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191 Nachdruck verboten. .Doch! Ihre Feststellung ist richtig bis aus die von Ihnen gebrauchte Bezeichnung .Freunde'. Setzen Sie wenigstens das schmückende Beiwort .angeblichen' oder .früheren' davor; dann will ich Ihnen die Richtigkeit Ihrer Feststellungen ausdrücklich bestätigest.* „Würden Sie uns nun noch über den Grund dieser eigenartigen Massenkundgebung etwas verraten? Warum haben Sie sich an Ihre — Ihre angeblichen Freunde ge wandt, wenn Sie sich in so glänzender Lage befinden?" Für Brodersen war das der letzte Tropfen, der das gefüllte Faß zum Ueberlaufen brachte. „Darüber ver weigere ich die Auskunft", sagte er brüsk. Der Beamte stand auf. „Sie werden dafür Verständnis haben, Herr Brodersen, daß wir Sie unter der erdrücken den Last des Beweismaterials in Untersuchungshaft nehmen müssen." „Gewiß, das leuchtet mir durchaus einl Tun Sie bitte Ihren Gefühlen keinen Zwang anl" „Dann sind Sie also bereit, ein Geständnis abzulegen?" „Mann, sind Sie verrückt?" schrie ihn Brodersen an und lachte laut auf. Der Beamte sprang auf ihn los und brüllte ihn an: „Was unterstehen Sie sich? Wie können Sie es wagen?" Aber das Erstaunen Brodersens war so ehrlich, sein Ausruf so impulsiv und natürlich gewesen, daß der er fahrene Beamte mehr aus der künstlich gesteigerten Wut des gekränkten Uniformträgers als aus wirklicher Ent rüstung heraus brüllte. Und er beruhigte sich sofort, als Brodersen mit gewinnendem Lächeln sagte: „Verzeihen Sie den falschen Zungenschlag, Herr Kommissar! Die Worte fuhren mir gegen meinen Willen heraus. Ich be- daure sie lebhaft und bitte in aller Form um Ent schuldigung." Der Beamte sah ihn prüfend an. „Wir werden Sie bis zur Beendigung der Untersuchung in Haft behalten!" „Schön, ändern kann ich's ja doch nicht. Aber eins müssen Sie mir versprechen, Herr Kommissar: Bei meiner Freilassung werden Sie sich ebenso in aller Form und in Gegenwart Ihrer beiden Kollegen bei mir entschuldigen, wie ich dies soeben bei Ihnen getan habe!" „Wenn sich Ihre Unschuld herausstellen sollte, wird mir dieser selbstverständliche Akt der Höflichkeit ein Ver gnügen sein!" Der eine der Beamten führte Brodersen ab, der andere wandte sich an seinen Vorgesetzten: „Ein ganz ausgekochter Junge — was?" Doch der Angeredete blickte ingrimmig drein und knurrte: „Quatschen Sie kein Blech! Wir werden uns bei ihm entschuldigen müssen!" Zwölftes Kapitel Mit vieler Mühe war es Alice gelungen, sich für den Abend freizumachen. Sie hatte vorgegeben, mit einer Freundin zusammen ein Konzert zu besuchen. Als sie den Vorraum der „Tivoli-Music-Hal" betrat, kam ihr Heinz Wilke entgegen, der sie erwartete: „Ich komme nur, um Ihnen mitzutcilen, daß ich rechtzeitig dort sein werde. Sie können vollkommen beruhigt sein. Ver lassen Sie sich fest aus mich!" Er verabschiedete sich und verschwand. Alice verließ den Raum, den sie soeben erst betreten hatte, sofort wieder, - nachdem sie sich überzeugt hatte, daß der Chauffeur ab gefahren war. Es war ihr in der Tat eine große Be- ruhigung, daß sie den jungen Deutschen noch vorher ge sprochen hatte. Sie fuhr mit der Trambahn nach Ronde- bosch. Tiefes Dunkel lag über der abgelegenen Seitenstraße in Nondebosch und erst nach längerem Suchen fand sie das kleine Breiterhäuschen, das ziemlich verwahrlost aussah Ein Schauder erfaßte sie, und sie wäre bestimmt wieder umgekehrt, wenn sie nicht kurz vorher mit Heinz Wilke gesprochen und gewußt hätte, daß er ganz in der Nähe weilte. Plötzlich löste sich im Vorgarten des Hauses ein dunkler Schatten von einem der Bäume. Alice tastete nach der ent sicherten Schußwaffe. Sie war fest entschlossen, von ihr Gebrauch zu machen, wenn der Bursche sie auch nur an- rühren sollte. Ob Heinz Wilke seinen Wachtposten bereits bezogen hatte? Ihr blieb keine Zeit zur Ueberlegung. Spencer trat auf sie zu: „Gut, daß Sie gekommen sind! Ein zweites Mal hätte ich mich nicht zum Narren hatten lassen. Ich habe alles beisammen!" „Geben Sie her!" Der Bursche lachte: „Denkst du, Kleine! Nein, so war das nicht abgemacht. Immer 'rein in die gute Stube! Drinnen tst's viel gemütlicher!" Er schritt voran, und wie unter einem Zwange folgte Alice. Wußte sie doch ihren jungen Freund in dem un- heimlichen Hause. Spencer zündete eine Petroleumlampe an, die den klein»« Raum notdürftig erhellte. Alice wagte nicht, sich umzusehen. Sie hielt den Blick unverwandt aus Spencer gerichtet und beobachtete jede seiner Bewegungen. Dieser zeigte aus den Tisch, auf dem er mehrere Briefe ausbreitete, stellte sich aber so, daß Alice an ihm hätte vorbeigehen müssen, um hinzugelangen. Das Mädchen ging auf den Tisch zu. „Hallo, liegenlassen! So haben wir nicht gewettet. Erst sei mal ein wenig nett zu mir!" Entsetzt sah sie ihn an. „Gehen Sie, rühren Sie mich nicht an! Geben Sie mir mein Eigentum wieder und lasten Sie mich dann fort!" „Na, sage mal, Schäfchen, was hast du dir eigentlich gedacht, weshalb ich dich herbestellt habe? Den Quark da hätte ich dir auch woanders geben können. Komm — sei lieb zu mir!" Er trat auf sie zu. Im selben Moment riß sie die Waffe aus der Tasche und richtete sie auf Spencer; ebenso schnell aber war dieser beiseitegesprungen und hatte ihr mit einem raschen Griff den Browning entwunden. Dann packte er das sich heftig sträubende Mädchen. Sie ächzte unter seinen brutalen Griffen. „Lasten Sie mich los! Lasten Sie mich los!" schrie sie laut. „Sei still, schrei doch nicht so, dummes Mädel! Das hört man ja bis auf die Straße!" Im selben Augenblick taumelte er; er hatte einen furcht baren Faustschlag ins Gesicht erhalten. Ganz benommen ließ er das halb ohnmächtige Mädchen los und sank lang sam zu Boden. In halber Bewußtlosigkeit spürte er. daß seine Arme nach hinten gezerrt, daß ihm die Hände gefesselt wurden. Mit letzter Kraftanstrengung versuchte er, sich hochzu richten. „Schnell, Fräulein Alice, fassen Sie zu! Wir müssen den Halunken an Händen und Beinen fesseln!" Das Mädchen, das zitternd dastand und umzusinken drohte, riß sich mit Macht zusammen und half, den mit Händen und Füßen wie wild um sich schlagenden Ver- brecher festhatten, bis es Heinz Wilke, der mit Stricken nicht sparte, schließlich gelungen war, ihn unschädlich zu machen. Spencer konnte kein Glied mehr rühren. „So, nun packen Sie kräftig zu! Rauf auf das Bett mit ihm. Da binden wir ihn fest! Bis morgen früh hält er schon aus; dann nimmt ihn die Polizei in Empfang!" Spencer fing an zu toben, ließ ein unartikuliertes Ge brüll hören und verdrehte gräßlich die Augen; gurgelnde Töne kamen aus seinem Halse. Alice sah angstvoll zu ihm hinüber; Heinz aber nahm gar keine Notiz davon. „Sehen Sie nach, ob die Sachen in dem Umschlag dort liegen. Ich bin überzeugt, daß der Bursche mehrere Abzüge hergestellt hat, und ich ruhe nicht eher, bis ich die Negative gefunden habe!" Spencer, der augenscheinlich die Absicht gehabt hatte, den Erstickenden vorzutäuschen, war etwas ruhiger ge worden. Die offen zur Schau getragene Gleichgültigkeit des jungen Mannes ließ ihn wohl die Nutzlosigkeit seiner Methode einsehen. „So, nun wollen wir erst mal in Ruhe die Sachen hier untersuchen." Inzwischen hatte Alice den Umschlag ge öffnet und den Inhalt zu sich gesteckt. Es waren Photo graphien des Bildes und der Briefe. „Hier ist weiter nichts. Aber halt, da hängt sein Mantel — auch nichts darin!" Das Mädchen zitterte immer noch vor Aufregung. „Wo hat der Kerl die Schlüssel zu seiner Wohnung? Die muß er doch bei. sich haben. Wir müssen sie unbedingt finden. Wer weiß, was der Strolch noch zu Hause ver- birgt!" Es gehörte keine besondere Beobachtungsgabe zu der Feststellung, daß die letzten Worte Heinz Wilkes den Ver brecher in größte Aufregung versetzten. Er versuchte, sich auf die anhere Seite zu wälzen. „Aha", rief Heinz, „er will sich umdrehen. Da werden wir sie in dieser Hosentasche vermutlich finden. Na, das haben wir bald — da sind sie ja schon!" Unter fürchterlichen Grimassen und Wutschreien des Verbrechers zog Heinz ihm ein Bund Schlüssel aus der Tasche. „So, Fräulein Alice, nun können wir gehen. Das Weitere kann ich allein erledigen. Ich werde nun zunächst mal seine Wohnung revidieren!" Sie gingen zur Tür. Heinz kehrte nochmals um und prüfte die Fesseln, zog hier einen Knoten, lockerte da eine Schlinge ein wenig, und sagte: „So, mein Junge, hier bleibst du bis morgen früh mäuschenstill liegen. Hab keine Angst, du wirst die Zeit nicht verschlafen! Ich schicke dir die Polizei pünktlich zum Wecken, damit du rechtzeitig im Geschäft sein kannst — falls man dir für die nächsten Jahre keine andere Beschäftigung vorschreibt!" Alice und Heinz gingen hinaus. „So, Fräulein Alice, jetzt müssen Sie fort. Wenn Sie sich ein bißchen beeilen, kommen Sie gerade noch rechtzeitig vor Beendigung deS Konzelts nach Kapstadt zurück!" „Mein lieber Herr Wilke! Seien Sie mir nicht böse, daß ich ich weiß nicht ich finde keine Worte für meinen Dank!" „Nicht doch, Fräulein Alice! Ist nicht der Rede wert. UcberbieS ist meine Aufgabe erst zur Hälfte gelöst. Ich muß noch den Schmuck und die Negative finden l" „O Gott, feien Sie ja recht vorsichtig! Es ist mir ein unerträglicher Gedanke, daß Sie sich meinetwegen solchen Gefahren ausiehen!" „Lassen Eie, Fräulein Alic«! Ich habe s» ein« Ahnung, I daß ich in der Wohnung noch mancherlei find« — Vieleich» I sogar den ergaunerten Schmuck!" „Versprechen Sie mir eins: Schließen Sie die Wvh- 1 nungStür hinter sich ab und lassen Sie den Schlüssel Von innen stecken!" „Aber warum so ängstlich, Fräulein Alice?" „Ich weiß nicht — vielleicht hat der Mensch Helfers helfer, die ins HauS gelangen können..." „Sie haben recht — ich verspreche es Ihnen! Nun ist es aber für Sie höchste Zeit, wenn Sie noch rechtzeitig hin kommen wollen. Wie soll ich Ihnen Bescheid geben über das, was ich in ddr Wohnung gefunden habe. ES wäre mir noch eine große Freude, wenn ich Sie restlos be ruhigen könnte!" „Geht es, daß Sie gegen halb neun Uhr bet uns zu Hause anrufen? Papa ist dann fort und die Mama liegt meist noch zu Bett. Wenn ich mit Ihrem Anruf rechnen kann, würde ich das Gespräch abfangen. Ist ein anderer am Apparat, dann hängen Sie einfach wieder an!" „Schön! Nun aber eilen Sie — und aus Wiedersehen I" „Leben Sie wohl — und nochmals heißen Dank, Herr Wilke!" Heinz schloß die Haustür aus, dann flieg er tm Dunkeln die Treppe zu Spencers Wohnung hinauf. Wie gut, daß er sich ein paarmal vorher von der Lage der Zimmer über zeugt hatte. Er stand vor der Wohnungstür und knipste seine Taschenlampe an. Sie warf ihren Schein auf ein Tür schild mit dem Namen „Richard Spencer". Das sah so ordnungsgemäß-bürgerlich aus, als wohne in der Tat nur ein kleiner Angestellter und nicht ein mit allen Hunden gehetzter Verbrecher hier. Daß niemand mit Spencer die Wohnung »eilte, hatte Heinz auf einer seiner früheren Rekognoszierungsfahrten schon festgesteltt. Da war nach dem Klingeln und nach längerem Warten eine Frau die Treppe heruntergekommen: „Wollen Sie zu Herrn Spencer? Der ist vor ein paar Minuten ins Büro gegangen. Ich sah es vom Fenster aus!" „Wohnt nicht noch jemand hier?" „Nein, niemand! Herr Spencer ist Junggeselle; e, wohnt allein!" Heinz hatte sich bedankt und war gegangen. Trotzdem klingelte er auch heute nochmals zur Vor sicht. Er wartete eine Weile. Hier der andere kleinere Schlüssel müßte zur Wohnungstür passen. Eine halbe Minute später stand Heinz in der dunklen Wohnung. ES war ihm ein unheimliches Gefühl. Der Gevanke schoß ihn» durch den Kopf, daß er nie in seinem Leben allein eine fremde Wohnung betreten hatte, und heute geschah dies nun zweimal kurz nacheinander. Blitzartig stand die Szene von vorhin wieder vor ihm; er war trotz aller Eile ein wenig spät gekommen, da er das Haus nicht gleich fand, hatte einen Mann vor sich hergehen sehen, der sich dann hinter einen Baum des Vor gartens stellte, und so war es ihm unmöglich, vorher in das Fenster der kleinen, nach hinten heraus liegenden Kammer einzusteigen, wie er beabsichtigt hatte. Er mußre sich zunächst auf das Beobachten beschränken und konnte erst ins Haus gelangen, nachdem Spencer mit dem jungen Mädchen darin verschwunden war. Heinz blickte sich um. Plötzlich schrillte ein grelles Glockensignal durch Vie Stille. Der junge Mann griff mit der Rechten die schußbereite Pistole und ließ den scharfen Schein der Taschenlampe aufblitzen. Nein, alles blieb still. Das Rasseln der Glocke im Nebenzimmer war nach wenigen Sekunden verstummt. Wahrscheinlich war es ein Wecker, den Spencer auf irgend eine willkürliche Zeit gedreht hatte. „Solch eine Schreckhaftigkeit paßt schlecht zu deinem Vorhaben", sagte Heinz lächelnd zu sich selber, denn er war wirklich heftig zusammengefahren. Halt, da ist der Schalter! Das Licht flammte auf „So, erst werde ich mir mal eine Uebcrsicht vom Operationsgebiet verschaffen." Mit schnellen Schritten ging Heinz einmal durch die kleine Wohnung, indem er überall das Licht brennen ließ. Nachdem er sich überzeugt hatte, daß er allein war. dachte er an Alices Rat. „Das Mädel hat schon recht. So, ich werde auch die Sicherheilskctte noch vorlegen. Nun aber an die Arbeit!" Das Zimmer sah ziemlich unordentlich und wenig sauber*üus. Außer einem Rauchtisch und ein paar Stühlen standen nur noch ein Schrank und ein Schreibtisch im Zimmer. Der Schrank war bis auf einen trübselig darin baumelnden alten Anzug leer. Im Hauptfach des Schreib tisches lagen Nanchutensilien, ein paar zerbissene Holz pfeifen, ein Tabackbeutel und anderer Kram. Im linken Seitenfach hatte Spencer anscheinend seine wenig appetitliche Lebensmittelversorgung. Es sah wüst darin aus und ein undefinierbarer Geruch schlug Heinz daraus entgegen. Rechts lagen ein paar Papiere und Briefe — nichts von Bedeutung. Eine läppische Liebeskorrespondenz und anderer belangloser Kram. „So, hier ist nichts weiters Heinz ging in die Schlafkammer hinüber. Dort stand ebenfalls ein Schrank, angefüllt mit alten Anzügen und Mänteln. In einer Ecke hinter dem Bett lag ein gewaltiger Haufen von schmutziger Wäsche. Sonst stand nur eine Waschtoilette mit einem zerbrochenes» Spiegel darin. In ihren Fächern befand sich ein kläglicher Rest sauberer Wäsche. Hier war auch nichts weiter. Also ergebnislos! Arme Alice! Sollte dieser durchtriebene Bursche etwa noch einen dritten Schlupfwinkel haben? In Nondebosch hatte Heinz sich am Vormittag, nachdem Spencer in von Geschäfts räumen verschwunden war, genau überzeug», daß dort nichts sein konnte.' Dort war das Mobiliar ja noch kärg- licher und Möglichkeiten zur heimlichen Unterbrtt on»g irgendwelcher Sachen gab es bestimm» nicht. (Fortsetzung lo:.n>