Volltext Seite (XML)
<40. Fortsetzung.) Es verdroß sie, daß dieser schon so früh erschien. „Sagen Sie Herrn Hilger, er möchte die Güte haben, ein halbes Stündchen zu warten, ich muß noch ausgehen, um eine Besorgung zu machen!" Taube verschwand, und. Lilli nahm schnell ihren Abend- mantel aus dem Schrank, schlüpfte hinein und verließ das Zimmer. Bevor sie die Treppe hinunter stieg, lauschte sie erst, ob auch niemand da war, dem sie begegnen konnte. Es war alles still. Als sie in die Diele kam, trat Hilger ihr entgegen. „Verzeihung, daß ich zu früh erschien!" sagte er, Lilli die Hand küssend. „Ich hörte eben, daß Sie noch eine Be sorgung zu machen haben — erlauben Sie, daß ich Sie begleite?!" „Danke — nein! Ich möchte Sie nicht bemühen- „Es wäre keine Mühe für mich, ich fahre Sie schnell hin, wohin Sie wollen! Mein Auto wartet vor dem Hause." „Ihr Auto?" fragte Lilli überrascht. „Seit wann haben Sie ein Auto?" Hilger lächelte. „Seit gestern! Es ist meine neueste Errungenschaft! Bitte sehen Sie es sich an, ein Achtzylinder — feine Sache!" Lilli schüttelte den Kopf. Ein fixer Kerl war dieser Hilger. Er hatte kein Geld und schaffte sich dennoch ein Auto an. Das gefiel ihr. Man müßte es Hilger lassen: er verstand es, sich sein Leben angenehm zu machen. Sie ging mit ihm vor das Haus, wo sein Achtzylinder stand. „Eine wundervolle Limousine!" bewunderte Lilli. „Die haben Sie sich wohl für Hansfeldc angeschafft?" fragte sie. „Geraten! Ich muß doch die Möglichkeit haben, immer schnell zu Ihnen zu können!" Lilli überhörte das. „Es freut mich für Sie, daß Sie sich zu dieser An schaffung entschlossen haben! Es war ja lange Ihr Wunsch, einen eigenen Wagen zu besitzen. Ich muß nun aber gehen. Entschuldigen Sie, Herr Hilger!" „Nein, Sie gehen nicht, Lilli, ich fahre Sie! Bitte steigen Sie ein!" ? „Wenn Sie durchaus wollen? Ich muß in die Kleist- straße — Kleiststraße vier!" - Sie nahm neben dem Führersitz Plab. „In zehn Minuten sind wir am Ziel!" sagte Hilger, und ließ den Wagen an. „Wissen Sie, Lilli, warum ich beute so früh bei Ihnen erschien?" fragte er ..Nein — wie soll ich das wissen?" „Ich wollte Gelegenheit haben, Sie, bevor die anderen eintreffen, allein zu sprechen!" „Papa ist heute zurückgekommen!" unterbrach sie ihn, «n der Hoffnung, ihn dadurch aus dem Konzept zu bringen. Aber er fuhr unbeirrt fort: „Das ist mir lieb, denn ich habe vor, ihn um die Hand seiner reizenden kleinen Tochter zu bitten! Darf ich, Lilli?" Er sah sie von der Seite an, ohne das Tempo des ^Wagens zu mildern. „Nein, Sie dürfen nicht, Fred, denn Berkholz' reizende Tochter ist nicht mehr frei!" Hilger nahm seinen Fuß vom Gashebel und brockte den Wagen zum Stehen. Er sah Lilli erschreckt an. „Was heißt das? Nicht mehr frei? Sie scherzen!* Sie schüttelte den Kopf. „Es ist so, wie ich Ihnen sagte: ich bin verlobt! Eben bin ich auf dem Wege zu meinem Verlobten!" Hilger lachte kurz auf. „Und das erfahre ich jetzt erst?! Seit zwel Jahren werbe ich um Sie, Lilli! Sie wissen, daß ich Sie liebe! So, wie Sie sich mir gegenübergestellt haben, durfte ich hoffen, daß Sie meine Liebe erwiderten — und nun i.." Er hielt mitten im Wort inne, setzte seinen Fuß wieder auf den Gashebel, und die Hände an das Steuerrad legend, lenkte er den Wagen weiter. In rasender Geschwindigkeit glitt der Achtzylinder über die glitschige Straße. Wir werden noch ins Schleudern kommen!, dachte Lilli, aber sie hütete sich, Hilger, dessen Erregung sie spürte, zu warnen. Der wäre imstande, das Tempo noch zu erhöhen! Sie atmete befreit auf, als sie am Ziel waren. Hilger stieg vor ihr aus, reichte ihr die Hand, um ihr behilflich zu sein. Sie sahen sich für den Bruchteil einer Sekunde a Lilli fühlte sich ergriffen, wie elend Hilger aus einmal aussah. Um seinen Mund lag ein herber Zug. Vielleicht liebt er mich mehr, als ich ahnte!, dachte Lilli, während sie in das Haus hineinging. Langsam stieg sie die Treppen zu Baronesse Widderns Wohnung empor — als sie den letzten Treppenabsatz er- reicht hatte, ging oben die Tür und Joachim trat heraus. „Endlich habe ich dich erwischt!" sagte sie erfreut. „Du wolltest dich wohl auf den Weg zu mir machen?" „Rein!" gab er zurück und schloß die Tür auf, um Lilli einzulassen. „Hast du meinen Brief bekommen?" fragte sie, als sie sich im Korridor gegenüberstandrn. „Ja — aber ich-muß bedauern, die Einladung nicht an- nehmen zu können! Ich bin den ganzen Tag über unter wegs gewesen und fühle mich zu abgespannt, um in Gesell^ schäft zu gehen!" „Nur ein paar gute Bekannte habe ich bei mir! ES ist bestimmt'keine aufregende Sache!" Joachim faßte nach ihrem Mantel, um ihn ihr abzu nehmen. Aber sie wehrte ab: „Nein — danke, ich will nicht ablegen! Ich muß schuft wieder heim! Also bitte, mach dich fertig, um mit mir zu kommen — Hilger wartet unten mit seinem Auto auf unS!" „Ich will nicht!" sagte er kurz. Lilli starrte ihn entsetzt an. Aus der trüben Korridor beleuchtung schimmerte ihr Gesicht weiß zu ihm auf. Sie sah sehr traurig aus. Joachim fühlte, daß er sie verletzt hatte, deshalb lenkte er ein: „Es geht beim besten Willen nicht, ich habe für heute abend eine Verabredung mit einem Herrn getroffen, Vie muß ich einhalten. Es handelt sich um eine Anstellung." „Wozu suchst du jetzt noch eine Anstellung? Wir werden doch heiraten, und du..." Er ließ sie nicht ausreden. „Ich kann nicht daran denken, zu heiraten!" Nun war es gesagt. Lilli mußte doch endlich wissen, woran sie. war. > Sie atmete schwer auf und dachte: Warum gehe ich nicht? Wozu stehe ich noch hier? Einen letzten Versuch machte sie noch. „Papa ist heute von seiner Reise zurückgekommen, ich habe ihm gesagt, daß wir uns verlobt haben! Er hat nichts gegen unsere Verbindung!" Großer Gott, wie hartnäckig sie war! Es war zum Verzweifeln. Wie sollte er nur von ihr loskommen? Die Wohnungstür wurde geöffnet, und Tante Lene fragte in den Korridor hinein, wer da sei. „Fräulein Berkholz!" antwortete Joachim. Wie fremd das klang! Nein, hier war alle Mühe ver gebens. Sie würden nie zusammenkommen. „Ich gehe schon wieder!" ries sie Baronesse Widdern zu, , und wandte sich zur Tür, die Joachim vor ihr öffnete. Er begleitete sie hinunter, auf der Treppe sagte er: „Ich hatte vor, heute abend an Sie zu schreiben, Fräu- lein Berkholz!" Sie lachte kurz auf. „Es ist nun nicht mehr nötig, Herr von Widdern! Ich weiß, woran ich bin. Sie sehen ein, daß Sie sich mit s unserer Verlobung übereilt haben. Sie hätten daS nur früher einsehen sollen." s Fluchtartig verließ sie das .Haus und nahm ihren Platzt im Auto ein. „Fertig?" fragte Hilger, ohne sie anznseheN. „Ja, fertig! Fertig mit allem, was war!" .Was beik, daö?" > tFortsehung folgt.)