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Lop^rigkt 1937 bz- ^ukcvärts-VcrlaL, liorliii 8VV 68 Sj Nachdruck verböte». „Nun war ich icyo» ^.zcun Tage nicht mehr bei Ihnen", sagte sie während des Gehens. „Sie wissen ja, mein Onkel mag das nicht, wenn ich forttaufe. Und warum er es nicht mag, ist Ihnen ebenfalls bekannt. Ich muß immer ein kleines Kunststück machen, wenn ich bloß mal ein paar Stunden "raus will. Tagsüber ist cs ja nicht so schlimm. Aber abends..." „Gehen Sie abends auch aus?" unterbrach er sie mit einem kurzen Seitenblick. „Manchmal", nickte sie. „Irgendwohin in ein Theater oder in ein Konzert. Ich habe viel Freude an Musik, und zwischendurch muß man wohl mal ein bißchen Luft in die Lungen schöpfen." Sie lachte leise, und diesmal wurde sie nicht rot, als sie sich ihrer Verabredung mit Ike Mills erinnerte. Dar über waren sie an ihrem Ziel angelangt. Grahne öffnete die Tür und winkte Kathleen, einzutreten. Ae kam der Aufforderung nach und schritt über die Schwelle. _ „Ist das heiß!" entfuhr es ihr, indem sie sich nach ihrem Begleiter umwandte, der das Tor hinter sich schloß. .Aber das mutz wohl so sein!" ^Grayne nickte., ! „Die Temperatur schwankt tagsüber imiucc zwischen 30 und 40 Grad", erklärte er. „Nachts dagegen hat der Raum l bis 3 Grad Kälte, die ebenfalls künstlich erzeugt wird." Er zeigte nach Ventilatoren, die zu beiden Seiten in verborgenen Wandnischen eingebaut waren. „Damit ahme ich, soweit es in meine» Möglichkeit liegt, das Heimattliiya der Pflanze nach", fuhr er fort. „Die Ergebnisse haben mich noch immer befriedigt, und wenn nicht aller Schein trügt, so wird die Blüte, die ich gegen wärtig heranziehe, von ganz besonderer Schönheit sein." Katl ' .n war vor dem Gcrötthaufen stchengeblieben. „Das ist die Pflanze wieder I" bemerkte sie. „Etwas Schöneres als die Blüte damals in der Ausstellung habe ich nie in meinem Leben gesehen." „Sie müssen aber bedenken, daß Sic damals erst in der achten Stunde kamen", versetzte er. „Es ist eine Eigen- art der .Königin der Anden', daß sie nur sieben Stunden, und manchmal nicht solange, in voller Pracht blüht. Nach dieser Zeit ist nur mehr der rote Niesenkelch sichtbar, der Silberstaub aber und die Silberadern im Innern sind verblaßt. Das müssen Sie erst einmal gesehen haben." „Ach Gotts" erwiderte Kathleen, während sie auf die hellgrüne Knolle starrte, die so viel schlafende Schönheit in sich barg. „Gießen Sie ein bißchen! Ich kann es kaum mehr erwarten." „Ich werde mich hüten", lautete die lachende Antwort. „Damit wäre die Mühe vieler Monate umsonst gewesen. Tie kaum nennenswerte Feuchtigkeit, die die Pflanze braucht, zieht sie fast ausschließlich aus dem schroffen Wechsel zwischen Wärme und Kälte." „Komisch, unter welchen Lebensbedingungen das Schönste in aller Welt heranreift", bemerkte das Mädchen, während sie sich die Schweißtropfen von der Stirn wischte. „Ich komme mir bald vor wie die babylonischen Jünglinge im Feuerofen. Was haben Sie denn in der schwarzen Truhe da hinten? Sind da Ihre Schätze verwahrt?" Sie lachte ihm froh ins Gesicht, und er stimmte in ihr Lachen ein. „Schätze sind nun gerade nicht darin enthalten, aber doch etwas, was für mich oder, besser gesagt, für meine .Königin der Anden' von großer Bedeutung ist. Die Kiste «nthält nämlich Erde aus den Anden." Sie haben aber für alles gesorgt!" „Man muß für-qüf- sorgen und darf nichts außer acht »assen, wenn ein bestimmtes Ziel erreichen will", lautete Grayne- Erwiderung. „Wenn ich..." „Was ist das?" unterbrach sie ihn plötzlich und legte den Finger auf den Mund, damit er schweigen möge. Er hielt sich aber nicht daran, sondern pfiff schrill durch die Zähne. „Sehen Sie!" lachte er dann. „Mäuse! Es rührt sich nichts mehr." „Mäuse", wiederholte Kathleen. „Auch aus den Anden?" „Nein", lachte Grayne. „Sicher ist das eine unverfälschte englische Sorte. Wenn ich allein hereinkomme, taucht manchmal eine aus. Aber in Gegenwart einer Dame bleiben sie höflich im Hintergrund und pfeifen nur zur Begrüßung." Kathleen schritt lachend an seiner Seite ins Freie und streckte die Arme, während er die Tür vorsichtig abschloß. Dann folgte sie ihm ins Haus, wo er ihr mit einem Glas Wein und Kuchen aufwartete. Eine fröhliche Plauder- Stunde verrann. In Graynes Beisein konnte Kathleen Sogar über Fenalow Manor und ihren Onkel mit Geladen- heil sprechen. „Dieser merkwürdige und eines jungen Mädchens un würdige Zustand, in dem ich jetzt stecke, wird nicht mehr ange dautrn", bemerkte sie im Laufe der Unterhaltung. «Mr. Bruce wird Ihnen auch allerlei erzählt haben. Ich bin so froh, wenn mein Onkel mit der ganzen Sachc fertig ist." „Ich kann mir vorstellen, daß Ihr Onkel über der Ge schichte nervös geworden ist", nickte Grahne. „Wer eine großartige Erfindung macht, muß immer damit rechne», daß sich ein Gauner dafür interessieren könnte. Aber sowei. Sie mich unterrichtet haben, kann Ihr Onkel in dieser Hin sicht ja nicht benachteiligt werden." „Das ist wahr", pflichtete Kathleen bei. „Die Ersinduna ist in einer gewissen Formel enthalten, aber diese Formci hat mein Onkel, wie er mir selbst sagte, nicht schriftlic. niedergelegt. Also kann ihn niemand bestehlen. Aber Ivi er die ungeschriebene Formel behalten will, ohne sic z» vergessen, vermag ich mir beim besten Willen nicht vor zustellcn, denn er hat merkwürdigerweise ein schlechtes Ge dächtnis. Ich habe mir schon oft meine Gedanken darüber gemacht, ohnr zu einem Ergebnis gelangt zu sein. Das is auch nur natürlich, denn ich weiß von der ganzen Sachc nicht mehr als der nächstbeste Außenstehende." Grahne lenkte das Gespräch wieder auf seine geliebte» Blumen über, und einmal ging er hinaus, um einige kost bare Kakteen hereinzubringen. Sein Gesicht strahlte, als er die Töpfchen vor das Mädchen auf den Tisch stellte. Kathleen, die auch für diese Art von Pflanzen etwas übrig hatte, bewunderte die Gewächse gebührend. Dabci fielen ihre Blicke auf ein winziges Stückchen Papier, das unter dem Bodenteil eines der Töpfchen hervorragte und offenbar an demselben angeklebt war. Mit Bleistift war etwas hingekritzelt, und sie konnte eben noch eine Silbe und ein Wort lesen. „...die Fencher... Ueber dieser Entdeckung vergaß Kathleen, auf die Blumen zu achten. Ihre Hand schnellte vor und faßte nach dem Arm Graynes. „Wer ist Eddie Fencher?" stieß sie atemlos hervor. Er starrte sie an, und für einen Augenblick schwand alles Lächeln aus seinem geröteten Gesicht. „Eddie Fencher...?!" Grayne erholte sich rasch von seiner Verblüffung und schüttelte den Kopf. „Wer soll das sein? Und was wollen Sie mit dieser überraschenden Frage?" „Hier steht der Name!" Sie deutete aufgeregt auf das Stückchen Papier. Grayne riß den Fetzen vom Topf los und beugte sich darüber. Dann sah er in das Gesicht des Mädchens und zuckle die Schultern. „Ich verstehe Ihre Frage trotzdem nicht", erklärte er. „Die Töpfe stehen meist im Garten. Vielleicht haben Kinder das Papierstück mit hercingebracht. Ich habe das nicht geschrieben. Ich weiß auch gar nicht, wer Eddie Fencher »st. Was hat es denn für eine Bewandtnis damit? Sie machen ein so merkwürdiges Gesicht...' Kathleen lächelte und ärgerte sich über sich selbst. Was ging der Mann, der Eddie Fencher hieß, sie eigentlich an? „Ich habe den Namen in irgendeinem Zusammenhang gehört und dachte, Sie wüßten vielleicht etwas davon", sagte sie. „Entschuldigen Sie meine dumme Frage und Neugier!" Sie plauderten wieder über Kakteen, dann drängte sie zum Aufbruch. Grayne begleitete sie hinaus. „Ich freue mich, Sie in Bälde in Fenalow Manor ein zuführen", bemerkte sie, als sie sich am Gartentor ver abschiedeten. „Wenn die Sache mit der Erfindung endlich mal abgeschlossen ist, wird eS mein erstes Bestreben sein, Sie mit meinem Onkel bekannt zu machen. Er hat wie Sie fremde Länder gesehen, und Sie werden sich gut mit ihm unterhalten können." Sie reichte ihm die Hand. „Und vergessen Sie nicht, mich zu verständige«, >vrun Ihre Wunderblume den Kelch öffnet! In der Zwischen- zeit wird cs mir kaum mehr möglich sein, nochmal hierher- zukommen." „Ich werde es bestimmt nicht vergessen", versicherte Grayne eifrig. „Allzulange werden Sie auch nicht mehr warten müssen. Und nun leben Sie wohl und auf Wieder sehen!" Er sah ihr nach, bis sie hinter den ersten Häusern von Rice Garden verschwunden war. Dann schloß er das Gartentor ab und näherte sich wieder dem roten Backstein- ba»», wobei kein Gesicht einen fröhlichen Ausdruck zeigte 6 Das seltsame und unerklärliche Ende Eddie Fenchers, des Mannes, der in Eingeweihtenkreisen unter dein Spitz- namen „Juwelen-Eddie" bekannt gewesen war, füllte sieben Seiten eines besonderen Aktes in Scotland Vard. Eddie Fenchers geheimnisvoller Tod lag geraume Zeit zurück, und in London sprach niemand mehr davon. In die Oeffentlichteit war übrigens nicht allzuviel durch gesickert. Um so mehr Kopfzerbrechen machte man sich im Yard über die Sache. „Ein Mann, den man mit sieben Revolverkugeln im Bauch tot auffindet, ist zwar keine erfreuliche, aber doch eine erriarllcye uno narurucy« Dacye', »emecne Eyes» inspektor Morris im Verlauf eine» Gesprächs mit Ike Mills. „Bis zum heutigen Lage ist es wenigstens immer so gewesen, daß die mörderischen Kugeln von jemand ab- gefeuert wurden, und -war aus einem Rev'lver. Das ist die billigste Weisheit, die sich ein Kriminalist im Laufe seiner Tätigkeit aneignen kann." Morris lächelte trüb. „Merkwürdig genpg, daß man so etwas überhaupt in den Mund nehmen muß. Aber MM muß. Die Sache mit Fencher stellt nämlich jede bisher^gemachte Erfahrung buch stäblich auf den Kopf. Man hat Eddie mit sieben Kugeln im Leib lot aufgefundcn und ist jedem Herkommen zum Trotz auf den Schluß gekommen, daß niemand geschossen Hal nild daß kein Revolver gebraucht wurtze. Stellen Cie sich vor, Mills, man hätte das in die Zeitung gcdruckt!" „Es ist gut, daß man die Dinge der Oesfentlichkeit etwas weniger kompliziert nnterbreilet hat", nickte Ike und stieß den Rauch seiner Zigarette durch die Nase. Ter Ehcfinspektor trommelte mit den Fingern auf der blanken Platte seines Schreibtisches, und das war ein un- ttügliches Zeichen dafür, daß er dieses Thema verlassen ! wollte. Er haßte alle Themen, mit denen er nichts auzu- i sangen wußte, und es.war eine Eigenart von ihm, doch ! immer wieder darauf zurückzugrcifcn. Der Fall Eddie Fencher war in undurchdringliche üälsel gehüllt, und der einzige, der es wagte, mit kühnen Gedanken durch diese Rätsel vorzustoßen, war Ike Mills. Fr dachte gern über die Sache nach. Fenchers Todesursache lag klar auf der Hand. Man »nie die Leiche in einem stillen Gäßchen in Maidstone ge- .indcn. Sieben Revolverkngeln, die schräg von oben nach ,»lcn den Leib durchschlagen halten, waren Fenchers Ende gewesen. In seiner Brustlasche fanden sich die zersetzlen Trümmer eines Magazins und sieben stark beschädigte und zum Teil zerstörte Patronenhülsen. Es konnte kein Zweiset darüber bestehen, daß die Patronen plötzlich explodiert waren. Aus der Untersuchung war das vollkommen klar und eindeutig hervorgegangen. Aber was die Patronen zur Explosion gebracht hatte, das konnte keine der zahllosen Untersuchungen, die man anstellte, erklären und erläutern. Man konnte es im Vard nicht fassen und nicht glanbcn, und es war doch so: Eddie Fencher, der Juwelen so gern mochte, war elendiglich zugrunde gegangen, weil sieben Patronen, die er in einem Magazin in seiner Brusttasche getragen hatte, plötzlich explodiert waren. Wenn man in Scotland Vard überzeugt war, daß es Fälle gab, die nie gelöst werden konnten, so nahm man diese Ueberzeugung für den Fall Eddie Fencher in Anspruch. „Es ist eine Sache, bei der man nicht einmal in dew Fehler verfallen kann, sich in Vorurteile zu verstricken", meinte Mills. „Das ist unstreitig das Beste daran", sagte der Ches- inspektor rasch und nahm seine Zigarre aus dem Mund. „Zu den Dingen, die ein guter Detektiv nicht haben darf, gehört vor allein der Begriff.Vorurteil'. Das müssen Sw sich merken, Mills. Vorurteil ist eine Krankheit, und ick» habe einmal eine Zeitlang an dieser Krankheit gelitten. Heute bin ich geheilt. Ich habe eine Wette von fünfzig Pfund verloren und außerdem eine schmähliche Niederlage einstecken müssen. Alles bloß deswegen, weil ich das ganze Gerede, das über den .Chief' ging, für unverbürgte und lächerliche Gerüchte hielt. Heute zweifelt kein Mensch mehr daran, daß es einen gerissenen Gauner gibt, der sich .C.hicf' nennt. Fragen Sie nur den nächstbesten Gasscnjuu"genk- Der kann Ihnen was erzählen." Er zündete die Zigarre, die ihm während seines Vor. träges ausgegangen war, wieder an und seufzte. Tann warf er einen gönnerhaften Blick auf seinen Untergebenen. „Wenn Sie einmal so lange im Bau sind wie ich, Mills, dann kennen Sie sich aus. Dann wissen Sie, daß unser Beruf mit Romantik nichts zu tun hat, wenn Außen stehende das Gegenteil bisweilen auch wahrhaben möchten. Ist Ihnen vielleicht schon ein Fall untergekommen, den man verfilmen könnte? Sie brauchen sich gar nicht zu.be sinnen. Es gibt schon solche Fälle, denn etjvaS muß die Regel bestätigen. Denken Sie bloß an den .Chief'. Aber - diese Fälle sind dünn gesät. Immerhin ist zu hoffen und zu wünschen, daß es eines TageS wieder eine^ Sensation gibt. Die nämlich, den .Chief' zu greifen. Darauf" freue ich mich." „Was liegt gegen den .Chief' eigentlich vor?^ er- kündigte sich Mills freundlich. Er hatte ein boshaftes Ver gnügen daran, seinen Vorgesetzten hin und wieder mit- gewissen harmlosen Redewendungen aufzustacheln. Tie beiden Männer verabscheuten sich innerlich von ganzem. Herzen, wenn sie das auch nach außen hin nicht laut werden ließen. MorriS war Chesinspektor, und Ike hatte im „Heiligtum" eine gute Nummer. „Verdammt", fuhr MorriS auf, „werden Sie mir jetzt bloß nicht rührselig! Sie wissen sehr genau um das Schuldlonta. dieses Manne- Bescheid. Erinnern Sie sich nur an die Paddiugton Bank, an die Gräfin Sandburry und an den armen Teufel James Wood, um einen der letzten Fälle herauszugreifen." „Der arme Teufel Jame- Wood war ein Spitzbube, der eigentlich an den Galgen gehört hätte", erlaubte sich Mills höflich zu bemerken. „Er hat eine Reihe armer Dienstmädchen um ihre Ersparnisse gebracht. Ich finde, der .Chief' hat sehr recht getan, als er ihm ein« aus wischte." „Ich finde, Sie sind auf dem besten Wege, Ihr Hirw mit Vorurteilen zu überladen", versetzte der Chesinspektor bissig. „Wo die Vorurteile anfangen, hört der Kriminalist auf. Das können Sie sich für alle Zeiten merken. Habe ich Ihnen meine persönlichen Erfahrungen mit dem,Chief' vielleicht deshalb geschildert, daß Sie nun in meine Fehler verfallen?" „Hm", meinte Ike und machte ein nachdenkliche- Gesicht. „Ich bin überzeugt, daß hier irgendwo Vorurteile vor» liegen. ES fragt sich nur..." t " tFortteduna kolatt