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Lopvrigbt 19L7 bv ^ukvärts-Verlsg, llsrliv 8VV 68 l2. Fortsetzung.) Kaum merklich zuckt das Mädchen bei dieser Anrede zusammen, aber Babe ist es doch nicht entgangen. „Ich suche Arbeit", ist die schüchterne Antwort. „Aha! Wohl gerade hier angckommen?" fragt Babe, mit einem Blick auf die Tasche, die sie noch immer in der Hand hält. Ex betrachtet sie interessiert. Das Mädel ist nicht ohnel, denkt er. „O nein — das nicht! Das Hans, in dem ich bisher gewohnt habe, ist heute abgebrannt." „Ich weiß schon — das alte Loch in der Dupont Street." „Ja!" „Hm, das ist Pech...!" „Das kann man wohl sagen. Ich habe schon liberal! nach Arbeit gefragt, aber es war nirgends etwas für mich j zu finden. In allen Lokalen in der Stadt bin ich gewesen. Nun wollte ich es hier am Barbara-Strand versuchen. ! Aber auch hier scheine ich kein Glück zu haben..." - Aus ihren Worten spricht eine große Hossnungslosig- ? keit. Babe verspürt plötzlich den Drang, dem fremden Mädchen etwas Gutes zu erweisen. „Wollen Sie nicht etwäs trinken! Wieder ist diese scheue Abwehr in ihrer ganzen Haltung. „Vielen Dank — es ist sehr freundlich — aber ich möchte jetzt gern den Besitzer sprechen." „Im Ernst?" „Ja — wirklich!" „Ra, schön — kommen Sie mit!" k Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit nimmt Babe , ihr die Reisetasche aus der Hand und geht voran. Geschickt ! bahnt er sich seinen Weg zwischen den Tischen und durch- > quert den Saal. Das junge Mädchen hat Mühe, ihm zu j folgen. > „Das ist hier das .Paradies' — nicht wahr?" fragt sie, j eingeschüchtert von dem gewaltigen Betrieb im Saal. „Richtig! Der tollste Laden am ganzen Barbara- Strand." Ein reichlich vergnügter Gast versucht ihre Hand zu fassen. „Nicht so eilig, Mausi!" Babe hat es sofort gesehen. „Heda, Hände weg!" mahnt er freundlich, aber voller Nachdruck. Die Längswand des Saales ist von einer Logenreihe ausgefWt. Babe führt sie den Gang hinter den Boxen entlang. An der vordersten Loge angckommen, stellt er die Tasche auf die Erde. „Einen Augenblick mal!" Er yerschwindet hinter dem schweren roten Vorhang. < Slackie Norton sitzt allein in seiner Loge, die ständig für ihn reserviert ist. Hierhin zieht er sich zurück, wenn er einmal das Bedürfnis nach Ruhe hat. Bon hier ans kann er Bühne, Orchester und gleichzeitig den ganzen Saal über sehen. Ein halb geschlossener Vorhang entzieht ihn selbst dein Blicken seiner Gäste. Diese Loge ist Blackies Lieblings- Platz. Von hier aus beobachtet er aufmerksam die Leistungen seiner Künstler, hier kommen ihm die besten Emsälle für seine Revuen. Der kleine Tisch vor ihm ist leer. Blackie trinkt nur, UMn er muß, das heißt, wenn die Rücksicht ans seine Gäste es ttfordert. Und das ist schon mehr, als ihm lieb ist. Seine Hände spielen achtlos mit einem Schlüssel, während er -em Vortrag einer Sängerin lauscht. 'Babe steckt seinen Kopf herein. „Hallo, Blackie, hier ist eine Kleine, die möchte ein j Engagement haben! Sie hat bis jetzt im .Bristol' gewohnt, *»as abgebrannt ist." „Ja — und!?" Er sieht unverwandt auf die Bühne. „Das Mädel ist gar nicht übel." „Na, schön — bring sie 'rein!" * Er hört Babes Stimme auf dem Gang: „Dann kommen Sie mal her!" Gleich darauf erscheint er mit dem jungen Mädchen. „Das ist Mr. Norton, der Chef." Dann ist Blackie mit ihr allein. ^Guten Abend, Mr. Norton!" Sein Blick Mustert sie eingehend, gleitet langsam vom j Kopf bis zu den Füßen. Da ist etwas an diesem Mädel, s das gefällt ihm. Er könnte selbst nicht sagen, was. In seinem Gesicht zuckt kein Muskel. ,Sie haben im .Bristol' gewohnt? Wo waren Sie denn während des Feuers? Ich habe Sic nicht gesehen." „ÖH, ich — ich bin gleich fortgegangen. Was sollte ich noch da?" „So — was können Sie denn?" „Ich bin Sängerin." Hoch immer steht sie ihm gegenüber. Ihre Augen sind erwartungsvoll aus ihn gerichtet. Er kennt diesen Blick, ! dessen leise Hoffnung schon von der Verzweiflung über- * schattet wird. ! „Ra, dann zeigen Sie mal Ihre Beine!" Sie rührt sich nicht. „Ich sagte, ich bin Sängerin", wiederholt sie schüchtern. „Gewiß! Nun zeigen Sie Ihre Beine — na, los, los, to-l" Er macht eine ungeduldige Bewegung. „Lassen Sie - schon Ihre Beine sehen!" Zaghaft hebt sie mit den Fingerspitzen den Rock, zieht ihn langsam und widerstrebend bis zu den Knien. Dort bleibt er. Ihre ganze Haltung verrät: weiter aus keinen „Hm! Ein bißchen dünn für unsere Gegend", lautet , Blackies Urteil. Sein Blick streift flüchtig ihr Gesicht. ! Seltsames Mädel!, denkt er. Was will sie hier, wenn sie i so zimperlich ist? Dann dentet er mit dem Kopf zur ! Bühne, wo die Sängerin gerade die letzte Strophe ihres ' Lieds beginnt. i „Kennon Sie diese Nummer?" .Ja!" „Gut — dann singen Sie mit!" . I Das Unerwartete dieser Aufforderung verblüfft die . junge Künstlerin. Hilflos sieht sie auf den überfüllten Saal. Sie zögert. Dort aus der Bühne die Sängerin — ' und sie soll hier ohne weiteres mitsingen? , Da begegnet sie Blackies drängendem Blick. Seine Finger trommeln nervös auf der Tischplatte. Sie muß singen — sie muß hier Arbeit bekommen. Sonst — sie weiß nicht, wo sie die Nacht verbringen soll. Sie rafft allen ' Willen zusammen und setzt ein: § „Ich kümmere mich nicht nm der Sterne Schein..." Bei den ersten Tönen hebt Blackie für einen Augen- , vlick den Kopf. Dann senkt er die Augen und betrachtet angelegentlich den Schlüssel in seiner Hand. Diese Stimme hat ihn sofort in ihren Bann gezogen. Weich und wohl lautend formt sie die Worte, zaghaft noch, aber doch schon ihre ganze Wärme und Kraft verratend. Das junge Mädchen hat seine Scheu überwunden. Der Klang ihrer eigenen Stimme gibt ihr Mnt. Voller und stärker werdend schwingt ihr Lied in den Saal hinaus. Einmal noch faßt sie an ihren Hals, als ob ihr würgend etwas die Kehle zuschnürt, dann aber strömt ihr Gesang in seiner ganzen bezwingenden Schönheit von ihrenLippen. Das Stimmengewirr im Saal ebbt ab, verstummt. Neugierig wenden sich die Köpfe der halb verdeckten Loge zu. Für ciuen Augenblick läßt her Kapellmeister, der grau haarige „Professor", seinen Taktstock sinken, dann fügt er sich, bezwungen von dieser edlen Stimme, ihrem Tempo an, dämpft sein lärmendes Orchester zu zarter Begleit musik. Die Sängerin auf der Bühne ist vergessen. Alles lauscht der geheimnisvollen Stimme, die jählings den ganzen Saal beherrscht. > „...Lieb mich und die Welt ist mein!" läßt die junge Künstlerin ihr Lied machtvoll ausklingen. Einen Augenblick herrscht Stille, dann bricht aus dem Saal tosender Beifall herein. Gespannt blickt sie aus den Besitzer des „Paradieses". Jetzt kommt die Entscheidung. Blackie sieht sie an. ; „Ganz ordentliche Stimme, Kindchen, ganz ordentlich-» wirft er nachlässig hin. Wortlos hängt ihr Blick wie gebannt an seinem Munde. Ist das alles, was er zu sagen hat? j Blackie ahnt Wohl, was in ihrem Innern vorgeht. Er will sie nicht auf die Folter spannen. s „Fünsundsiebzig Dollar die Woche. Sind Sie ein verstanden?" ! Mat, der in diesem Augenblick die Loge betritt, reißt verblüfft die Augen weit auf. Das junge Mädchen hat lein Erscheinen gar nicht bemerkt. Fassungslos und »n- ! gläubig zugleich sieht sie Blackie an. Dann kommt ein langer, erlösender Seufzer von ihren Lippen, und ehe die beiden Männer noch zugreifcn können, sinkt sie kraftlos in sich zusammen. > „Mir scheint, sie ist ohnmächtig geworden", meint Blackie ratlos.' > Mat sieht abwechselnd die am Boden Liegende und seinen Ches an. Dann kratzt er sich hinter dem Ohr. > „Scheint so. — Gib mir fünsundsiebzig Dollar die Woche und ich falle auch tot hin", knurrt er neidisch Blackie springt auf. ! „Halt's Maul, Mat, und fasse lieber mit an!" Behutsam tragen die beiden Männer das ohnmächtige junge Mädchen die Treppe hinaus in Blackies Wohnung. Hier legen sie sie mit einer Zartheit, die zu ihren derben Bewegungen in sonderbarem Gegensatz steht, aus ein Sofa. Blackie holt etwas Wasser und besprengt ihr Hals und Schläfen. Bald schlägt sie die Augen auf. „Liegenbleiben, Schwesterchen, und ganz ruhig sein!" . befiehlt er, als sie etwas sagen will. Dann ruft er Jow Lee, seinen chinesischen Diener. „Kümmere dich um die Kleine und gib ihr was zu essen. Aber schleunigst, sonst hänge ich dich an deinen eigenen Ohren auf." < Neugierig betrachtet er die Ohnmächtige. Ihr schönes , Gesicht mit den feinen, regelmäßigen Zügen sieht plötzlich blaß und schmal aus. Die geschlossenen Augen geben ihm etwas Starres. Blackie ist diese Situation unbehaglich. Er hat das dunkle Gefühl, daß er zur Zeit überflüssig ist. „Ruhen Sie sich etwas aus. In einer Stunde komme 'ch wieder heraus und werde sehen, wie es Ihnen geht." Dann schiebt er Mat vor sich zur Tür hinaus. ! „Junge, Junge — das Jahr fängt gut an!" Zweites Kapitel DaS Mädchen auS Colorado Manie macht einen Rundgang durch sein „Paradies". Der Eindruck, den das Lokal um diese nächtliche Stunde hcrvorruft, ist jedoch durchaus nicht „paradiesisch". Man könnte es eher für einen Vorraum der Hölle hallen, in dem sich alle Leidenschaften unserer irdischen Welt ein Stell dichein geben. Die Gäste sind ohne Ausnahme schwer in Fahrt. Vier, Wein und Champagner werden in rauhen Mengen vertilgt. Das Orchester hat Mühe, den Lärm im Saal zu durchdringen. Die Vorführungen aus der Bühne haben aufgehört, denn jetzt würde sie doch niemand mehr beachten. Dafür hat der Tanz im Saal begonnen. Die Tanzfläche ist für die Zahl der Tanzenden viel zu klein, aber das tut der Begeisterung keinen Abbruch. BlaAe begrübt hier und dort Bekannte, hält sich aber nirgends lange auf. Im Spielzimmer herrscht gleichfalls ein wildes Gedränge. Hier sind nur Männer versammelt. Mit glänzenden Augen und verzerrten Gesichtern sitzen und stehen sie um die Spieltische. Jeder Coup wird von Flüchen und begeisterten Freudenrufen begleitet. Un aufhörlich wechseln die Stlberdollars und Scheine ihre Besitzer. An einem Tisch ist gerade eine Meinungs verschiedenheit ausgebrochen. Zwei Männer beanspruchen gleichzeitig einen Einsatz, der gewonnen hat, als den ihrigen. Ehe sie ihren Streit auf landesübliche Weise mit dem immer locker sitzenden Schießeisen austragen können, greift Babe ein. Aus Gerechtigkeitsgefühl befördert er gleich beide an die Luft und das Spiel nimmt ungehindert seinen Fortgang. Gelangweilt geht Blackie weiter. Er verachtet die Spieler — aber er verdient gut an ihnen. - In der Bar werden die schärseren Getränke genommen. Ji, dichten Reihen drängen sich Männer und Frauen vor der Theke, um die ermatteten Lebensgeister dutch einen Drink zu neuen Taten aufzumuntern. Blackie ist zufrieden mit diesem Abend. Ein ganz großes Geschäft. Plötzlich steht Trixie vor ihm, die ihn anscheinend schon gesucht hat. „Blackie, wo steckst du denn? - Du hast noch gar. nicht mit mir auf das neue Jahr angestoßen." Leiser Vorwurf liegt in ihren Worten. „Kannst du haben, Schatz! Jimmy, zwei Gläser Cham- agnerl" Trixie zupft spielerisch seine weiße Krawatte zurecht. „Jetzt bleibst du doch bei mir — ja?" schmeichelt sie. „lind dann feiern wir beide Silvester." „Hab' keine Zeit — holen wir andermal nach. Er reicht ihr den prickelnden Wein, stößt mit ihr an. „Alles Gute..." Mit einem Zug leert er sein Glas. Als er wcitergehen will, hält sie ihn am Arm fest. Ihre Augen funkeln zornig. „Ist es die neue Nachtigall?" „Red' keinen Unsinn, Trixie — bis morgen!" , Er löst seinen Arm aus ihrer Hand und geht in den Saal zurück. Traurig wendet sich Trixie ab. Sie ahnt, was ihr die nächste Zeit bringen wird. Der „Professor" hebt gerade den Taktstock, um einen schwungvollen Wiener Walzer erklingen zu lassen, als Blackie ihm auf die Schultern klopft. „Ja, Chef? fragt er demütig. Er lebt in ständiget Angst, daß er seinen Posten verliert. „Patz auf, Professor, wir haben eine Nene, die soll .San Franzisko' singen. Morgen um zehn kannst du mit ihr Proben. Sag auch Mat Bescheid. Er soll 'ne strotze Nummer aus ihr machen." „Geht in Ordnung, Chef!" Sein altes, verrunzeltes Gesicht wird plötzlich lebhast. „Ist es die, die vorhin in Ihrer Box gesungen hat?" „Ja — und!?" Ein Schimmer von Freude huscht über die verwelkten Züge. „Oh - das ist schön!" Er sagt es beinahe feierlich. Blackie wirft ihm einen undefinierbaren Blick zu. „Quatsch' nicht — mach' weiter!" Jow Lee hat inzwischen nach besten Kräften für seine Schutzbefohlene gesorgt. Zuerst bringt er ihr ein Glas stärkenden Südwein. Dann hat er mit, erstaunlicher Ge schwindigkeit ein kräftiges Mahl bereit. Betulich rückt er ein kleines Tischchen vor das Sosa und macht ihr alles so bequem wie möglich. Das junge Mädchen.läßt sich.seine schweigende Fürsorge gern gesallcn. Mit. sichtlichem Appetit macht sie sich über die Speisen her und verzehrt sie bis auf einen kleinen Rest. Behaglich lehnt sie sich dann in das Sofa zurück und gibt sich ganz dem Gefühl glücklicher Wunschlosigkeit hin, das sie wohlig wärmend durchflutet. Sie ist satt und zu frieden — und hat ihr nicht Norton Arbeit versprochen? Mehr begehrt sie nicht. Besonders dankbar aber ist sie ihm, daß er sie so rücksichtsvoll allein gelassen hat. Neugierig sieht sie sich in dem Zimmer um. Es ist ein mittelgroßer Raum, überladen mit Möbeln und Gegen ständen. Man merkt sofort, daß es eine Junggesellen wohnung ist. Es fehlt die behagliche Gemütlichkeit, die nur eine sorgende Frauenhand zu schassen versteht. Eine Menge von Photographien und gestickten Kissen verraten, daß der Besitzer dieser Wohnung den Frauen durchaus nicht abhold gesinnt ist. Je länger sich das Mädchen mit dem Zimmer be schäftigt, um so mehr kommt es ihr zum Bewußtsein, daß sie sich allein in der Wohnung eines fremdest Mannes befindet — eines Mannes, von dem sie so gut wie nichts Weitz, dessen rauhe Art sie erschreck« hat. Das Ungewöhn liche ihrer Lage beginnt sie zu beunruhigen. Sic empfindet es direkt mit Erleichterung, als Norton zurückkommt. „Nun, Kindchen, haben Sie sich ausgeruht? Ist Ihnen jetzt besser?" erkundigt er sich freundlich. „Ja — danke!" Kaum jedoch ist Norton da, kehrt ihre alte Befangen heit zurück. „Fein. Jow — räum' das Zeug hier abk" „Sofort, Sir!" Mit den lautlos geschickten Bewegungen des Asiaten deckt Jow das Geschirr ab und verschwindet damit. Blackie steht am Kamin und Weitz nicht recht, was er beginnen soll. Sie hat noch immer den Hut auf!, stellt er fest. Komisches Mädel! z Jetzt steht sie auf und kommt aus ihn zu. „Mr. Norton — ich möchte Ihnen so gern für Ihre Liebenswürdigkeit danken..." Er winkt ab. , fForlsehnn, folH.)