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Lopxrigbt 1936 b> ^ukvärts-Verlsq, üsrlio 3W 68 271 Nachdruck verböten. Allerlei Gerüchte machten die Gache besonders inter essant. Da war die Rede von Brodersens zurückgegangener Verlobung, von seiner Verhaftung, von dem bevor- stehenden Zusammenbruch des Angelschen Geschäfts in Verbindung mit dem Verschwinden seines Angestellten Spencer. Dann wieder hietz es, dieser Spencer sei auf der Flucht nach Verübung schwerer Verbrechen erschossen worden. Aber das alles waren sozusagen nur Arabesken, die das Bild des jungen Brodersen umrankten. Dieses Bild aber trat nun, wie auf Goldgrund gemalt, in hellster Be leuchtung hervor. Brodersen, der afrikanische Goldmensch, ein zweiter Rhodes, ohne dessen politische Begabung aller dings, dafür aber mit um so mehr rein menschlichen Zügen ausgestattet, hatte also die sämtlichen Shares unermeßlich reicher Minenfelder für ein Butterbrot an sich gebracht, nachdem er, um Züge von Komik gewissenhaft mit dem Ernst zu mischen, seine Freunde eindringlich vor dem Ver kauf an ihn gewarnt hatte. Man erzählte, daß er sich — damals schon im Besitz unermeßlicher Reichtümer — an mehr als ein Dutzend Freunde um ein Darlchn gewandt hätte, allerdings mit gänzlich negativem Erfolg. Diese Freunde konnten es nun als einzigen Vorzug verzeichnen, daß sie dadurch mit Brodersen in die Helle Rampenbeleuchtung traten. Viele von ihnen hätten gern das rollende Rad des Geschehens ausgehalten, oder doch wenigstens dessen Schwung ein bißchen verlangsamt; aber sie hatten ihm selbst einen zu starken Stoß gegeben, als sie vor der entscheidenden Wendung allzusehr für die Verbreitung der Nachrichten über die Anleiheversuche Brodersens gesorgt hatten. Die ausglcichende Hand des Schicksals verteilt in solchen Fällen die Gaben oft in unerschöpflicher Fülle. So war es auch hier. So viel Anekdoten und Witze mehr oder weniger — meist aber mehr — boshaften Charakters auf Kosten uneigennütziger Freunde und gelungener Freund- schaftsprobcn, als die man die so unzweideutig aus gefallenen Pumpversuche Brodersens bald erkannte, hatte cs seit Jahren nicht mehr gegeben. Wie «in befruchtender Frühlingsrcgen hatten sie auf Phantasie und Erfindungs gabe gewirkt. Und nun kam zum Abschluß der an Einzelheiten so reichen Begebenheiten gär noch ein Landsmann von diesem Brodersen mit Tabellen, Berechnungen und allerhand phantastisch anmutenden Zisfern, der ein besonderes Ver gnügen daran zu empfinden schien, mit mathematischer Genauigkeit zu beweisen, daß seine Gutachten auf aller- vorsichtigster Schätzung beruhten, daß aber der wirkliche Wert der Felder überhaupt gar nicht vorstellbar sei! * „So, Dick, nun schieb mal los! Ich finde ja, daß es ein starkes Stück ist. Deine Verkleidungsgabe scheint deiner Unverfrorenheit ebenbürtig zu sein. Daß du mich aber unter solchen Umständen in meinem Hause aufsuchst, möchte ich fast schon als Frechheit bezeichnen!" ,Lieber Wilkins, du verkennst tatsächlich die Situation!" „Schildere sie mir — aber kurz! Nur laß mich nicht Rätsel raten! Also zunächst: Was willst du von mir?!" „Geld!" „Wie?" „Nanu, Dick, seit wann bist du schwerhörig geworden? Du warst doch eigentlich früher recht hellhörig, sobald es sich um den Mammon gedreht hat!" „Drücke dich klarer aus!" „Schön also: ich will alte Schulden einkassieren!" „Bei mir? Daß ich nicht wüßte!" „Soso! Na, dann will ich dir mal mit dem Zeige finger ein bißchen auf das schwach gewordene Gedächtnis tippest. Erinnerst du dich an die Sache mit Angel?" „Ach, du meinst, an die Chance, die ich dir gab, zehn tausend Pfund in die Tasche zu stecken?" „Du weißt, daß wir von dem Geld nicht einen Penny berochen haben, Tommy!" „Ach ja, du erzähltest mir damals von dieser — na, sagen wir mal — dieser unglaublichen Geschichte! ES tut mir ja aufrichtig leid; aber ich pflege mich im allgemeinen für die Dummheit anderer nicht verantwortlich zu fühlen. ES kommt nicht viel dabei rauS!" „Tom! Erinnere dich bitte! Ich habe dir den Vertrag verschafft; der sollte dir, wie du sagtest, Zehntausende ein bringen." nnc „Sollte — ganz recht!, Vielleicht tut er's auch noch. Leider aber ist die Sache noch nicht ganz reif. Der End- kämpf mit Angel steht immer noch aus. ES ist mir übrigens unNar, daß dein früherer Ehef so lange durch halten konnte. Hast du dafür eine Erklärung?" „Latz mich mit Angels Geschäften zufrieden. Das inter- «sfiert mich jetzt nicht, Tom! Erinnerst du dich an unsere Abmachungen?" „So genau, als hätten wir sie eben getroffen! Ich sagte dir damals: Für mich den Vertrag — daS Geld für -ich und deine Spießgesellen." - »Ja — und Wetter hast du mir Andeutungen darüber gemacht, daß du mich an der Geschichte beteiligen wolltest!« „So? Hätte ich das? — Ach so, du meinst An deutungen! Warum habe ich mich da eigentlich nicht klarer ausgedrückt? Andeutungen sind bekanntlich dazu da, mißverstanden zu werden!" „Tom, laß doch das! Hilf mir! Dann will ich für immer verschwinden!" „Später vielleicht, wenn die Sache geklappt hat! Ver schwinden könntest du meinetwegen schon vorher!" „Ich kann nicht warten; ich muß das Geld haben! Mir geht es sehr dreckig!" „Ach so, Tick — armer Kerl! Ja, aber warum hast du mir das nicht gleich gesagt! Soweit kennst du mich doch, daß es mir auf ein paar Pfundnoten nicht ankommt!" Wilkins griff in die Brieftasche, sortierte umständlich aus den größeren Scheinen eine Anzahl Pfundnoten heraus und reichte sie Spencer über den Tisch. „Sage mal, Tom, ist dir heute nicht wohl?" „Aber gewiß! Ich fühle mich ausgezeichnet! Warum denn?" „Seit wann bietest du deinen Freunden Trinkgelder an?" „Trinkgelder? Acht Pfund? Mein Lieber, du scheinst es noch immer sehr dicke zu haben! Du willst also nicht? — Na, schön — wie du denkst!" Ohne eine Miene zu verziehen, steckte Wilkins die Scheine wieder in die Brieftasche zurück. „Ich sehe, mein guter Tom, mit dir muß man anders reden. Also kurz: Ich brauche sofort tausend Pfund!" Wilkins lachte: „Drollig! Ich auch, kann ruhig auch mehr sein! Weißt du nicht einen Dummen, der sie uns gibt?" „Mein Lieber! Deine Späße sind abgeschmackt — und vor allem gefährlich für dich! Du willst mich, wie es scheint, nicht verstehen!" „Irrtum, Dick! Ich habe dich doch im selben Augen blick schon verstanden, als du zur Tür hereinkamst und ich dein liebes Gesicht schließlich wiedererkannte. Du möchtest dein altes Gewerbe nun auch an mir mal ein bißchen erproben; leider bist du nicht vor die rechte Schmiede ge gangen. Du versuchst deine Künste, juristisch ausgedrückt, sozusagen mit untauglichen Mitteln am untauglichen Objekt!" „Subjekt — Subjekt, Tom! Aber du weißt ja, daß ich in juristischen Dingen auch nicht ganz ohne Erfahrung bin...!" „Stimmt! Ist mir durchaus bekannt. Du hast damals den Kursus in Brighton hinter den Schwedischen Gardinen bestimmt nicht ganz ohne Nutzen absolviert!" Spencer überhörte den Einwand und vollendete den Satz: „Mir ist zum Beispiel vollkommen klar, was man juristisch unter .Anstiftung zu einem Verbrechen' versteht!" „Nanu? Wen hast du denn nun schon wieder mal angestiftet?" „Laß das dumme Gequatsche, Tom! Also los, willst du mir das Geld geben? Ja oder nein!" „Nein!" „Aha, du scheinst immer noch nicht zu wissen, worum es sich eigentlich dreht! Also nun höre! Du kennst mich: Wenn ich heute aus diesem Hause gehe ohne die tausend Pfund, mache ich der Polizei Mitteilung, daß du die Photographie des Vertrages von mir bekommen hast!" „Aber Dick? Wozu denn diese törichte Selbst bezichtigung? Das hast du doch wirklich nicht nötig. Sieh mal, auf mich kannst du dich sicher verlassen; ich werde von deinem Diebstahl damals nicht das geringste verraten. Und dann: Was heißt hier Vertrag?! Die Polizei wird der Sache weiter auf den Grund gehen und dich mit Recht fragen, wo das Geld geblieben ist, das im selben Geld- schrank gelegen hat. Und dann wirst du in doppelte Ver- legenheit kommen!" „Ich werde antworten: Geld habe ich nicht bekommen; aber ich habe von Thomas Wilkins den Auftrag erhalten, ihm den Vertrag zu verschaffen." „Dick, man merkt doch gleich, daß du kein tüchtiger Kaufmann bist. Deine fraglos vorhandenen Fähigkeiten liegen auf andern Gebieten. Jeden größeren Auftrag läßt man sich schriftlich bestätigen!" „Du vergißt, mein Lieber, daß man deine geschäftlichen Transaktionen nachprüfen wird!" „Auf neugierige Fragen der Polizei bin ich jederzeit vorbereitet; im übrigen wird eS nicht dazu kommen. Glaubst du im Ernst, daß die Polizei auf daS Geschwafel eines hergelaufenen Erpressers eingehen wird?" Dick fuhr hoch, gber noch immer bezwang er sich. „Nein, mein Junge! Man merkt, daß du schon einige Zeit aus Kapstadt fort warst; sonst müßtest du wissen, daß sich hier in der Zwischenzeit manches geändert hat. Thomas Wilkins ist heute ein Name, und sein Träger steht turmhoch über solche lächerlichen Verdächtigungen. — Erinnere dich doch mal ein bißchen, wie die Sache ge wesen ist! Bist du zu mir gekommen — oder kam ich zu dir?" „Du hast mir jedenfalls den Auftrag gegeben!" " „Weiß ich dein; besten Willen nicht mehr! Muß ich total vergessen haben! In manchen Dingen läßt mich mein sonst so gutes Gedächtnis vollkommen im Stich. Aber vielleicht hast du einen Zeugen, der mich an solch« Ab machungen erinnern könnte? Die Polizei wird bestimmt Wert darauf legen!" „Du willst also die ziemlich primitive Methode wählen, einfach alles zu bestreiten. Ich glaube, du bekommst eS fertig, selber noch an deine Unschuld zu glauben!" „Wer ist unschuldig?! Wenn du's von dir glaubst, hebe den ersten Stein! Nein, Dick. Ich schlage reumütig an meine Brust. Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms. Jetzt, wo wir beide unter unS sind, brauchen wir uns doch gegenseitig nichts vorzumachen. Aber klären wir mal den Sachverhalt weiter: Brachtest du mir nicht eines Tages so etwas wie einen photographierten Ver trag — Lieferung frei Haus? Oder habe ich ihn mir bet dir abgeholt? Ich kann mich wirklich nicht mehr auf Einzelheiten besinnen!" Spencer knirschte vor Wut mit den Zähnen. „Sieh mal, mein guter Dick: Kommt da eines Tages ein leidlich gut aussehender besserer Herr, seines Zeichens Angestellter einer Großfirma, zu mir und sagt: .Ich weiß einen herrlichen Tip. Was wollen Sie zahlen?' Ich ant- Worte, kaufmännisch wie immer: .Da muß ich erst sehen, was er wert ist.' Dabei bin ich viel zu diskret, um zu fragen: Wie haben Sie denn dieses wundervolle Schrift stück ergaunert? Lagen daneben nicht auch noch zehn- tausend Pfund in Banknoten?" „Deine phantasievolle Erzählung weist eine Lücke auf. Du hast mit dem Tip ein Vermögen erworben!" „Leider noch nicht, das soll erst noch kommen! Aber wenn schon! Seit wann ist es denn verbrecherisch, reich zu werden? Du bist ja juristisch äußerst versiert! Kennst du vielleicht einen Paragraphen km Strafgesetzbuch, der so was verbietet? Ein schlechter Kaufmann, der In formationen nicht zu nutzen versteht, die man ihm un aufgefordert ins Haus bringt, namentlich wenn sie von so ausgezeichneter Eindringlichkeit sind!" „Unaufgefordert? Du irrst!" „So? Irre ich mich wirklich schon wieder? Das macht bloß deine verdammte Nachlässigkeit, niemals Zeugen für eine Sache zu nennen!" Poller Wut sprang Spencer auf. „Jetzt ist aber end gültig Schluß! Sofort her mit dem Ged — oder..." „Warte noch einen Moment, Tick! Ich will dir noch den photographierten Vertrag zurttckgcbcn; vielleicht hast du Verwendung dafür! So, hier ist er!" Wilkins hatte mit der linken Hand unter den Schreib tischrand gegriffen und auf einen dort befindlichen Knops gedrückt. Dann zog er die Rechte heraus und hielt plötz lich einen Revolver auf Spencer gerichtet. „So. guter Tick! Laß dein Schießeisen nur stecken. Du kommst, wie schon öfter, einen Posttag zu spät!" Es klopfte. Auf Wilkins' „Herein!" trat der Diener ins Zimmer, während Wilkins noch immer den Revolver auf den verblüfften Spencer gerichtet hielt. „Robert, diesem besseren Herrn ist plötzlich übel geworden. Be- gleiten Sie ihn doch bis vor die Haustür!" In der Tat sah es so aus. Spencer war käsebleich, und der Unterkiefer zitterte. Da plötzlich brüllte er auf in ohn- mächtiger Wut: „Verfluchter Schuft! Das sollst du mir büßen! Unsere Rechnung ist noch längst nicht beglichen!" Lächelnd wandte sich Wilkins an den entsetzt da-' stehenden Diener. „Ein armer Irrer, Robert! Nehmen Sie Rücksicht auf seinen Zustand und führen Sie ihn recht vorsichtig die Treppe hinunter!" In der vom Diener geöffneten Tür erschien der Chauf feur, eine herkulisch gebaute Erscheinung. WilkinZ hatte ihn durch ein zweites Klingelzeichen ebenfalls herauf gerufen. „So, Herr Spencer! Nun kann der Vorhang wohl fallen. Sie haben Ihre Nolle in der Erprcsserkomödie zu Ende gespielt." „Soll ich die Polizei benachrichtigen, Herr Wilkins?" fragte der Diener. „Ist nicht nötig, Robert! Wozu das Aufsehen? Lassen Sie den armen Teufel nur laufen. Der findet den Weg zum Galgen auch ohne die Polizei." Von zwei handfesten Männern eskortiert, schwankte Spencer die Treppe hinunter. Dick, mit dir geht's zu Ende, du hast kein Glück mehr. Wozu das alles? — Er schwankte wie betrunken die Straße entlang, ein gebrochener Mann! . Ja, wozu das alles! Er dachte über die Erlebnisse des letzten Tages nach. Umsonst also war die Komö ie gewesen, die er Hop kins und jenem verhaßten Manne so erfolgreich vorgespielt hatte. Wie schnell war ihm der Entschluß sür de« Plan gekommen! Als er spürte, daß er bei hem Kampfe eine leichte Schramme erlitten hatte, als er den ersten Tropfen Blut bemerkte, war sein Plan schon six und fertig gewesen. Zwar Ham er einen Augenblick geschwankt, ob er nicht hinter seinem Todfeind herretten sollte, um ihn endgültig zu erledigen; aber nach dem Borsprung, den dieser bereits hatte, wäre es aussichtslos gewesen. Da war ihm eingefallen, daß Hopkins damals in Kap stadt sein ganzes Geld bei sich trug. Hätte er eS auf die Bank gebracht, würde er sicher ihn, seinen Freund Spencer, über die beste Anlagemöglichkeit um Rat gefragt haben. Also hatte er eS wahrscheinlich in seinem Zelt aufbewahrt. Und dann war ihm der Gedanke mit WilkinS ge kommen. In der Kleidung Hopkins', seit über einer Woche unrasiert, ungepflegt und verwahrlost, brauchte er eine Entdeckung nicht so leicht zu befürchten. Daß ihm von seilen HopklnS' eine Verfolgung drohte, war ebenfalls un wahrscheinlich, da man ihn nach Belgisch-Kongo geflohen glaubte und er die Bahn nicht von Broken Hill aus benutzt hatte. Er war vielmehr bis etwa fünfundsiebzig Kilometer südlich dieser Station an der Kap—Kairo-Bahn, nach Muomboschi, geritten, hatte dort daS gestohlene Pferd verkauft, war über Nacht geblieben und hatte sich mit den ihm eigenen Verkleidungskünsten, in denen er Meister war, unkenntlich gemacht. So hatte er die Fahrt nach Kapstadt angetreten. (Fortsetzung folgte