliches unternähme. Edda lachte. Es wäre niemand ans die Idee gekommen, daß sie Schauspielerin werden würde. Die Kinder nebenan sangen „Stille Nacht". Draußen sielen seit langer Zeit Schneeflocken vom Himmel, und Edda Petersen träumte vom Ruhm. Sie sah das Gesicht des jungen Mannes vor sich, das sie nicht vergessen konnte. Es war in der letzten Vorstellung gewesen. Er saß in einer vorderen Parkettreihe, und sie haue ihn gleich gesehen, als sie auftrat. Ein gut aussehender junger Mann blickte gelassen und gelangweilt. Es war ersichtlich, daß er nur da saß, weil er durchaus nichts anderes vorhatte. Dieses Gesicht will ich verändern, nahm sich Edda vor und spielte und sang und weinte und lachte voller Selig keit auf der Bühne. Der junge Mann sah aus und folgte ihr. Sie fühlte es. Am Ende stand er da und klatschte nicht und sah nur verzaubert, gebannt, entzückt in ihr Ge sicht. Edda verbeugte sich und lächelte ihm ganz zart zu. Sie lag aus ihrer Couch und träumte vom Ruhm. Und es erschien ihr das Gesicht des jungen Mannes, den sie be zwungen hatte. Sie liebte es. Die Kinder sangen noch. Weihnachten ist schön, dachte Edda * Stefan Bruhn stand in seinem Hotelzimmer und band sich die Krawatte. Er war ein gut aussehender junger Mann. Was lut man am Heiligen Abend, wenn man seit acht Tagen in eine fremde Stadt verschlagen ist und nie manden kennt? Man geht hinunter in den Speisesaal, dachte Stefan seelenruhig, und ißt. Er war ein Sports mann und ein moderner Mann. Im Speisesaal brannten zwei elektrische Tannen- bäume, und das Radio spielte Träumerei von Schu mann. Sehr hübsch, dachte Stefan.. Die haben sich ordent lich Mühe gegeben. EH war ganz leer im Saal, und er setzte sich in eine Nische. Der Kellner kam, und Stefan bestellte gut und viel zu essen. „Man möchte lieber zu Hause sein an solchem Abend", begann der Kellner beim zweiten Gang ein mitfühlendes Gespräch. Wieso?" fragte Stefan erstaunt. „Es ist doch Heiliger Abend", meinte der Kellner und sah sehnsüchtig aus. „Sie haben wohl Kinder?'' fragte Stefan verständnis voll. „Nein", sagte der Kellner, „ich bin Junggeselle. „Aber Ich hätte gern welche heute abend. Man hat soviel Ge fühl am Weihnachtsabend." Stefan grübelte und schüttelte den Kopf. Stefan war vicht, was man sinnig nennt. Er war der Meinung, mit lüber fünfzehn sollte man darüber hinaus sein. * Edda Petersen lag aus ihrer Couch und war nicht mehr so glücklich wie zuvor. Weihnachten allein feiern ist gut. Eine Stunde lang, zwei Stunden. Aber dann fragt iman sich: Wo ist der Lichterbaum? Wo ist das Strah lende? Wo bleiben die fröhlichen Menschen, die man gern hat? Edda seufzte. Sie hätte beinahe gewünscht, sie hätte eine der Enuaouugen angenommen. Sie aß emen Psesser- kuchen. Ich habe keinen Karpfen gegessen, dachte Edda wehmütig. Das hatte sie noch jedes Jahr getan. Was tvar denn das sür eine Idee gewesen, Weihnachten ohne Menschen zu feiern und ohne Baum und ohne Karpfen? Edda kam sich mit einem Male sehr verlassen vor. Da entschloß sic sich fortzugehen. Die Straße war leer und ihr Schritt lautlos im Schnee. Alle Fenster strahlten hell von Kerzen. Edda stand vor einem großen Hotel. Gut, sagte sic. Ich werde hincingehen. Ich werde Weih- uachtsbäume haben und Karpfen und vielleicht sogar Be kannte. Der Speiscsaal war leer, und die Bäume brannten elektrisch. Der Karpfen war fett nnd schweigsam. „Man möchte lieber zu Hause sein an einem solchen Abend", begann der Kellner ein mitfühlendes Gespräch. „Ach ja", jagte Edda und war traurig. Sie dachte au zu Hause. Und plötzlich wieder an den jungen Mann aus dem Theater. Der saß jetzt sicher irgendwo in einem schönen Zimmer und küßte ein schönes Mädchen und erlitt nicht mehr Verzauberungen. Das bedauerte Edda. Der junge Manu saß am Rebentisch. Aber sie konnte ihn nicht sehen, denn die Nischen waren durch schmale Holz wände getrennt. Der junge Mann grübelte, warum die Leute soviel Gesühl Hütten am Weihnachtsabend. Der junge -Mann war, wie gesagt, nicht sentimental. Weih nachten ist ein Fest, Pfingsten ist ein Fest, Himmelfahn ist ein Fest. Es gab, wenn man die Sonntage einrechnete, über sechzig Feste im Jahr. Warum hatten die Leute ausgerechnet zu Weihnachten soviel Gefühl? Denn er merkte plötzlich, daß er auch welches hätte. Er schrieb eine waruic Postkarte au seine Schwester und bedauerte, daß er nicht zu ihr gefahren Ivar. Es hätte sich machen lassen, cs wärcu schließlich nur zwei Wegstunden gewesen. Siesan Bruhn schüttelte den Kops. Er hatte Sehnsüchte, und er erlag Bestrickungen — seit einigen Tagen. Seit er bie- Schauspielcrin gesehen Haire, die wunderbare, junge. * Edda zahlte. „Sic wollen gewiß noch in die Kirche", sagte der weihnachtskranke Kellner. Edda sah ihn an. Er hatte ihr eine Erleuchtung ge bracht. „Das ist ein guter Nat. Vielen Dank", sagte sic und gab ihm ein großes Trinkgeld. Zeichnung: Grunwald — M. Vor der Kirche blieben sie stehen und lächelten . . . „Weihnachten", sagten sie beide zngleich. „In der Kirche ist Christmesse", bemerkte der Kellner, als er Stefan die Zigarre brachte. „Wenn der Herr nichts vorhat? Es ist sehr schön und stimmungsvoll." „Stimmungsvoll?" fragte Stefan, der den weihnacht lichen Bestrickungen unterlag. „Gemacht." * Lichter glänzten. Der Pastor bewegte sich feierlich hin und her, und Knaben sangen in jubelnden Chören. Weihnachten, dachte Edda, usid es durchrieselte sie warm und feierlich. Schöbe Weihnachten, dachte auch Stefan und wunderte sich, wie er sich froh und leicht fühlte. Die Orgel begann mit einem machtvollen, festlichen Vorspiel. Die Menge sang. Edda sang. Ich wünsche mir etwgs, dachte sie, und es erschien das verzauberte Gesicht des jungen Mannes. Stefan sang. Singen, dachte er, ein wenig befremdet über sich selbst. Und dann: Aber natürlich singen, es ist ja Weih nachten. Ich möchte die Schauspielerin Wiedersehen. Der Pastor betete. Die Glocken läuteten. Die Menge kniete. Edda schlug die Augen auf, und neben ihr stand Stefan Bruhn. Stefan schlug die Augen aus, und neben ihm stand Edda Petersen. Die Menschen strömten hinaus. Die beiden gingen nebeneinander. Vor der Kirche blieben sie stehen und lächelten. Der Schnee lag hell und weich auf der Straße. Die Feiernden glitten lustig und lärmend darüber hin. Sterne standen am Himmel. „Weihnachten", sagten sic, beide zugleich. „Ich habe noch nichts geschenkt bekommen", sagte Stefan und nahm ihren Arm. „Ich habe noch nichts verschenkt", antwortete Edda und ließ sich willig führen. Sie gingen schweigend nnd sehr glücklich durch die Straßen. Sie dachten das gleiche: Welch guter Gedanke, dachten sic, allein Weihnachten zn feiern. Chinin im Lager Eine Weihnachtsgeschichtc von Josef Clemens Lohr. Regen klatscht gegen die Fensterscheiben aus gelb lichem Oelpapier. Ständig rieselt das Wasser an den Wänden der zugigen Holzbaracken herab. Regen bringt aus dem Westen der Ozean schon Tage und Wochen. Sturm jagt über die Dächer und reißt die Dachpappen mit. Knietief steht der Schlamm zwischen den einzelnen Bnden. Zusammengewürfelt, ja aufeinandcrgepappt kauern Tau sende von deutschen Gefangenen ans den Pritschen in die sem lausigen Camp. Tagsüber schuften sic im Hafen von St. Nazaire, ent laden amerikanische Kästen mit Kriegsmaterial, das immer noch anschwimmt, säubern französischen Truppen die Stuben, verrichten Dienste, die die Anamiten verweigern. Dabei schreiben wir Dezember achtzehn. Der Krieg ist zu Ende, die deutschen Trnppen sind zu Hanse, daheim. Nnr wir, wir schuften noch in der Fremde. " . Quer den Baracken gcgenübergcstcllt ein einzelner Rainn. Ein Schild mit der Inschrift „Jnsirmerie" häng» über dem Eingang. Wir sagen „Revier". In nichts un terscheidet sie sich von den anderen Holzhäusern. Nnr die Betten stehen zn ebener Erde. Aber sonst . . . zerrissene Fenster, triefende Wände, klatschnasser Fußboden. Hunger. Läuse und Krauke wie drüben. Die Grippe geht mn seit Monaten schon. Will nicht mehr weichen Die „spanische Pest" sagen wir. Täglich werden Tore hinausgetragen, Lnngenkrankheitcn. Läh mungen und Erblindungen sind die üblichen Folgen Nie mand ist da, der uns hilft Kein Arzi, kein Lazarett und keine Mebikmnente Kein Aspirin, kein Chinin, nichts, nicht einmal Jod. Ein französischer Arzt kommt cinnwi die Woche, zuckt nut den Achseln, bedauert. Dic Kranken sind auf sich selbst angewiesen. Die Grippe grassiert über all, bei den Franzosen, den Schwarzen und uns. Hcmnue sie im Frühjaln die deutsche Offensive, so wirft sie jetzt in Frankreich alles aufs Lager. Die'Gefahr ist riesenhast groß. Sic wütet zäher und schlimmer denn je. Bei uns leben Tausende von Männern ans engstem Naum Ge sunde nnd Kranke. Erst nm vierzig Fieber herum wird im Revier Platz gemacht. Herr über Kranke und Tote und Medikamente ist der Medizinstudent Kranz, der sein Phhsiknm hinter sich Hai nnd alles anfbietel, um die Leiden zn lindern. Auch er kann weiter nicht Helsen, hat nichts, bekommt nichts, muß Zusehen, wie einer nach dem andern ins Gras beißt Ein Glück, denkt er, daß Weihnachten vor der Tür steht Dar auf hoffen sie alle. Es kommen vielleicht tröstende Brief', eine Botschaft um nufere Heimkehr, Pakete. Die Hoffnung ist dic einzige Medizin, die er hat und seine stärkste sogar Wenn er zu den Fiebernden von ihrer Rückkehr, den Menschen daheim zn sprechen beginnt, beißen sic die Zähne zusammen, kehrt der Wille zum Leben zurück, teiuer will hierbleibeu in der nassen Bretagne. Kranz weiß, daß die Briefe nnd Pakete' schon seil Tagen zurückgehalten werden. Die Lagerlcitung will sie am Weihnachtsabend gemeinsam verteilen . . . Der Abend ist da. Das Lager ist von der Arbeit zn- rückgekehrt. Weihnachtsstimmung herrscht in den Baracken. Geschäftig eilt d.ie Lagerverwaltung umher. In Baracke l findet die Feier statt. Auch im Revier wird ein Baum aufgestellt. Mit Kerzen nnd Flitterwerk. Das Schweizer Hilfswerk hat ihn gestiftet. Dämmerung fällt in den Naum. Um diese Zeit steigt das Fieber am höchsten. Einer stöhnt in der Ecke, cin anderer phantasiert. „Friede, Frieds!" schreit er fortwährend. Ein ganzes Dutzend hat weit über vierzig. Die Aufregung des Weihnachtsabends erhöht die Gefahr. Unter diesen Umständen sieht Kranz von einer Be scherung ab. Jede neue Aufregung könnte nur schaden. Kranz läßt die Pakete verteilen, die Briefe. Fast für jeden ist etwas dabei. Aber, wen gelüstet es bei solchem Fieber nach Wurst und Käse, Speck und Gebäck? Das einzige wären noch Zigaretten gewesen. Die aber hat der franzö sische Postmensch bei der Kontrolle auseinandergebrocheir und unter die Kuchenkrümel geworfen. Ein Päckchen Ta bak bleibt übrig, für ihn, für Kranz, vom Vater, der eine Landapotheke besitzt, drinnen im Harz. Kranz entfernt das Papier und stößt auf den Brief. Was schreibt der Vater: „Lieber Junge! Es ist nicht viel, was wir Dir schen ken können. Aber nimm es, es kommt von Herzen. Du kennst wahrscheinlich unsere Not. Aber, wir wollen Dir's nicht noch schwerer machen mit unserer Klage. Die Blockade wird trotz des Waffenstillstands mit aller Schärfe durch geführt. Wir haben kein Fleisch, keine Wurst und kein Fett. Das wenige, was wir bekommen, reicht nicht für uns. Nimm daher die Kleinigkeit als Zeichen dafür, daß wir Deiner gedenken. Vielleicht hast Du Verwendung dafür. Es sind ein paar Medikamente. Vielleicht kannst Du Not lindern damit! Dein Vater!" Medikamente! Kranz reißt die Hüllen ab, hält Glas röhren in der zitternden Hand. Röhren mit weißen Tablet ten! Chinin! Chinin! Hätte der Weihnachtsabend wirk lich Besseres bescheren können? Besseres zur rechten Zeit als heute Chinin!. „Kinder!" schreit Kranz in die Baracke, „Kinder, wir haben Chinin?" Chinin! Welchen Klang hat heute das Wort. Es gilt mehr als Geld und Ruhm und Glück, ja die Freiheit. Jeder Mann bekommt eine Tablette, die schwersten Fälle sogar deren zwei. Dabei reicht es noch für drei Tage. Menschen werden dem Leben wiedergegeben, wertvolle Menschen, die schon den Sensenmann hinter sich spürten. Vielleicht kannst du's brauchen, hat der Vater geschrie ben! Vielleicht! Still verlief in der ,^Jnsirmerie" der Heilige Abend. Die Kerzen brannten, knisterten, verbreite ten einen heimelnden Duft. Ünd der Sturm und die Brandung sangen ihr ewiges Lied.