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Verlage zur „Weißeritz-Leitung" Nr. 111 - . Sonnabend, am 15 Mai 1937 103. Jahrgang ME Und Narzissenwiesen findet man um Bad Grund im Obcrharz . . . Alte deutsche Städte haben im Glanz der Pfingsten etwas von der Verwunschenheil Spitzwegscher Bilder. Eine Amsel sitzt über blütcnumrankter Stadtmauer bei Sonneuuntergang und singt ihren feierlichen Abcndchoral. Schwalben schieben süß zwitschernd durch spalicrobst- bcrankte Fachwerkgassen eines Werrastädtchens. Uni Rothenburgs ob der Tauber trutzhaftcu Wchrgang rankt anmutig das Spalierobst, der Stadlturm an der Schäfcrkirche ist in lila Flicdcrwolkcn getaucht, und im alten Spitalhof blüht eine mächtige Kastanie. Dinkels bühl mit seinen roten Dächern und Türmen lind Toren sicht man in den goldgelb blühenden Pfingstwicsen kauern wie ein blnmcnpflückend Mägdelein in altdeutscher Tracht. Wetzlar, die einstige Stadl des Kammergcrichl, in der ein gewisser junger Herr Wolfgang Goethe Wcrthcrgc- schichten erlebte, ist noch heute in Fliederduft und Flicdcr- biütcn vergraben, wie zur Zeit der Lotte Buff. Durch Eltville, Stadt der Blumen und des Weines, streifen fröhliche Burschen an den Pfingsttagen, wenn ans allen Winkeln Glocken und Vögel singen und die Buben Stadt lauscht. des Dichterwortes: Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nickt enden! Sonrad Haumam Bauernkinder stehen auf Frühlingswie sen und pflücken mit derben Fäustchen bunte Blumensträuße. Im Spr?ewald stehen die Buben vor ihren schiifbedeck- oer alten SchloßMauer Flieder mausen. Da steht einer in stiller Gasse untern» weißen Fliederbusch und dudelt gefühl voll auf seiner Flöte. Aus gelbem Blütenwinkel poltert wacker eine Trom pete. Die Geige schluchzt unter einer blühenden Gartenpforte beim Rosen haus, und den Klarinettisten finden wir als vierten des Musikantenquartetts in einem Rosengarten. Am Markt vereint sich das Quarten, und Frauen und Mäd chen stehen an allen Fenstern und Türen. Auf Stuttgarts Höhen muß man an einem schönen Pfingstfeiertag stehen, über diesem Meer von grünem Glanz, Wohl gerüchen und Vogcljubel. Deutsches Pfingsterlebnis. Ich bin über Weiße Sternenblümen- teppiche über den hohen Rennsteig ge wandert, habe mich wander- und wein müde auf Moselhöhen über Bernkastel in Sternenblumensilber geworfen, habe aus Heckenrosen rheinischen Burgenge mäuers über den dampferbelebten Strom geträumt und bin durch die Maiglöck- chcnwälder Thüringens um die Tauten burg geschritten. An der Mosel leuchten weiße Fliederbüsche und Helle Kerzen der Kastanien in die düstersten Winzergassen, in deren Hüttenfenster die blauen Trau ben der Glvcinien. hängen; an Kirsch bäumen angebundene Pferde schnappten ein Maulvoll werdende Frucht. Der schwere, süße Duft der Glycinien flattert auf allen rheinischen Wegen, nnd die Kirschalleen winden sich unter des Rhei nes Burgen und Reben. Unter blühenden Apfelbäumen bin ich im Maintal ge wandert am Spessartfuß und bin hin- 1er frommen Wallfahrerinnen her gen Vierzehnheiligen gepilgert, einen Balda chin von Lcrchensang und Glockengeläut zu Häupten, indes milde Madonnen aus weißem Flieder der Bauerngärten lä chelten. Liebliche Blumen blühen am Wander pfad des Teutoburger Waldes, der Kuckuck ruft, ein Silberbach hüpft im Waldtal, und ein leiser Frühlingswind Harst im wehenden Birkengezweig. An einer Brücke im Wiesental der Fränki schen Schweiz schaut der bunte Brücken heilige Nepomuk ganz verzückt zu einer Reihe Apfelbäumen hin, indes Blüten- weiß an rötlichen Dolomitfelszacken auf brandet, wetteifernd mit den riesigen Blütendomen weißer Kastanien. Noch sehe ich die Messingstirnbänder des mit seinem Wagen fahrenden JurabauLtü^in der Psingstmorgensonne blitzet^ wählend zugleich von GötzweiüsteinS Höhe "Mok- kengeläut in das>Frühlingstal hernieder braust. Und da ist eine Frühlingsnacht auf einem Burgaltan über dem Neckar, wo man verträumt den nächtlichen Früh lingsstimmen von Fluß, Wald, Berg und Goldgrün fluten deutsche Buchenwälder an sonnigen Pfingsttagen über die Berge des Weserberg landes und Kurhessens, über Thüringen Rügen und anderswo In ihrem lichten Dämmergrün, unter dem an vielen Stellen die Maiglöckchen blühen, ists immer, als ob das deutsche Waldmärchen neben dem Wanderer schreite. Der Drang, am lieblichsten aller Feste Hinauszu strömen in den Tempel der Natur, in den herrlichen weiten, »ud der Wunder vollen Nanm des Vaterlandes zu wan dern, ist groß. Es ist ein gläubiger Wille, der uns das ganze Jahr.standkräftig erhält. Wer sich noch ein emp fängliches Herz bewahr« hat für die Schönheiten, die die Natur in der Zeit der ersten Rosen den Erdenkindern auf Schritt und Tritt in überreichem Maße spendet, der sieht in der Erfüllung des Glückes der Natur das Versprechen gleichen Blühens auch für das eigene Leben — der emp findet in tiefer Bedeutung für sich selbst die Wahrbeit sche Frühllngsland und seine keuschen , ^«>2 ' Wunder; unerschöpflich ist das Erleben! Zu keiner Zeit ist Deutschland schöner als zur Pfingstzeit. Liegt sie noch dazu wie in diesem Jahre etwas frühzeitig, dann ist in Süddeulschland der reiche Blütensegen am Abklingen, während er in Norddeutschland sich in seiner ganzen Pracht entfaltet hat. Wie wenig wissen wir cs noch, wie schön dies alles ist: Satte, grüne, weiße und rosa.Frühlings landschaft. Aber cs gibt auch Menschen genug, die da wissen, was deutsches Land zu Pfingsten ist, denen eine Feiertags wanderung nach schweren Arbeitstagen innige und gcmütstiefe Verbindung mit Gott und der Welt schenkt. Menschen, denen diese beiden erlebten Tage eine Insel der Erinnerung werden für viele bittere und freudlose Tage des Jahres, Menschen, die in diesen wenigen Stunden erschauen und erfassen, was Phantasie sich nur ausdenken kann, die auf diesem Umwege wieder ein religiöses Erlebnis erhalten. Es lohnt, ihnen, den Naturtrunkenen, zu sagen, wo Dentschland zu Pfingsten am schönsten ist. Ist auch in Süddeutsch land die glanzvolle Hohe Zeit fast vor über, so prangt doch auch hier alles in dem frischen, kaum entfalteten Grün, brei ten sich hier die unübersehbaren Blüten teppiche zwischen dem saftigen Grün der Wiesen, die kurz vor der Mahd stehen. Je weiter »bir nach Norden gelangen, desto voller sind die Bäume noch von der weißen und rosa Blütenpracht. Nord- deutschland zeigt sich um diese Zeit im schönsten Gewände. Alle Schattierungen der Farbenskala können wir hier erlebet«. Das Weiß des blühenden Kirschbaums, das zarte Grün der Birken, das satte der zu neuem Leben erwachten Nadel wälder. Bäche und Flüsse, noch bis zum Ufcrrande gefüllt, führen unwahrschein lich klares Wasser, und im Licht der Sonne glitzern die weiten Seenflächen. Aber überall finden wir das: Einen Am selsang, einen Blütenzweig, eine Blumen wiese, Jungmädel mit abendsonn-um- spieltem Blondhaar über grünes Wiesen- land schreitend, ein Mädel in bunter Tracht unterm blühenden Kirschbaum. Ueberall lachender, sonniger Frühling, deutscher Frühling . . . deutsches Pfingst- sest! Kerzenbesteckte Kastanien stehen als Blütendome und Ehrenpforte«« vor dem deutschen Pfingstland, und blühende Kirschbaum- und Apfelbaumalleen sind seine schönsten Pfade. Auf tausend Pfa- . den können wir wandern durch das deut ten Kaupen und werfen goldgelbe Dotterblumen in die vorüberziehenden Fremdenkähne als Pfingstgruß. Bauern mädchen in bunter Bauschrocktracht und weißen Strümp fen leiten in der Schwalm den Wagen über baumum- fäumte Straßen, und im Gutachtal stehen Maidlis — tieblich^anzuschauen wie ein Maiemag — in ihren bunten Bauerngärten vor ehrwürdiger Schwarzwaldhiitte und winken dem Pfingstwanderer nach, der ein gelbes Sträuß- lein am Hute, durch das ginstergoldene Tal zieht. Ginster blüte — goldne Täler; der Hirtenjunge träumt im Blü tengold von Frankenjura und Schwarzwaldtälern in den Blauhimmel. Auch Forsythia baut im Lenz goldene Zäune um Hütten und Paläste., Der Weißdorn aber spinnt schneeige Blütenhecken um vermooste Dörfer im Werra tal und zieht sich weißschimmernd an fränkischen Wiescn- hängen hinanf. Frühlingsmärchen im Polenztal des Elb sandsteingebirges. Bnnte Krokusteppiche — Frühlings zauber hart neben Schneeresten auf Alpcnwiescn, aber auch im Erzgebirge daheim um Drebach und aus einige» Knollen des seligen Pfarrers Rebentrost, die er von« sächsischen Hof vor Jahrhunderten in Gnaden verliehen erhielt, zn einem wiesenweiten Pfingstwunder verbreitet. Aufnahme: Schrammen (Mauritius) — M. Fröhliche Pfingstfahrt N