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Ueber M Stundenkilometer! Beginn der internationalen Rekordwoche Die nuernationale Rekordwoche, die die Oberste Nationale Sporlbehörde aus der Reichsautobahu bek Frankfurt veran staltet, faud einen sehr günstigen 'Auftakt. Gelang cs doch be reits bei der zweiten Probefahrt dein Fahrer der Auto-Union, Bernd Rosemeyer, als erster deutscher Fahrer, ciue Geschwin digkeit von mehr als 40b Stundenkilometer zn erzielen. Dic Witterung war kühl und trocken, und die einzige Schwicrig- leit ergab sich beim Anlassen der schweren Wagcnmotoren, tue wegen der seuchten Lust nicht anspringen wollten, so daß sich die Monteure säst eine Stunde bemühen mutzten, um die Ma schinell in Gang zu bringen. Der erste Tag war zunächst der Erprobung der Motoren Vorbehalten. Die Zeit, die für die Rekordversuche zur Ver fügung steht, ist verhältnismätzig kurz. Die organisatorische Vorbereitung der Rekordwoche lag in Händen der NSKK.< Motorgruppe Hesse», die in vorbildlicher Weise alle äntzeren Voraussetzungen für das Gelingen der Versuche geschaffen hat. In erster Linie sind die beiden groben deutschen Nenn- wagcnsirmen an den Versuchen beteiligt, die mit ihren teil weise noch verbesserten Nelordwagen am Start erschienen sind. Mercedes-Benz hat den vorfährigen Nelordwagen ans Grund der beim Avus-Rennen gemachten Erfahrungen noch einigen Acuderungen unterzogen, die sich auch im äutzereu Bild zeigen. Die Karosserie ist dem verlängerten Fahrgestellt angepatzt worden, und der l2-Zylinder-Motor dürfte auch noch verstärkt worden sein. Der Rekordwagcn der Auto-Union, mit dem Rosemeyer im letzten Juni ciue Höchstgeschwindigkeit von 393 Stundenkilometer erreicht hat, hat zwar äußerlich keine Ver änderungen erfahren, doch ist auch hier der Motor verstärkt worden. Man glaubt in beiden Lagern, Höchstgeschwindigkeit > len von etwa 420 Stundenkilometer erreichen zu können. Nach den ersolgreichen Rekordfahrlen des Italieners Tarussi, der mit seiner Gilera-Maschine den absoluten Motor radrekord auf über 274 Stundenkilometer schrauben konnte, haben auch die Versuche der Motorradfahrer noch erheblich an Interesse gewonnen. Taruffi hat dem deutschen Retordsahrer Henne eine ganze Reihe von Rekorden abgejagt, und so unter liegt es keinem Zweifel, daß der BMW.-Fahrer alles versu- d-en wiro, »ly wiener in oen Bentz ver Beltletstungen zu fetzen. Die Bayerischen Motorenwerke haben die 500-K»bikzentime«cr< Rekordmaschine noch zu höherer Leistung getrieben, obwohl sie bereits vorher schon rund 90 ?8 leistete. So glaubt mau, mit dieser Maschine, die ebenfalls einen neuen stromlinienförmigen Ausbau erhalten hat, auch ersolgreich die Rekorde der höheren Klassen angreisen zu können. Die Auto-Union unternimmt ! mit vsrschiedenen DKW-Maschinen, die alle stromlinienförmig ; verkleidet wurden, Versuche zur Verbesserung der bestehenden ! Klassenretorde. Dazu kommen noch dis kleinen Rennwagen - der englischen MG.-Werke, die von Robert Kohlrausch und § dem englischen Major Gardner gelenkt werden. Der Kamps gegen die Stoppuhr wurde am Montag gleich ! ans der ganzen Linie in Angriff genommen. Nach der er wähnten Fahrt Rosemeyers, bei der er über eine Strecke von ! einer Meile in einer Richtung 405,148 Stundenkilometer er- - reichte, mutzte der große Rekordwagen der Auto-Union wegen eines Kompressorschadens den Monteuren zur Reparatur über- - geben werden. Rosemeyer unternahm inzwischen mit Erfolg j den Versuch, Rekorde der Klasse 3 bis 5 Liter mit einem klei- j neren Wagen anzugreisen. Der Erfolg waren zwei internatio- nale Höchstleistungen: Der von Caracciola aus Mercedes-Benz > seit 1934 gehaltene Rekord über l Kilometer mit fliegendem Start wurde von 317,6 auf 352,177 Stundenkilometer ganz erheblich verbessert. Dazu kam der Rekord über eine Metl« »ui zucgenvem Start, den bisher Hans Stuck auf Auto-Union seit 1935 mit 320,267 Stundenkilometer gehalten hatte und der jetzt aus 353,270 Stundeukilometcr gebracht wurde. Bei dem Nckordwagen von Mercedes-Benz machte sich ein« gewisse Aenderung an der Karosserie erforderlich, da der Wa gen bei der ungeheuren Geschwindigkeit vorn etwas von ge- stanicn Luftwaffen angchoben wurde. — Bei den kleinen Wa gen konnte Major Gardner aus MG. zwei bisher von ihm selbs- j gehaltene Höchstleistungen übertreffen. Er erzielte in der Klafft ! bis >100 Knbikzentimeter über einen Kilometer und über einc > Meile mit fliegendem Start eine Rekordgeschwindigkeit von j 239,361 Snmdcnkilometer Die alten Höchstleistungen bctru- ! gen bisher 228.9 bzw. 238,9 Stundenkilometer. Bernd Rosemeyer gab sich mit den beiden am Vormittag ufgestellten internationalen Höchstleistungen nicht zusricdcu. tach kurzer Pause unternahm er am Nachmittag einige neue Zersuchsfahrten, und zwar zunächst wiederum mit dem klei neren Wagen über die längeren Strecken. Zuerst wurde dem ör drei Jahren aus der Avus von Caracciola «Mercedes- Zenz) mit 311,985 Stundenkilometern aufgestellten Rekord Der fünf Kilometer mit fliegendem Start das Lebenslicht aus- ' I «blasen. Rosemeyer erreichte hier die Geschwindigkeit vo« 46,117 Stundenkilometern. Es folgte ein neuer Rekord über uns Meilen mit sliegendem Start, die mit einem Stunde»« urchschnitt von 343,562 Stundenkilometern durchrast wurden. Schließlich verbesserte der Emsländer auch noch die Höchst- ristung über zehn Kilometer mit fliegendem Start, die er auf 34,55 Stundenkilometer stellte. Nachdem der am Vormittag beschädigte Kompressor von j losemeyers großem Wagen ausgewechselt worden war, konn- § cn dann die Rekordversuche in der Klasse von 5 bis 8 Liier j fortgesetzt werden. Hierbei feierte Rosemeyer mit seinem Auto- ! Union-Wagen den größten Triumph des Tages. Auf einer Zwischcnstrccke wurde eine Spitzcngeschwindigkeil von fast 410 Stundenkilometern festgestelt«. In einer Hin- und Rückfahrt konnte Rosemeyer die Höchstleistungen über den Kilo meter init fliegendem Start verbessern. Nur 8,8 Sekunder , brauchte der Wage«, um den Kilometer zu bewältigen, und nach 14>/r Sekunden passierte das stlbergraue Ungetüm ir - einem kaum für möglich gehaltenen Tempo die Zeitnehmer am > Meilcnpfostcn. Nur um Hundertstel Sekunden waren die Zeiten kür die Hin- und Rückfahrt verschieden. Die Berechnungen er gaben folgende neue Bestleistungen: 1 Kilometer mit fliegendem Star«: 406,320 Stundenkilometer; 1 Meile mit fliegendem i Start 406,285 Stundenkilometer. Die beiden jetzt abgelösten Rekorde hat Rosemeyer selbs ' erst am 16. Juni 1937 aus der gleichen Strecke ausgestellt. Sü ' lautete» aus 389,2 bzw. 389,6 Stundenkilometer. An einem Tag« Hai also Rosemeyer, der schon bisher den Großteil der vor deutschen Fahrern ausgestellten internationalen Höchstleistungen aus ych uud seinen Auto-Union-Wagen vereinigte, sieben aus gezeichnete neue Rekorde ausgestellt. Er ha, dabei als erstei Welt aus einer vorgeschriebenen Stratze dü 400-Kiloineter-Grenze überschritten. Einen schöneren Erfolg att Anstalt der Rekordwoche konnte man sich wirklich »ich- Wunsche». - Aasfes Gauerlraut im Papier Deutsche Männer und Frauen! Verlangt vom Ver käufer nicht, daß er Euch Eure Einkäufe zwanzigmal ver packt sondern begnügt Euch mit der unbedingt notwen digen Umhüllung. Wir erwarten von Euch so viel Ver ständnis und Sparsamkeitssinn, daß Ihr bei Einkäufen in Eurer Nachbarschaft Gefäße oder gutverwendbares Papier mitnehmt, Tas Ist keine Spielerei, sondern harte Notwendigkeit, und Ihr verhindert damit einen sehr fühl baren Rohstoffmangel; außerdem schützt Ihr Einkaufs taschen und Kleidung vor Schäden und Geruch. Runökunk Rcichsscndcr Leipzig Mittwoch, 27. Oktober 6.30: Aus Köln: Frühkonzert. Hermann Hageyedt mit sei nem Orchester. — 8.30: Nus Dresden: Musik am Morgen. Der Musikzug der Motorstandarte 33. — 9.30: Erzeugung und Ver brauch. — 9.45: Sendepause. — 10.00: Aus Königsberg: Peter Rosegger, ein Dichter aus dem Bauernstände. Hörszeuc von Günther Rukschcio — 11.35: Heute vor ... Jahren. — 11.40: Brr — Appelsaft! — 12.00; Aus Zwickau: Musik sür die Ar beitspause. Ein Bataillonsmusikkorps eines Jnfanterie-Regi- ments. — 13.15: Ans Stuttgart: Miiiagskonzcrt. — 14.15: Aus Dresden: Musik nach Tisch. Die Dresdner Solistenvereinigung. — 15.30: Als Student rund um USA. — 15 50: Kunstbericht. — 16.00: Nom Deutschlandsender: Musik am Nachmittag. Das Unterhaltungsorchester oes Deutschlandsenders. — 18.00: Deutsche Städte im Südosten: Kronstadt. — 18.20: Heinrich Schlusnus singt. (Industrie-Schallplatte».) — 18.35: Geheim nisse uni Tataren und Götzen. Alja Rachmanowa liest aus ihren Fugenderinnerungen. — 19.10: Neue Unterhaltungsmusik. Das Funkorchester. Dazwischen; Umschau am Abend. — 21.00; Der Hcistcrlrug von Klaus Groth — Hans Balzer. — 22.20: Das Reitz-Quartett spielt. — 23.05 bis 24.00: Tanz bis Mitternacht. Kapelle Otto Fricke. Deutschlandsender Mittwoch, 27. Oktober 6.30: Fröhliche Morgenmusik. Kapelle Jaro Michalek. — 9.40: Kleine Turnstunde — 10.00: Hände am Pflug. Eine Deu tung des bäuerlichen Jahres von Heinz Hartmann. — 10.302 Fröhlicher Kindergarten. — 11.00: Sendepause. — 11.30: Sende pause. — 11.40: Studenten im Dorsi Ein Bericht aus der Grenzmark Anschließend: Wetterbericht. — 12.00: Aus Dan zig: Musik zum Mittag. Kapelle der Schutzpolizei. — 13.152 Aus Görlitz; Musik zum Mittag. Das Orchester des deutsche» Grenzlandtheoters Görlitz. Dazwischen: Melodien aus ver Welle-Kino-Orgel. — 15.15: Beliebte Tanzkapellen spielen. (In- dustrie-Schallplatten.) — 16.00: Musik am Nachmittag. Das Unterhaltungsorchester des Deutschlandsenders. In der Pause: l7.00: Lustige Anekdoten von Ernst Stimmel. -7- 18.00: Klavier musik. Am Flügel: Valeska Burgstaller. — 18.25: Der Dichter spricht — Martin Raschke liest aus dem Tagebuch einer Kind heit „Wiederkehr'. — 18.40: Der Mann mit der Startpistole. Gespräch mit WeltstarterLranz Miller. -- 19.10: Blasmusik. Das Blasorchester Carl Woitschach. — 20.00: Zu Tanz und Un terhaltung spielt die Kapelle Erhard Bauschke. — 21.15: Dev Tag klingt aus ... Die Kapelle "Ferdy Kaussmann und Kurt Krüger-Lorenzen. — 22.20: Aus München: Weltpolitischer Mo natsbericht. — 23.00 bis 24.00: Aus Frankfurt: Unterhaltung und Tan, Das Kleine Funkorchester. (2. Fortsetzung.) Sie schloß die Augen und begann zu sprechen, langsam und stockend, scheinbar ohne Zusammenhang kamen die Worte. Von ihrer Jugend, dem Elternhaus in einer kleinen süddeutschen Stadt, der Vater Direktor einer großen Bank, die Schwester heimlich verlobt mit einem Regierungsrat, der verheiratet war und sich scheiden lassen wollte und ihr eines Tages abschrieb und dieses Ver hältnis löste. Ihre Schwester war daraufhin ins Wasser gegangen. Als ihr Vater starb, war nichts mehr da, kein Vermögen, keine Pension, es war eine Privatbank ge wesen, bei der er -«gestellt war. Die Mutter verkaufte die Möbel, löste den Haushalt auf und nahm eine Stelle bet »inem Witwer an. Und Sie?* frohste Bothmer. „Ich kam auf eine Handelsschule und wollte mich neben her im Zeichnen ausbilden. Ich hatte eigentlich Medizin studieren wollen, dafür hatte ich immer großes Interesse, deshalb ging ich zu allen medizinischen Vorträgen. Psycho logie interessierte mich am meisten, aber das ist ja nun vorbei... Ich wurde ausgebildet und als ich fertig war, heiratete meine Mutter diesen Witwer und ich hatte keine Heimat mehr. Sie kümmerte sich nicht mehr uni mich. Ich müsse mir nun allein durchhelfen, schrieb mein Stiefvater. Meine Mutter starb an dem Kind aus dieser Ehe. Ich habe sie nie mehr wiedergesehen... Ich schlug mich so durch. Ich bekam eine Anstellung in einer Porzellanfabrik, wurde aber abgebaut. Ich malte Lampenschirme für ein Geschäft, aber davon konnte man nicht leben. Als ich vie Stelle als Zeichnerin bei einem Fabrikanten bei München bekam, hielt ich das für ein großes Glück. Ich bekam Gehalt, hatte freie Wohnung im Hauje des Chefs, und arbeitete in der Reklameabteilung. Die Fabrik ging gut, und zum ersten Male hatte ich Boden unter den Füßen. Ich half im Haushalt mit und wurde gut behandelt. Eines Tages gab mein Ches eine Bowle. Es waren einige Geschäftsfreunde da, wir waren sehr vergnügt. Nach Tisch kam jemand auf Handschriften bedeutender Persönlich keiten zu sprechen, zum Beispiel Bismarcks Handschrist. Ach malte diese nach, ich tonnte ja zeichnen, folglich konnte ich auch Handschriften nachmalen. Die Herren interessierte * das, und sie ließen sich ihre eigenen Unterschriften von mir ziachschrciben. Der Chef legte mir die Boaen bin und ick. mane die Unterschriften nach — von ihm, seiner Frau, und seinen Freunden..." „Fiel Ihnen dabei nichts auf?' warf Bothmer ein. „Was sollte mir dabei auffallen?' sagte das Mädchen. „Es war ein Zeitvertreib bei einer Bowle. Ich charakte risierte diese verschiedenen Unterschriften, ich habe mich immer für Graphologie interessiert. Man fand meine Urteile gut, der Chef lobte mich, es war ein reizender Abend. Bald daraus änderte sich alles. Das Geschäft fing an nachzulassen, es war eine Weberei, die besten Kunden fielen ab, es trat eine Stockung ein. Mein Chef mußte Arbeiter entlasten und entließ auch einige Herren vom Büro. Ich zitierte um meine kleine Stellung, denn damals war es schwer, etwas zu finden Ich hatte ja nichts Rich tiges gelernt, ich konnte nur gut zeichnen und Schreib maschine und Stenographie schreiben. Ich will es kurz machen: Eines Tages, als ich allein auf dem Büro war, kamen zwei Beamte von der Geheimpolizei und fragten mich aus, ob ich diese Wechsel und Briefe unterschrieben hätte. Sie hielten mir Briefe hin, unter denen allerdings die damals geschriebenen Namen der Geschäftsfreunde standen. Ich hatte nur die Unterschriften geschrieben, und das gab ich zu. Ich erzählte, wie die Überschriften zu stande gekommen waren und betonte meine kaufmännische Unkenntnis. .Das ist auch das einzige, was Sie vor dem Zuchthaus rettet', sagte der Beamte. Mein Chef wurde getrennt von mir verhört. Er hatte Betrügereien be gangen und zu seinen Unterschlagungen diese mit den fremden Unterschriften gezeichneten Briefe benutzt. Ich wurde dann von einem Richter vernommen, der mich durch seine vielen Fragen verwirrte. Der Chef saß schon in Untersuchungshaft, seine Frau spielte die Unschuldige. Ihr Mann hatte seiner Gattin die Fabrik und das Haus überschreiben lassen und leistete den Ofsenbarungseid. Er bekam fünf Jahre Zuchthaus wegen Wechselfälschung und Betrug.' Und Sie?' „Ich? Das ist es ja... Ich muß ins Gefängnis, wenn ich die Geldstrafe nicht bezahle.' .Hat man Ihnen eine Frist gegeben? „Ja, bis Dienstag — dann ist sie abgelaufen.' Eine Pause' entstand. Hinter sich hörte sie eine Uhr so fieberhaft ticken, als ob jemand kicherte. Es war eine Porzellanuhr aus dein achtzehnten Jahrhundert, eine zierliche, lächelnde Schäferin mit flachem blauen Hut, die ihren kleinen Fuß im roten Schuh auf den Nacken eines verliebten Schäfers in gelber Jacke setzte. Bothmer fuhr sich über den Kopf. Ihm war wie be nommen. „Wieviel beträgt denn die Summe?' „Achthundert Mark', kam cs tonlos zurück, Ihre schönen, Hellen Augen sahen flehend zu ihm auf. Leben und Tod hängt von mir ab, dachte er. Wenn ich sie gehen lasse, sehe ich sie nie mehr wieder. Diese da, mit diesen Augen, kam nicht wieder. Aber, achthundert Mark... Uever eine solche Summe tonnte er nicht ohne weiteres verfügen. Honorare wie seine Kollegen, die Herren Chirurgen und die großen „inneren Kliniker', bezog er nicht. Er war nur Forscher, ein Gelehrter, zu dem sich die Studenten in die Vorlesungen drängten, dessen Urteil die ganze Welt anrief, aber seine Einnahmen genügten gerade, um dieses Haus zu führen und seine Söhne studieren zu lassen. Er arbeitete Tag und Nacht, denn die wissenschaft lichen Arbeiten kamen immer erst nach elf Uhr abends dran... „Wie kamen Sie eigentlich zu mir?' fragte er. „Ich hab' Sie einmal in München sprechen hören?' „Haben Sie denn studiert?' „Nein, aber Sie haben einmal in München eine Reihe volkstümlicher Vorträge gehalten.' „Und da waren Sie drin?' Sie nickte. „Sie haben so wundervoll gesprochen, so .nenschlich und klar. Und ein Wort von Ihnen hab' ich nie vergessen, von den .verbauten Schiffey'... Erinnern Sie sich?' »Kaum — was war denn das?' Ihr feines Gesicht belebte sich plötzlich. „Sie sagten, es gäbe Menschen, die man mit verbauten Schiffen ver gleichen müsse, sie seien so veranlagt, daß sie unlergehen müßten. Es sei ihre Bestimmung. Und diese läge in ihrer Veranlagung, für die sie keine Schuld trügen... Ith dachte damals an meiye Schwester. Vielleicht gehörte sie auch zu irnen, die zum Untergang bestimmt waren? Ujnd ich bin aus derselben Familie, dasselbe Blut. Muß ick auch denselben Weg gehen?' Sie schlug die Hände vorS Gesicht und schluchzte. Mein Gott, was habe ich da angerichtet, dachte Bothmer... Er hielt damals diese Vorträge in allen Städten. Seine klare, bilderreiche Art verschaffte sich leicht Zugang zu den engen Gehirnen. Er hatte einen großen Zulauf, wo er sprach. In seinen Kreisen dachte man über solche „allgemeinverständlichen Vorträge' skeptisch. Nach jedem Vortrag liefen ihm die Reporter nach, erwirkten eine Fünf-Minuten-Unterredung, die sie stenographierten und auf ihre Art ins Allgemeinverständliche übertrugen, und die dann als wissenschaftlicher Unsinn in den Zei tungen erschien und klang, als habe Bothmer das alles gesagt. Seitdem lehnte er Interviews überhaupt ab. Aber von diesen Kursen für die Allgemeinheit, die überall überfüllt waren, kam er nicht mehr los. Kein Saal war groß genug» um die Hörer zu fassen, wenn er sprach. Kürz- lich hatte er in einer Provinzstadl nachts in einem Kino gesprochen und sie hatten die Polizei herbeiholen müssen, um die Menschen, die das Kino stürmten, zu bändigen. Verbaute Schisse... Er sah das schöne Mädchen nach, denklich an. „Ist denn in Ihrer Familie, außer dieser Schwesters schon ein ähnlicher Fall vorgekomme»?' fragte er. (Forlsehung folgt). /