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Ottorino Respighi, einer der bedeutendsten italienischen Ton setzer der letzten Jahrzehnte (geboren 1879 zu Bologna, ge storben 1936 in Rom), hinterließ uns ein stattliches Werk. Meh rere Opern, darunter eine Vertonung von Gerhart Hauptmanns „Versunkener Glocke“, Orchesterwerke, Kammermusik. Er hat alte Italiener bearbeitet, und auch als Schrift steller ist er hervorgetreten. Respighi war ein in Italien und im Ausland sehr geschätzter Dirigent. Als Komponist könnte man ihn etwa unserem Richard Strauß an die Seite stellen, nicht der ursprünglichen Begabung und Bedeutung nach, nach denen der deutsche Meister den italienischen übertrifft, wohl aber was die Kompositionstechnik anlangt. So ist es ein schönes Zusammentreffen, daß Werke der beiden Komponisten auf un serem Programm stehen. Beide schreiben für große Orchester, beide legen ihren Werken mit Vorliebe außermusikalische Sujets unter, beide streben höchste Farbigkeit der Tonsprache an. Bezeichnend für Respighi, daß er genau wie Pizzetti, Malipiero und Casella den Anschluß an das nationale Musikgut seiner Nation gesucht hat. Von den ge nannten Musikern ist er der älteste und demgemäß der am meisten an die Tradition der italienischen „Hochromantik“ gebundene. Respighis reifstes und reichstes Orchesterwerk sind die „Fontane di Roma“ („Die Brunnen von Rom“), denen später die „Pinien von Rom“ und die „Römischen Feste“ folgten. Zu den „Römischen Brunnen“, die das schönste Zeugnis des eminenten Klang- und Farbensinns ihres Autors sind, schrieb Respighi selbst die folgende Erläuterung: „In dieser sinfonischen Dichtung hat der Komponist Empfindungen und Gefühle aus- drücken wollen, die beim Anblick von vier römischen Fontänen in ihm wach wurden, und zwar jedesmal zu der Tageszeit, wenn ihre Eigenart am meisten mit der betreffenden Umgebung übereinstimmt oder ihre Schönheit auf den Betrachter den größten Eindruck machte. Der erste Teil der Dichtung empfangt seine Eingebungen von der Fontäne in Villa Giulia und malt eine Hirtenlandschaft. Schafherden ziehen vorüber und verlieren sich im frischfeuchten Dunst einer römischen Morgendämmerung. Plötzlich lauter und andauernder Hörnerklang über trillerndem Orchester eröffnet den zweiten Teil (Tri- tonen-Fontäne). Es ist gleichsam ein freudvoller Signalruf, auf den Najaden und Tri- tonen in Scharen herbeieilen, sich gegenseitig verfolgen, um dann einen zügellosen Tanz inmitten der Wasserstrahlen auszuführen. Ein feierliches Thema ertönt über den Wogen des Orchesters: die Trevi-Fontäne am Mittag (dritter Teil). Das feierliche Thema geht von den Holz- auf die Blechbläser über und nimmt triumphierenden Charakter an. Fan faren klingen: auf leuchtender Wasserfläche zieht der Wagen Neptuns, von Seepferden gezogen, mit einem Gefolge von Sirenen und Tritonen vorbei. Der Zug entfernt sich, während gedämpfte Trompetenstöße von ferne widerhallen. Der vierte Teil, die Fon täne der Villa Medici in der Abenddämmerung, kündigt sich durch ein trauriges Thema an, das sich wie über einem leisen Geplätscher erhebt. Es ist die schwermütige Stunde des Sonnenuntergangs. Die Luft ist voll von Glockenklang, Vogelgezwitscher, Blätter rauschen. Alsdann erstirbt dies alles sanft im Schweigen der Nacht.“ Auch für die Straußsche Tondichtung „Tod und Verklä rung“ gibt es ein in Worten festgelegtes „Programm“. Es han delt sich um ein Gedicht von Alexander Ritter. Dieses Gedicht ist aber erst nachher geschrieben, also dem Werk „unterlegt“ worden, um seinen Sinn zu deuten. Nichts wäre also falscher, als an Hand dieses Gedichtes die Musik zu ver folgen, so, als habe der Komponist die Verse des Gedichtes in Musik umgesetzt. Trotzdem liegt auch dieser Tondichtung ein „Inhalt“ zugrunde. Dieser Inhalt aber, der sich in der Überschrift ausdrückt, ist im Grunde das „Urmotiv“ aller Sinfonik, das Motiv: durch Nacht zum Licht, durch Kampf zur Verklärung. Denn Richard Strauß schildert nicht nur (in einer den empfindsamen Hörer erschauernmachenden Weise) den Tod, besser gesagt: das Sterben, sondern, im Rückblick auf das gelebte Leben, auch die Richard Strauß: Tod und Verklärung Ottorino Respighi: Fontane di Roma