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K O M U M W 8 DU« 6kr X 5I I^ 5 ^ 8 U k Q Lop^rigkt 1936 b^ ^ukvLrt8-V<>.rIgL, Lerlin 8VV 66 li Nachdruck vcrbotcn. ek8ie8 lc^pnei. „>crr und Frau Rubertus waren als Eltern ungcmüt- . r Zwei schwere breite Menschen, die im Wohlleben -:eö wachsende» Reichtums, eines industriellen Neich- ..uiis, zu üppig gediehen. Es wurden jährlich Kuren not wendig, uni diese Entfaltung einzudämmcn. Die Wasfcufabrik Rnbertus ging im Jahre Ncunzehn- nnnderlundachi besonders ausgezeichnet. So diente der Zahn im teuersten Regiment. De» beiden Töchtern wurde ueslattct, in Erziehung und moderner Bildung zu schwelge». Sie schwelgten nicht freiwillig. Der Vater wollte für sein gutes Geld etwas sehen. Der Unterricht ging im besten Institut der Stadt vor sich. Es wurde Nestes genannt, weil auch viele Schülerinnen aus dein Ausland kamen, um in deuischcr Kunst und tadellosen! Benehmen fertig gemacht zu werden. „Oelinislwil naimten das die beiden urgermanischen Jrcifräuleins ven Borgwede. Sie betonten, das; sie ihr .Haus im Stil de besten Gesellschaft führten. Eine unterrichtende Kraft gar der anderen die Tür in die Hand; man war überzeugt das; die junge» Mädchen hier alles lernten, was für ihn Existenz zu genügen halte. In diesem knospenden Garten war Erdmuthe Nubcrux die hübscheste, ihre jüngere Schwester Margarete, die mai Taisy ries, ein verdrossener Backfisch mit merkwürdig scharfem Urieil Beider rieben lief im Trab, so viel wurd. ihnen aiifgebüidei. auch Weltliches: Manieren in alle, Lebenslagen, feiner '.'Instand. Tanz, graziös und modesi Diese Errungenschaften wurden ausgeprobt bei allerlei Weltlichkeiten, vom Institut in seinen, Kontobuch mii träftigem Aufschlag berechnet: kleine vaterländische For schungsrciseii und Ausflüge, Konzerte, Thecuerausführun gen sahen diese Rekrutinnen des gebens dann a» marschieren, frische Jugend, gebändigt int Drill, flankiert von würdigen Erscheinungen in Seidenblusen, mit un wandelbaren Frisuren nnd Anschauungen. Mindestens zwei Reihe» füllten sie in der Oper und in; Schauspiel- Hause bei passenden Stücken. Nie sah man sic in der Operette. Die Herren, besonders das zahlreich vertretene Militär, freuten sich immer, wenn sie auftauchten. Früh ling inr Hause der Kunst, aus de» verschiedensten Ländern; unterdrückte Munterkeit, flinkes Blickcwechscln, zu deni sich viele Begabung zeigte; naive Begeisterung für die Darsteller. Allerliebst das Ganze. Die beiden Rubertus-Mädchcn waren glücklich, wenn sie hier in der Reihe milgehcn durften, statt in die Loge der Eltern mitgenommen zu werden, in der man stock steif fast, kein Urteil ändern durfte. Die Eltern benahmen sich bei Tag und Nacht, denn sie waren Jemand. Die Kreise der Stadt, aus die sie Wert legten, die reichen vor allem, blickten auf sic. Der Sohn, feudal angehaucht durch seine Kameraden, hielt auf das, was er mit dem Ausdruck .große Form' bezeichnete. Es war das etwas vage, er mußte es seiner Mutter von Fall zu Fall bcibringen, sich vielleicht selbst erst erkundigen. Sie ließ sich niemals Un sicherheit anmcrtcn. Dabei half ihr schon die wuchtende Persönlichkeit, die in der Welt der Vereine etwas ge fürchtet, nicly gerade beliebt, aber hoch angesehen war. Sie gab nicht freundlich, aber sie gab, kannte als Patro neste durchaus den richtigen Dreh im Auftreten. Herr Ruberlus tonnte gemütlich sein in einem bestimmten Kreise; daheim war er das grundsätzlich nicht. Er sah alles, er hörte alles, wußte das Verborgenste in einer un begreiflichen Weise; auf einen plötzlichen Ausfall, eine ironisch ätzende Frage mußte man bei ihm immer gefaßt fein. Wenn er zankte, sekundierte ihm seine Frau. Das tat sie grundsätzlich. Dafür erwies er ihr die kritiklose Achtung, die man einer Erbin schuldig ist. Mi, Sorgen, Geschäftssachcn, durfte man ihr niemals kommen. Das wußte er, das wußte die ganze Familie, Ihre erschüttern- den Schecks waren unbeurteilt zu erledigen. Lautlos. Tenn sie hatte ihr Vermögen in der Fabrik. Um zwei Uhr wurde gegessen, mit einem gewissen Zere moniell. Auf den Hausherrn mußte gewartet werden. Mit dem Glockenschlag hallen die Töchter zu erscheinen, tadellos gekleidet, gepflegt. Dafür mar ein eigenes Fakto tum vorhanden, Hhgienisch ausgebildet, eine englische Miß, die Shaklcr hieß, aber Hygi gerufen wurde. Das wär einfacher und verwies sie immer wieder auf ihren Berus. Der Sohn kam nur ausnahmsweise zu Tisch. Er durfte sich zwei ausgezeichnete Pferde hallen, trieb Nennsport, trainierte sich»spartanisch, von dem Wunsch getragen, ein Inbegriff in seinem Regiment zu werden. Er durfte Meinungen äußern, wenn auch der Vater bei deren naiver, aber nicht unsympathischer Uebcrheblichkcit ein Zucken der Mundwinkel, ein satanisches Grinsen in den kühlen Augen nicht immer unterdrückte. In der Fabrik war cs mu dein Jungen nichts gewesen. In der Militäranstalt tat er gul. Das Warten und Herumstehen vor Tisch wurde den Mädchen unendlich langweilig, die Prachialbums durften sic nicht anrühren, und es herrschte jenes Familien- schweigcii, das ein Zeichen von Distinktion und Abwesen heit der Herren ist. Höchstens, daß Frau Nuberlus, nach dem sie die Töchter mit kurzem scharfen Seitenblick gc- ! mustcrl, irgend etwas an ihnen nicht recht fand. Dann wurde nach Miß Hygi geklingelt, die den Schaden sofort abstcllcn mußte. Die Hausfrau machte Filet, ihre vielen Ringe funkelten an den fetten Händchen, die breiten Arm bänder klirrten. Das Helle krause Haar war hoch auf- -cbaut, noch weißblond. Sie halte fast keine Augenbrauen; ie drückte sich spitz und gewählt aus. Ihre Kleider aus rstcn Geschäften, der Mode immer voraus und sehr gern ins Paris, woran sie glaubte, überlud sie immer noch clbst mit Schleifen und Broschen; sie trug sie maje- äüsch wallend. Ihr volles Gesicht ging schon aus der "iorm. Aber sie plagte sich sehr, gemessen aufzutreten, ob- chon sie innerlich leicht wütend wurde, sich schnell be eidigt fühlte. An den großen, ebenfalls hypermodernen liaum schloß sich eine Flucht von Zimmern, aufs teuerste ingcrichtci, vollkommen seelenlos, blitzblank gehalten, ge hont. Abends mußten alle Möbel überzogen werden. -ling etwas zugrunde, gab es Sturm im kleinbürger- tchsten Sinne. Die Daisy-Grete machte sich über diesen Prunk »»- erschäml lustig. Muthe empfand gegen ihn eine tiefe Ab- cigung. Sogar das Gewächshaus, eines der schönsten im eichen Viertel, konnte sie nicht leiden. Hier regierten die arten, grünen Pflanzen, die wandelloscn: Orchideen, iamelien; konstruierte Gewächse, die unsympathisch blüten. jemals durfte etwas angefaßt oder gar abgepflückt vcrden. Wehe, wenn ein Zweig abbrach. Gäste, gleicher .'irtung wie die Hausfrau, fanden sich hier ein, wett- iscrten an Luxus und Aeußerlichkeiten. Sie aßen in der überhitzten Luft Süßigkeiten, und sprachen so laut und viel, daß in der großen Poliere mit den kostbaren tropi schen Vögeln ein erschrecktes Piepsen und Klagen begann. ! Auch diese Vögel hatte Miß Hygi zu betreuen, war um ! sie in steter Aufregung; dazu zwei Hunpe, die schlank , bleiben mußten wie fein gebogene Striche. 'Ihre Köpfe waren ausdruckslos, ihre Taten Null. Hunger machte sie ! heimtückisch, aber sie wurden gehemmt durch Feigheit; preisgekrönt auf einer Sonderausstellung, hatten sie un endlich viel gekostet. Muthe, die Tierfreundin, fand keinen Weg zu ihnen. Das palastartige Haus, das sich Herr Rubertus mit allen Schikanen gebaut, wurde noch immer vervollkommnet. An sich lag es schön, in einem großen Garten, rechts und links noch von Wald begrenzt, altem Wald, dem das Urteil noch nicht gesprochen war. Rubertus hätte sich auf beiden Seiten ein beträchtliches Stück gesichert, das er vielleicht so lassen würde, um keine Nachbarschaft zu be kommen. Wenn man ein sehr gutes Geschäft damit machen konnte, dann auch nicht. Denn er war ein Mensch der Konjunktur. Vorderhand grünte unv dunkelte hier noch Buchcnlaub und Tanncnichattcn, würzte die Luft. Dieser Wald war Muthes Zuflucht, wenn die Eltern verreisten, nach Norderney, Aix-les-Bains, an fremde Küsten und Luxusstcktten. Dann hingen die Zügel im Hause Rubertus bedeutend lockerer. Miß Hygi atmete auf, wurde un hygienisch, genoß auch etwas das Leben. Man ging in den Wald mit einem Buch, kletterte auf die Eiche, die den netten Treppenaufstieg aus Aesten hatte, oder nistete sich ein in Gras und Blattwerk, in frischen Farrenkräutern und welkem Laub. Wohl ging die Straße nahe vorbei, und cs gab Lücken in den Hecken am Zaun. Da konnten Fahrer, Reiter und Fußgänger das hübsche Bildchen sehen, das junge Mädchen im köstlichsten Rahmen. Der prunkende Gärten bestand nur aus streng geschorenen blumenlosen Rasen, zwei Tennisplätzen mir einem siilisierten englischen Zelt, Sitzplätzen, von eleganten Schirmen überdacht, und Beelen, die zweimal im Monat Farbe und Aufbau wechselten. Wie Delikatcsscnplattcn sahen sie aus, mecha nisch zusammengestellt von Gärtnerhand, im Dienst der Schablone. Sie blieben immer ein Stückchen Stadtpark. Wenn cs mit dem Warten vor Tisch sehr lange dauerte, dann gähnte die Mutter hungrig und entrüstet. Die Töchter durften nicht gähnen. Hörte man dann endlich den Hausherrn kommen, legte sich das zu runde und zu rosige Gesicht in mürrische Vorwurfsfalten. Mit Be tonung setzte sich die Hausfrau sofort an den Tisch. Ge betet wurde nicht. Jede Mahlzeit war Staatsaktion, sehr wichtig. Zwischen dem schönen Service standen Tropfen, Fläschchen und Pulverschachteln. Der momentane Wechsel von Zuständen wurde beredet, gründlich und aufrichtig. Der herrschaftlich geschulte Diener verzog dabei keine Miene. Seine Bildung war vollendet. Die Mahlzeit, immer überreichlich zusammeygcstclll, wurde noch kompli ziert durch besondere Schüsseln. Sie glückten dem weib lichen Chef nicht immer. Dann wurde heftig debattiert. Das alles war Muthe schrecklich. Sie dachte an ein Butter brot im Walde, frisch gepflückte, rot leuchtende Erd- oder dunkelblaue Heidelbeeren, Vogelgezwitscher als Tisch- koilzert. Grete war feinschmeckerisch veranlagt. Wenn der I Sohn zu Tisch kam, wurde geradezu feierlich gekocht, mit j Weihe. Als sei sein Offizicrstisch der Inbegriff aller ! Köstlichkeiten. Er brachte das mit, was sie hier eine ! „Atmosphäre von großem Leben" nannten, mit ven letzten Neuigkeiten vom Hofe und aus Kreisen, Venen die ! Rulertus' bisher nur ganz oberflächlich nahe gekommen waren. Er aber wußte Bescheid in der Gesellschaft. Das alles machte die Uniform Selbst auf Grete übte sie eine gewisse Anziehung aus, bändigte ihre Frechheit. Je ungezogener sie war, desto höflicher wurde der Bruder. Muthe gefiel er unendlich, sie haue ein stattliches Tasche»- geld, von vem er gern etwas mii verbrauchte; das ehrte sie Von Rückgabe war rhie die Neve Daher betonte er bei jeder Gelegenheit: Muthe hat eine» ausgezeichneten Charakter. Der Vater hatte heute etwas Aufregendes. Aufgeweckt sah er aus, unternehmend. Die kaustische Linie trat an ihm stark hervor. Das hatten sie alle nicht gern. Zuerst nörgelte er an der neuen Speise herum, "von der seine Frau eben zum dritten Male nahm. Sie widersprach entrüstet. Hier auf wandle er sich ganz plötzlich seinen Mädchen zu, die steif dasaßen. „Muthe! Du kennst wohl einen Rittmeister von Rain- dorff?" fragte er laut, sah ihr dabei scharf in die Augen. „Nein, Papa — wie sollt ich?" „Er könnte ja eine Kusine, Nichte oder sonst was bei euch im Finishing haben?" „Hat er nicht. Ich kenne den Namen gar nicht." „Ach was? Es soll sogar vaterländische Geschichte um ihn herumspukcn. Die wichtigen Dinge, die lernt ihr eben nicht." „Ich höre Hans", sagte Muthe hastig, worauf Frau Rubertus erfreut rief: „Noch einmal servieren. Alles!" Verjüngt lächelte st? dem Sohn entgegen, der immer viel Sache mit ihr machte. „Seine ritterliche Ader" nannte sie das. „Wir sind tüchtig geritten, haben trainiert. Ent- schuldigt, daß ich staubig bin. Es ist eilig. Gibt's noch was für mich?" „Natürlich. Eine neue Art Salmi, französisches Rezept; sehr kompliziert, aber ausgezeichnet." „Nein, schauderhaft. Der reine Druckgegenstand für die Leber!" sagte Rubertus. Dann freuten sich alle an dem wilden Hunger dcs Leut nants. Plötzlich schob der seinen Teller zurück. „Ich must doch knapp leben, Donnerwetter noch mal. Knapp!" „Das tue ich nie", sprach die Mutter milde. „Man läßt sich's schmecken und gebraucht dann Kuren. Was musterst du denn die Muthe so, lieber Junge? Gefällt vir ihr neues Kleid? ES ist von der Gurner." „Die Muthe gefällt mir überhaupt, Mama. Jeden Tag wirst du hübscher, Muthe-Kind." Er starrte auf die Schwester mit einem sichtlich neuen, gewissermaßen respekt vollen Interesse. „Ra, und ich? Ich habe das gleiche Kleid an", schnappte die Daisy-Grete. „Na du. Ja also. Du bist ein anderer Typ. Es kann sein, daß du einmal interessant wirst." Hans war immer höflich. Er verdarb es mit nie manden. Aber dann ging sein Blick wieder zp 'Muthe zurück, die rosenrot geworden war vor Verlegenheit. Beinahe hätte sic etwas umgeworfen. Aber eine backfisch hafte Antwort gab sie nicht. Sie wurde ja schon bald siebzehn, fragte bloß: „Dürfen wir jetzt gehen? Um vier ist die Anstandsstunde." Herr Rubertus sprach: „Immer los. Anstand kann man nie genug haben." Als die beiden Mädchen ihre Nachtischzeremonien er ledigten, hob er mit spitzem Finger das Kinn der Aeltestcn empor, schaute ihr in die samtbraunen Augen, Vie dunkel von dem sehr Hellen Haar abstachen. Er musterte sie als Mann, nicht als Vater, zum ersten Male. Da wurde sie noch röter. Etwas Schelmerei blitzte völlig überraschend aus in dem väterlichen Blick. „Na geh, schlage Vie Augen nieder und kokettiere nicht. Daisy, vu gibst acht aus deine schön werdende Schwester." tLortlebuna lolat»