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Beilage zur Weitzeritz-Zettung Nr. 212 Sonnabend, den I I. September 1937 103. Jahrgang daran, mit den Bnschmessern nach Wasser zu Schon nach einem halben Meter zeigt sich eine Brühe, die sich nach wenigen Minuten in klare den Tee genießbare Flüssigkeit verwandelt. Im Ein sehr daS vier Giraffen sonst ein Giraffe. graben, milchige und für Rucksack Wir schaukeln mit kochendem Kühler nach Südwesten. Der Ndorobbo hängt wie ein Affe am Verdeck und beobachtet das weite Pari vor uns. Nichts Ungewöhnliches kann seinen scharfen Augen entgehen, und Karl fährt zu, daß wir uns an die Sitze klammern und Fuller hinter uns wie ein angeschossc- Fricde in der Wildnis, ungewöhnliches Bild, Löwen und mehrere zeigt. Der Löwe ist grimmiger Feind der Der Photograph berichtet aber, daß eine von den Giraffen bis auf wenige Meter an die Löwe» hcrankam und sie längere Zeit betrachtete. Die Löwen nahmen keine Notiz von dieser Nachbar schaft, sondern trollten sich spä ter davon- DaS Bild ist ein Beweis dafür, daß selbst Lö wen eine friedlichere Gesinnung hegen — wenn sie saft sind. Ausnahme: Dorten Leight . (Mauritius) — M. von F. G. Schmidt - Olden letfen Morgenwind rauschende Steppengras. Are Sonne fängt schon an zu stechen, als wir englich den fernen Punkt unseres Autos finden. -- Aechzend und polternd schaukelt unser Auto über aus gefahrene Wege und hügelige Steppe. Die rötliche Staub wolke weht noch lange hinter uns wie die Rauchfahne eines Eisenbahnzuges. Denn die gute Straße nach Moshi haben wir verlassen und steuern dem stumpfen Kegel des Mernberges zu. Klarer und deutlicher tritt die weiße Ricsenkuppel des Kilimandscharo, der über 6000 Meter hohe Kibo, ln er greifender Schönheit aus den Wolken. Gletscher und Schneefelder schimmern blendend und unwirklich und er innern uns hier in der sonnendurchglühten Steppe an das Frucht- und Sahneneis in Nairobi. Karl hat unsere letzte Blechschachtel mit Süßigkeiten Fräulein Ursel in die Hand gedrückt, und neugierig be obachte ich das Verschwinden unserer Nationen zwischen den schimmernden Zahnreihen. Aber Karl ist selig und tröstet seine „Braut", daß wir bald an eine Konditorei kommen werden. Und wirklich hat er damit recht! Das grinsende Gesicht des Ndorobbo schiebt sich hinter uns in die Höhe, und während er sich mit der einen Hand an das Verdeck klammert, zeigt er mit der anderen auf einen Busch am Wegrand: „Mlcmbwe — Bwana — der Honig vogel, Herr!" Ich fasse Karls Arm: „Stop — wir sind eben an der Konditorei angelangr!" Und gefolgt von meinen ungläu big lachenden Gefährten, klettere ich vom Vordersitz und zeige ihnen den kleinen, schwarzbraunen Vogel, der un geduldig vor uns her flattert. Auf einem niedrigen Baum erwartet er uns und rattert sein „Ttrr—tschirr" wie ein wildgewordencr Motor herunter. Und kaum ist der Ndo robbo auf 20 Schritt nahe gekommen, so slattert der kleine Vogel iveiter und führt uns so ctw-i 200 Schritt abseits. Dann schweigt er plötzlich, und merksam beobachten wir die Schirmakazien in der Nähe, bis wir den aus gehöhlten Baumstamm finden, den Eingeborene in den Aestcn ausgehängt haben. Die weitere Behandlung dieses primitiven Bienen stockes überlassen wir unseren Schwarzen und ziehen uns vorsichtig zum Wagen zurück. Denn kein Tier Afrikas kann es an Angriffslust mit der wilden Biene aufnehmcn. Aber alles geht gut, und nach einer Viertelstunde traben die beiden Reger durch Qualm und Rauchschwaden und schleppen drei Töpfe voller Honigwaben an. Schnell wird noch eine Wabe an den Busch gelegt, auf dem wir den Vogel zuerst sahen. Denn wer dem Mlcmbwe nichts von seiner Beute abgibt, den führt er nach dem Glauben der Eingeborenen beim nächstenmal nicht zu einem Bienen korb, sondern zu einer giftigen Schlange. Am Abend schlagen wir an einer Wasserstelle das Lager auf. Fräulein Ursel bezieht im Vorderteil des Autos eine abgeschlossene Kabine, deren breite Lederpolster mit Kissen und Decken ein wundervolles Nuhelager bilden. Karl und Pat haben es sich im geräumigen Gepäckraum bequem gemacht, und ich lasse stets mein kleines Zelt auf- schlagcn. Nur Fuller verzichtet auf die angebotenen Be quemlichkeiten. Meist hockt er mürrisch und schweigsam am Feuer, raucht schweren schwarzen Tabak aus einer klobigen Pfeife und trinkt Rum oder Whisky aus der Flasche, bis er sich torkelnd und schnaufend unter den Wagen schiebt und in seine Decken rollt. Sein Gutenachl- wunsch besteht gewöhnlich in einem Fußtritt nach einem der beiden Schwarzen, die ihm ängstlich aus dem Wege gehen und erleichtert hinter ihm hergrinsen. Ein unleid licher Gorilla — und besorgt überlegen wir, wie wir diese Gesellschaft noch wochenlang ertragen sollen SOS tn »er Steppe Etwa 100 Kilometer hinter Aruscha kommt uns ein Flugzeug entgegen. Der Doppeldecker senkt sich rasch, legt sich in steiler Kurve auf die Seite und umschwirrt uns wie eine schimmernde Libelle. Der Pilot brüllt uns etwas zu. Abei; wir können nichts verstehen, obwohl er mit gedros seltem Motor dich« an uns vorbeifegt. Dann fliegt er ein Stück zurück und schwingt sechsmal den Arm durch die Luft. SOS. — das internationale Notzeichen! Und als wir verstehen und langsam In dieser Richtung weiter fahren, winkt er uns befriedigt zu. Sein Motor heult brüllend auf. und in steiler Kurve schießt sein Flugzeug in die Luft und ist in wenigen Minuten im Norden ver- ! schwunden. (1. Fortsetzung., ' Par wurde mit Fuller und uusercm gemeinsamen Boy auf Kisten und Decken im geräumigen Gepäckraum einquartieri, und kurz vor der Abfahrt brachte Martin noch einen halbnackten Ndorobbo an, der eine europäische Jagdexpedition begleitet hatte und nun in seine Heimat — die Massaisteppe — zurückgebrachl werden sollte. Schlemmerhaft genießen wir die Fahrt im bequemen Auto aus der gute« Straße, die zum Kilimandscharo führt. Anfänglich geht es Meilen um Meilen durch Wildreservat. Rechts und links und vor und hinter uns äsen Herden von Gnus und Zebras, Antilopen und Gazellen. Lang halsige Strauße versuchen hin und wieder ein Wettrennen mit unserem Wagen und verschwinden dann wie Kano nenkugeln über der nächsten Hügelwelle. Aber schon am zweiten Tage zeigt die außerordentliche Scheu der Steppenbewohner, daß wir das Schongebiet hinter uns haben, und da wir frisches Fleisch brauchen, versuche ich eiuen Schuß auf ein trollendes Haricbcest. Helle Schnitthaare am Anschuß beweisen, daß die Kugel zu tief sitzt, und ich winke die beiden Farbigen zu mir, um die Nachsuche auszunehmcn. Unser Wagen soll uns an der kaum drei Kilometer entfernten Wasserstelle er warten, wo wir lagern wollen. Fast zwei Stunden hängen wir schon der Fährte nach, ohne daß ich Gelegenheit zum Fangschuß habe. Wahr scheinlich komm, das angeschossene Tier gesund davon, und ich entschließe mich zur Rückkehr. Auf unserer Spur zurückzugehen, hätte einen Umweg bedeutet, und ich ver suche, den Weg abzuschnciden. Noch ein letzter Schluck aus der Feldflasche — uud daun marschieren wir hinaus in die von letztem Sonnenlicht durchflutete Steppe. Die Sonne versinkt zusehends, und an ein Erreichen unserer Safari ist nicht zu denken. In einem Korongo — einer ausgetrockneten Negenschlucht — müssen wir die Nacht verbringen Während der Ndorobbo Holz und Koch- steine zusammenschleppt, mache ich mich mit dem Boy des Boys finden sich glücklicherweise Kochkessel, Zucker, Tee, eine Büchse mit Bisquits und eine Dole Büchsen fletsch. Der Lowe vor -er Felsenhöhle Da dringt ein Ton aus dem Dunkel der Steppe, ein tiefes, keuchendes Grollen — schwillt röchelnd an und steigert sich zu hallendem Gebrüll. Von allen Seiten wird es ausgenommen, rollt in gewaltiger Woge über die ein same Savanne und erstirbt schließlich als dumpfes Murren. Als ich am Lagerplatz eintreffe, empfängt mich der Boy mit angstvoll rollenden Augen. Der Ndorobbo hat einen Stapel dürren Holzes neben sich und beäugt gierig die geöffnete Dose mit Fleisch, die dem Boy vor Schreck ent fallen ist. „Vorwärts, holt Holz und Dornenzweige, soviel ihr finden könnt, und bringt alles nach einer Höhlung ober halb. die ich eben gefunden habe!" rufe ich den beiden Schwarzen zu upd steige wieder bergan. Etwas oberhalb machte die Schlucht einen scharfen Knick, und hier hatten die zur Regenzeit rauschenden Wassermassen das Erdreich ausgespült. Reichlich eng für drei Personen, bot das Loch doch einen gewissen Schutz, wenn der Eingang durch hell lodernde Feuer abgcspern war. Ich verteile noch unsere Lebensmittel und lege mich mit der Büchse im Arm zur Ruhe. Plötzlich fahre ich hoch und starre auf einen klobigen Schatten, der sich kaym zwei Schritt vor mir in dem Höhlengang aufgebaut hatte. Aus dem Schatten leuchten in grünem Feuer die Augen des Löwen. Mit flatternden Fingern taste ich nach dem Sicherungsflügel der Büchse — da brüllt es mir direkt ins Gesicht: Rrohhnh . Ich schieße, ohne zu zielen, in die Richtung des Schattens und reiße den Repetier mechanismus zurück. Im Krachen des Schusses, höre ich noch ein zorniges Aufgrollen, Steine rollen vom Abhang in die Tiefe. Dann ist alles still. Nur mein Herz hämmert bis zum Hals. Vor mir schiebt sich die nackte Gestalt des Ndorobbo in die Höhe, zerrt Reisig aus dem Haufen und läßt das Feuer hell anssprühen. „Anakimbia — er ist ausgerissen,' tröstet der Ndo robbo gutmütig den schlotternden Boy und kriecht mit sei nem schweren Massaispeer aus der Höhle. Nach kurzer Zeit bringt er ein Büschel abgeschossener Mähnenhaare. Mit Gewalt will ich mich zu neuem Schlaf zwingen. Am Eingang hockt jetzt wie ein riesenhafter Frosch der Ndorobbo und wirst Reisig in die hellodernden Feuer. Seinen Speer hält er griffbereit. Dabei summt er leise und gleichmütig vor sich hin und blinzelt nur dann inter essiert nach den dunklen Abhängen der Schlucht, wenn das markerschütternde Brüllen so nahe kommt, daß uns an scheinend nur, wenige Meter von den wütenden Katzen trennen. Nach einigem Hindämmern merke ich, daß an Schlafen nicht zu denken ist. Ich löse den Ndorobbo ab, der durch friedliches Schnarchen beweist, wie wenig die Ereignisse dieser Nacht sein inneres Gleichgewicht stören konnten. Langsam verklingen die Chöre der Löwen. Die Raub tiere haben ihre Beute gemacht. Hungrig klingt nur noch das heisere Gelächter der Hyänen und das gierige Winseln der Schakale. Dann und wann unterbricht das ferne Don nern flüchtiger Hufe die tiefe Stills der Nacht. vKvn-Horet Aonisvvsel" Danü verblüffen die Sterne. Der Himmel leuchtet in rotvioletten Farben, und rasch und unvermittelt taucht im Osten der rotglühende Sonnenball auf, überschwemmt die Steppe mit Lichtfluten und treibt siegreich die Schwaden der Nachtnebel vor sich her. Ich wecke meine Schwarzen, und nach kurzer Bcra- Mng mit dem Ndorobbo marschieren wir über das im uer Busse« vrulll. Wurenv verlangt er, sag w«r aus uw» serer Reiseroute bleiben, und ohne Pats besonderes Ver mitteln wäre es wahrscheinlich jetzt schon zu dem längst erwarteten Krach gekommen. Nach zwei Stunden zeigt der Ndorobbo nach links vor nns: „Angalia huko nbali — dort hinten!" Aber erst nach einer weiteren Viertelstunde taucht ein ferner Punkt ans, den wir ansteucrn. Und endlich halten wir vor einem Iagdlagcr. Zwei Zelte stehen unter einer brcitästigen Schirmakazie. Pferde grasen in der Nähe, und ein hoch- gewachsener Mann im offenen Jagdhemd und kurzer Khakihose schüttelt uns die Hände. „Ist ja mächtig schnell gegangen! Manchmal sind die Flieger also nicht nur zum Verscheuchen des Wildes da. — Ihr Auto ist übrigens famos geeignet als Krankenwagen!" Karl fährt den Wagen zur Seite. Fuller kramt wü tend in seiner Schnapskiste herum und trollt sich schimp fend in die Büsche. Pat und ich begleiten den langen Engländer in das Zelt und stehen an einem schmalen Feldbett, auf dem ein blasser Mann liegt. Blutgetränkte Verbände um Kopf, Schultern und Arme zeigen nichts Gutes an. Aber augenblicklich können wir nichts helfen. Die Blutung steht, die Wunden sind desinfiziert — und wir lassen uns von Mr. Clifton, un serem neuen Bekannten, den Hergang des Unglücksfalles erzählen, während unser Boy das Lager aufschlägt und der Ndorobbo Holz und Wasser herbeischlcppt. „Nbino natürlich," meint Clifton und zeigt mit dem Daumen über seine Schulter nach seinem leise stöhnenden Gefährten. „Aber was für ein Bursche! Ich bin ja schon mit allerlei Nashörnern zusammengeraten — aber so etwas habe ich noch nie erlebt! Muß Wohl auch Irrsinnige unter den Tieren geben. Anscheinend haben wir uns mit unserem Lager mitten in sein Revier gesetzt, und das nahm der alte Satan krumm. Zweimal ist er nachts durch unser Feuer getobt. Und als er gestern am Hellen Tage erschien und unsere Pferde in die Steppe und die Ein geborenen auf die Bäume jagte, schossen wir auf ihn." Pläne tn -er ..Sache Fuller" „Und mein Freund — übrigens ein Landsmann voir Ihnen," wandte sich Clifton an mich und zeigte lächelnd auf die Schmisse meiner linken Wange — „also mein Freund und Piet, der Bur, rannten ihm in die Steppe nach, um ihm den Fangschuß zu geben. Das traurige Ergebnis sehen Sie hier. — Ucbrigens ein Pechvogel, Ihr Landsmann. Por ein paar Monaten verkaufte er seine Farm in Portugiesisch-Ost, gerät auf der Reise nach Nairobi einem Lunspen in die Hände, der ihn nicht nur um sein Geld betrügt, sondern auch noch zuschanden schlägt und als tot im Port liegen läßt. — Zufälligerweise kam mein Bur Piet, der mich auf meiner Tierfangsafari be gleitet vom Süden, hörte von Eingeborenen die Geschichte und brachte den Mann mit —" der Fabeck heißt," ergänzte ich die Erzählung. Und dann erzählten wir unserem erstaunten Zuhörer alles, was wir wußten, und faßten den Plan, vorläufig die Sache vor Fuller gcheimzuhalten. Denn lebend wür den wir den Kerl nicht nach Moshi oder Aruscha bringen können, wenn er etwa von Fabeck ahnte. Heute abend nach Einbruch der Dunkelheit würden wir den Verletzten an Karls Stelle im Auto einquarticren, und morgen in aller Frühe sollten Fräulein Ursel, die wir einweihten, Clifton und Karl mit ihm zum Hospital nach Aruscha fahren. Der Distriktskommissar würde mit zurückkommen und den Haftbefehl für Fuller mitbringen. Wir traten aus dem Zelt ins Freie, und Karl, der während unserer Unterhaltung zu uns gekommen war, fragte Clifton: „Und wo haben Sie nun das Nashorn eigentlich bekommen?" „Leider gar nicht — sondern es ha, uns! Sehen Sie dort ans dem Hügel den Buren? Er hat schon zweimal auf den Nashornbullen geschossen, aber der scheint kugel fest zu sein!" Wir sahen uns ungläubig an, während Clifton nach denklich vor sich hin starrte. Daß Nashörner angrcifen, ohne gereizt zu sein, ist! eine alte Erfahrung,. Aber meist sind diese Angriffe schlecht« oder gar nicht gezielt. Das Tier, das stumpfsinnig vor sich hin döst, hört vielleicht ein ihm unbekanntes Geräusch. Und ohne Ueberlegung tobt es mit unheimlicher Gewandt heit darauf zu (Fortsetzung folgt? Erlebnisse am afrikanischen Lagerfeuer