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ine use rcr au »W Beilage zur Weitzeritz-Zettung Nr. 55 Sonnabend, den 6. März 1937 l O^Iahrgang n» >er ar. »s S/s e/sin Ls^GFrs/rF^GF» Das Vitamin-Rätsel noch nicht gelöst? Wie sie das Hormon entdeckten . Ein „Zufall" revolutioniert die Wissenschaft ihre »nd von Bezwinger unsichtbarer Mächte Erhaltung Wir kennen E. Davon allgemeinen durch fehlenden Eiweibansatz. heute: Die fettlöslichen Pitamine A, D ist A das Vitamin gegen die als Folge Stosfwechselstörungen auftretende Ent- Das Wunder der Hormone. Nach vorausgrgangener Fütterung mit Hormonfleisch erhält der Axolotl die erste Hormon-Injektion. Die Hormone in Pulverform werden in winzige Fleischstiiike eingewiSelt und den Tieren vorgrlegt. Aufiiahnieii (2): Koch (Mauritius) — M. erteilt hatte, trippelte das kleine Männchen graziös zum Kathe der, Brown-Sequard war da mals schon ein Greis von 72 Jahren. Die einen waren der Ansicht, daß der alte Herr in folge seines Alters den Höhe punkt seines Wirkens längst überschritten hatte, andere wie der sahen in ihm immer noch den rastlosen Kämpfer. In der Tat sah man ihm die 72 Jahre kaum au, als er jetzt aüf dem Katheder stand. Er strahlte förmlich von einer gcsnudc» Frische. Als der kleine Professor sich zum Worte gemeldet hatte, war die Spannung sogleich wieder gewachsen, denn Brown-Se- qnard war bekannt «dafür, da» er sparsam mit seinen Worten war. Brown Scquard erklärte der gespannt lauschenden Ver sammlung, das; es seine Ge wohnheit sei, seine Forschungs ergebnisse, soweit dies über haupt möglich sei. zunächst am (6. Fortsetzung.) Daß nach dem erwähnten Experimentalvortrag Schaumanns sich nun alles auf unsere Lebensmittel stürzte und sie einer Untersuchung unterzog, ist erklärlich. Dio wirklichen und vermeintlichen Entdeckungen überschlugen sich. Dann kam der Weltkrieg. Die offizielle Medizin hatte noch keine Aenderung in ihren Theorien erfahren, weil die Vorversuche und die Erkenntnisse noch nicht so weit gediehen waren, daß sie praktisch hätten eingeführt werden können. Den Aerzten des Hilfskreuzers „Kron prinz Wilhelm" kann deshalb kein Vorwurf gemacht wer den, wenn sie noch an den alten Methoden klebten. „Wie lebst du richtig?" Den heutigen Stand der Vitaminforschung kann man in wenigen Worten folgendermassen nmrcitzcn: Als Casimir Funk das Vitamin B in der Schale des Reiskornes entdeckte, gab er ihm dcu Namen Vitamin, weil es das einzige Vitamin sein sollte, daß stickstoffhaltig sei. Inzwischen hat sich allerdings hcrausgestcllt, daß die ses Vitamin B aus drei verschiedenen Vitaminen be steht, dem Almnngsstvff, dem Erhaltungsstoff und dem wasserlöslichen Wachstnmsstoff. Da also bei der Beri beri-Krankheit, von der der Generalangriff vor 25 Jahren ansging, dieses Vitamin B fehlte, können wir heute ruhig sagen: Beriberi ist eine dreifache Mangelkrankheit. Durch den Mangel an dem Atmungsstoff treten die nervösen Störungen auf, die Lähmungen; durch den Mangel an Erhaltungsstoff, der zumeist mit dem Mangel an Atmungsstoff verbunden ist, tritt die Polyneuritis auf, wie wir sie bei den Tauben und Hühnern kennengelernt haben. Dieser Erhaltungsstoff ist nur in Wasser löslich, aber er ist von den verschiedenen Vitaminarten noch der am wenigsten durchforschte. Bei den, Wachstumsstofse sind bereits zwei Arten bekannt: das fettlösliche Wachs- tumsvitamin A und das wasserlösliche Wachstumsvita min. Um bei der Beriberi zu bleiben: das Fehlen an Atmnngsstosf hat Lähmungen hervorgerufen und das Arbeitsvermögen gehemmt. Der Mangel an Erhaltungs- stoff gefährdete die Erhaltung der Zellen und somit die Ausnutzung der Kohlehydrate, was Schwund des Gewe bes zur Folge hatte. Der Mangel an wasserlöslichen Wachstnmsstoffcn verhinderte den Bau der Zellen und gehen zn wollen, läßt sich der ganze hentige Stand der Vitaminforschung nicht besser zusammenfassen, als es der amerikanische Forscher L. S. Smith in seiner Ernäh rungslehre getan hat: „Wenn wir den menschlichen Organismus mit einem Explosionsmotor vergleichen (das allgebrauchte Bild von der Dampfmaschine ist wenig zutreffend), bilden die orga nischen Nährstoffe das Brennmaterial, das Eiweiß und ein Teil der Mineralstoffc das Baumaterial des Motors, die anderen Mineralstoffc das Schmieröl und die Ergän- zungsstoffc den zündenden Funken. Alle diese Stoffe sind für den Betrieb notwendig. Gemäß dem Minimumgesetz kann jeder dieser Stosse znm bestimmenden Faktor für die ganze Entwicklnng werden. Bei wissenschaftlichen Versuchen mag man ganz besonders die Eiweißversor- gung nnd den Kaloricnbcdarf berücksichtigen. Beim pkak- tischen Planen cnjer Diät oder des Ernährnngsbedarfes einer Familie dagegen muß cs besser erscheinen, vor allem auf eine genügende Zufuhr derjenigen Nahrungsmittel bedacht zn sein, die uns hauptsächlich als Lieferanten von den nötigen Mincralstoffen nnd Ergäuzungsstosfen be kannt sind, nnd erst danach müssen wir das eventuell noch Fehlende au Eiweiß oder Kraft durch irgendwelche geeig neten Nahrungsmittel decken. Demgemäß sollte die für die Diät verantwortliche Person vor allem für eine genü gende Zufnhr von Milch, Gemüsen und Früchten sorgen müssen; dazu können dann später Getrei- deprodnkte, Hülsenfrüchtc, Fleisch, Fett und Süßigkei ten nach Ge schmack, Börse, Verdauungs- Vermögen und Krastbedars des einzelnen hinzugefügt werden." Die Vitamin- for;chung ist. noch jung, noch harren viele Probleme nnd Rätsel ihrer Lösung. 25 Jahre Vita minforschung liegen erst hin ter uns. Wel che Wunder nnd Rätsel werden uns die näch sten 25 Jahre erschließen? eigenen Leibe zn erproben. Die Ergebnisse solcher For- schnngstätigkeit am eigenen Leibe, die er in der letzte» Zeit aber an sich gemacht habe, seien derart interessant nnd eigenartig, daß er cs für seinc Pflicht halte, seine lieben Kollegen von den Resultaten in Kenntnis zn setzen, denn cs dünke ihm- als seien diese Ergebnisse nicht un wesentlich, und wenn ein Referat darüber auch nicht auf der heutigen Tagesordnung stchc, so sei er doch über zeugt, daß er dem einen oder anderen Kollegen damit eine wertvolle Anregung geben könne. Die Spannung wuchs beträchtlich, als er nun zu dem Kern der Sache kam. Das kleine Männchen erklärte de» staunenden Kollegen, er habe an sich selbst ein Experiment unternommen, dessen Ergebnisse niemand mehr verblüfft hätten als ihn selbst, denn er habe durch eine Einspritzung von Tierhodenextralt in den eigenen Körper „einen radikalen Umschwung seiner Natur , in viel frühere Jahrzehnte, eine überraschende Zunahme von körperlicher Kraft und Steigerung der geistigen Funk tionen, Anregung des Appetits, Regelung der Darmtätig- kcit und Zunahme der geistigen Leistungsfähigkeit er reicht". Er bringe diese Erfahrung zur Kenntnis seiner ! verehrten Kollegen, lvcil er glaube, hier einen neuen, noch nicht betretenen Weg aufweisen zu können, den weiter z» verfolgen, er alle seine Kräfte einsetzen werde. Wenn Brown-Sequard gehofft hatte, mit dieser Mit teilung den Beisall dieses Zuhörerkretses zu erlangen, so mußte er sich enttäuscht sehen, denn dieser Beisall blieb aus. Wohl gab es einige, die gedankenvoll diese Mittei lung aufnahmen, und die vielleicht in der Tat einen Weg vor sich zu sehen glaubten. . Der Mehrzahl aber schien die Mitteilung ungeheuerlich, unglaubwürdig und phanta stisch. Dann hätte ja Brown-Sequard das Rezept des ewigen Lebens gefunden, hätte den Tod schachckatt gesetzt! Solche und Ähnliche Bemerkuügen flögen wirr durchein ander, und die »leisten waren fest davon überzeugt, daß es sich hier uni ein typisches Zeichen der Altersverblödung handle. Als der Redner das Pult verließ, erklang in den Hinteren Reihey ein "nniißverständliches kvöttisches Lachen. ' '' . Hier irrte Virchow Als Professor Brown-Sequard in der Pariser Sor bonne verlacht wnrdc, tat man ihm bitter unrecht. War er mit seinem frischen, blühenden Aussehen nicht selbst der lebende Beweis für seinc Behauptung? Wenn diese Herren, die da lachten, nur etwas besser in der Geschichte der Medizin Bescheid gewußt Hütte«, hätten sic vielleicht das Lachen unterlassen. Denn das Experiment, von den; da Brown-Sequard sprach, hatte ja auch Plinius der Aeltere schon von den alten Römern (wenn auch in pri mitiverer Form) geschildert, und um das Jahr 1000 (also säst WO Jahre früher) hatte der spanische Ar^t Albneasis Schaf- und Fnchshodcn für dcu gleichen Zweck empfohlen. Es ist das Eigenartige an der Geschichte der Medizin, daß Erfahrungen, die Jahrtausende früher schon vorhanden waren, restlos vcrlorcngmgcu und erst in viel späterer Zeit unter großen Mühen wieder an-dds Tageslicht be^ fördert werden. Schon Hippokrates dinc Humoral Lehre ausgestellt, die von vier Kardinalsäftcn des Körpers zu berichten wußte, und damit war man unserer modernen Lehre von den Hormonen wesentlich näher ge kommen, als die Medizin in den folgenden zwei Jahr tausenden ahnte. Es dauerte mehr als zwei Jahrtausende, bis wieder einmal ein Arzt ans diese alte Humoral Lehre znriickgriff. /Fortsetzung folgt.) artuug der Bindehaut und befindet sich vor allem im Lebertran, in den meisten grünen Genmsen, in vielen Früchten, auch im Fleisch; D, das antirachitische Vitamin, das vor allem im Lebertran enthalten ist; E, das Anti- sterilitätsvitamin, das in pflanzlichen und tierischen Orga nen, besoilders in Getrcidekeimlingcn vorhanden ist. Von den wasserlöslichen Vitaminen wurde B l von dem hol ländischen Arzt Eijkman als antincnritisches Vitamin gegen die der Beriberi ähnliche Mangelkrankheit in den Reisschalen gesyndcn; das Wachstnmsvitamin B2 ist vor allem in der Bierhefe und in frischem Gemüse ent halten. Das antiskorbutische Vitamin C findet sich wieder in Getreidekeimlingen, in Gemüsen nnd Früchten (vor allem in der Zitrone), von tierischen Produkten ist vor allem die Milch reich an Vitamin C, außerdem findet man es im Mnskelfleifch, in der Niere und der Leber, nicht dagegen im Hühnerei. Der zündende Funken Ohne auf die Auswirkungen und die medizinisch- praktische Bedeutung dieser einzelnen Vitaminarten ein- Die Bedeutung der Hormonlehre hat in den letzten zehn Jahren unser ganzes medizinisches Weltbild grund legend gewandelt. Mit der ^Entdeckung der Hormone wurde eines der geheimnisvollsten Siegel gesprengt, die die tiefere Kenntnis von dem Wundcrbau der Welt ver sperrten. Ihre praktische Ausnutzung steht im Begriff, nicht nur unsere ganze Medizin umzuformen, sondern auch weite Gebiete des Lebens reformierend zn durch dringen. Der Weg zur Hormon-Erkenntnis gehört zu den bcdeittungsvottsten und interessantesten Entdeckcrroma- ncn der Medizin. Ein Professor wird ausgelacht Es war im Jahre 1889 zu Paris. Die Biologische Gesellschaft, die in der altbcrühmten Sorbonne ihre Sitzungen abhielt, hatte einen großen Tag. Aus allen Teilen Frankreichs waren Fachlente herbeigeströmt, Me diziner, Biologen, Physiologen mit mehr oder minder be rühmten Namen. Allein Anschein nach war man auf der« medizinischen Gebiet wieder ein beträchtliches Stück weitergekommen, denn die Themen, die ans dem Pro gramm standen, deuteten schon auf einen gewissen Fort schritt hin. ' Aber so interessant diese Referate auch waren, die die verschiedensten Gelehrten vortrugen, es war kaum etwas dabei, was das Interesse über das gewöhnliche Maß hinaus in Ansprucy nahm. Schon war das letzte Referat beendet, als der Vorsitzende an die Versammlung die Frage richtete, ob einer der Herren'Kollegen noch eipe Mitteilung zu machen habe. Sekundenlang schien es, als ob diese Frage. wiL-gewöhnlich, eine reine Formsache ge wesen sei, aber plötzlich wurde mitten in der Versamm lung ein Arm erhoben zum Zeichen, daß noch einer der Herren zu sprechen wünschte. Es war der Forscher Char les' Edouard Brown-Sequard, der sich zum Worte gemeldet hatte, einer der bekannteste» Physiologen jener Tage. Als der Vorsitzende ihm das Wort