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l/rdsderreodtsseNutr: O. M. d. U.» Vvrllo 8HV 68 Nachdruck verboten. „Ich habe die Pflicht, Ihnen auf Veranlassung von Herrn Direktor Leuchner mitzuteilen, daß Sie^von heute an auf unbestimmte Zeit beurlaubt sind. Das Gehalt wird Ihnen weitergezahlt!" sagte Prokurist Lendwig mit seiner knarrenden, immer ein wenig spöttisch klingenden Stimme. Ohne ein Wort zu erwidern, legte Klaus den Hörer wieder zurück, verschloß seinen Schreibtisch und ging dann mit starren, unbeweglichen Mienen aus dem Zimmer hin aus. Auch für Lore Haller fand er kein Wort. „Für unbestimmte Zeit beurlaubt", murmelte er vor sich hin, während er langsam und fast mechanisch durch die Straßen der Stadt schritt. „Für unbestimmte Zeit be urlaubt, das bedeutete, daß man mich im Verdacht hat. Daß man mir zutraut, die Kalkulation gestohlen zu haben!" 17. Kapitel „ Von hier aus ist noch zu berichten, daß wir Sie sehr vermissen, liebes Fräulein Christa. Sogar der kleine Max hat sein verschmitztes Lächeln eingebüßt, seitdem er nicht mehr di» größte Milchflasche herausfinden muh. Er balanciert lange nicht mehr so lustig wie sonst die Gänge entlang und ich habe schon verschiedene Seufzer auf gefangen, die alle Ihre Abwesenheit beklagten." „Auch die kleine Loge im Opernhaus hat von nun an einen freien Platz mehr und ich kenne jemand, der nicht mehr mit dem gleichen Genuß hingeht wie früher." Versonnen ließ Christa das Vriefblatt sinken. Es sind liebe, wohltuende Zeilen, die ihr Just Ooerland geschickt hat. Worte, die die Erinnerung an daheim wieder auf wühlen, die sie bisher mit aller Kraft unterdrückt hat. Langsam sah sich Christa in ihrem neuen Reich um. Es ist nur ein kleines, bescheidenes Zimmerchen, das sie nach langem llmhersuchen gefunden hat. Aber es hat den Vor teil der Sauberkeit und Billigkeit und Christa, die noch eine ganze Zeit im Hotel gewohnt hat, muß jetzt endlich einmal Ordnung in ihre Eeldoerhältnisse bringen. Nachdenklich nimmt sie an dem kleinen Tisch Platz und läßt ihre Gedanken wandern. Nein, heute hat sie keine Furcht mehr davor, es ist eine große, abschließende Bilanz, die sie damit vornimmt. Gleich am ersten Tage ihrer Ankunft hat sie Klaus ge troffen, hat ihn dann gesehen, wie er Arm in Arm und in innigem Bertrautsein mit Lore-Haller durch die Straßen der Stadt ging. Sie hat dann noch einmal vor der Firma gestanden, aber da kam er wieder mit seiner blonden Mit arbeiterin daher und Christa hat nicht den Mut gefunden, ihn anzusprechen. Da hat sie es aufgegeben und sich damit abgefunden, daß sie in dem Leben von Klaus keine Rolle mehr spielt. Daß seine Gedanken jetzt der anderen gelten. Aber es hat weh getan und Christa schaut auf ihre schmalen Hände hinab, die in der Stille der Nacht so oft verkrampft wurden In heißem Schmerz. Ein paarmal ist ihr der Gedanke gekommen, Lore Haller aufzusuchen, aber dann hat sie es doch unterlassen. Weiter ziehen ihre Gedanken, endlose Tage entlang, die alle grau und trostlos dahinglitten und von denen jeder einen kleinen Zipfel ihres großen Schmerzes mit hinein in das Meer der Ewigkeit nahm. Tage, die sie allmählich ruhiger werden ließen und die ihr schließlich die Freude an der Arbeit zurückgaben. Ihre geliebte Wbeit! Christa, hat so jäh alle Brücken zu Klaus' abgebrochen, daß sie sich nicht einmal seine Briefe au- Berlin nachschicken läßt. Sie werden als unbestellbar zurückgqsandt. So weiß sie auch nicht, daß Klaus oft in heroorbrechender Bezweiflung, bedrückt von der Last der Untätigkeit in den Straßen Kölns umherirrt und daß er schon ein paarmal an Christas neuem Arbeitsplatz vorbei gekommen ist. So wäre sie sicher wieder ins rechte Gleis gekommen, wenn nicht die Briefe von Just Overland gewesen wären. Diese Briefe, die eine solche Zartheit und Behutsamkeit ausströmten, die Christa bei dem so arbeitsbesessenen Just Ooerland nicht vermutet hätte. Und zwischen all den gleich- gültigen und belanglosen Mitteilungen klang immer wieder die Frage hindurch: „Wann kommen Sie wieder zurück? Spüren Sie denn nicht, daß wir Sie hier brauchen, daß ich Sie ersehne?" Ein leichtes Klopfen schreckt Christa hoch. Als sie antwortet, tritt ihre rundliche Wirtin, Frau Ludwig ins Zimmer, die jeden Tag aufs neue erstaunt ist, daß ihre Mieterin so selten das Haus verläßt. „Aber Fräulein Lindner, Sie sitzen ja schon wieder zu Haus? Ganz blaß und schmal sehen Sie schon aus. L-H ist aber auch nichts für einen so jungen Menschen, den ganzen Tag im Geschäft und abends sitzen Sie auch noch iin Zimmer herum. Sie sollten an die frische Luft gehen, a'bxr schleunigst!" Nun muß Christa doch ein wenig lächeln. Die gut mütige, polternde Art tut ihr unsagbar wohl. Sie hat ja sonst keinen Menschen, der sich um sie kümmert. „Wenn ich an meine Tochter denke, die geht auch ins Büro, aber abends ist sie regelmäßig an der frischen Luft!" „Sie haben eine Tochter, Frau Ludwig?" Christa will nicht unhöflich erscheinen und so zwingt sie sich zu dieser Frage. Aber damit hat sie dem Redestrom der Wirtin die Schleusen geöffnet. All der große, mütterliche Stolz auf die Tochter klingt jetzt aus ihren Worten. „Ja, meine kleine Heti und die ist eigentlich immer unterwegs. Einmal in der Woche im Ruderklub, ein mal " sie erschöpft sich in Aufzählungen. „Das ist ja sehr schön, aber ich habe noch keinen rechten Anschluß gefunden. Ich bin wohl auch noch zu kurze Zeit hier!" Christa ist mit ihren Gedanken noch immer nicht ganz dabei. Sie flattern wie aufgescheuchte Vögelchen um Just Ooerland herum. Sie steht sein kluges Gesicht vor sich, seine Hellen Augen, die sie stets voller Güte anblickten und mit einem Male steigt der Wunsch in ihr auf. „Wenn er doch jetzt hier wäre. Wenn ich doch jetzt seine Stimme hören könnte!" „Wissen Sie, Fräulein Lindner, ich glaube, meine Tochter geht ein wenig an die frische Luft. Wollen Sie sich diesem Spaziergang nicht anschließen?" Es wäre töricht gewesen und hätte die Wirtin ver stimmt, wenn Christa dieses freundliche Angebot ab geschlagen hätte. Außerdem sagt sie sich selbst, daß die frische Luft ihr guttun wird, denn sie ist in der letzten Zeit kaum herausgekommen. Die kleine Heti Ludwig ist ein zierliches, feines Kerl chen, dem beim ersten Sehen Christas ganze Sympathien gehören. Sie haben sofort gemeinsame Berührungspunkte gesun den, und gehen bereits munter plaudernd die Straße entlang. „Ich wollte Sie schon neulich um Ihre Begleitung bit ten!" gesteht die kleine Heti dann. „Aber Sie machen einen so verschlossenen Eindruck, daß ich das Gefühl hatte, als wenn Sie das Alleinsein ersehnten!" Bei ihren Worten sah Christa sie erstaunt an. „O lala, so gut haben Sie in meinem Gesicht gelesen! Das hätte ich Ihnen kaum zugetraut!" Und noch oft im Laufe dieses Abends hat Christa Ge- legenheit, sich über ihre neue Freundin zu wundern. Die kleine Heti ist einer von den Menschen, die einen Zauberschlüssel besitzen, der ihnen sofort die Herzen der Menschen öffnet. Und aus manchen kleinen leicht hingeworfenen Bemer- üngen Christas ahnt sie ihr Leid und ihre Worte find behutsam und liebevoll wie sanfte Mutterhände. Dafür ist ihr Christa dankbar. Es tut wohl, dieses Sichgehenlassen, allen Schmerz, den sie bisher allein ge- tragen hat, vor dem mitfühlenden Herzen der kleinen Heti ausbreiten zu können. Ihr ist hinterher so leicht, als habe sie eine schwere Krankheit nun endgültig überwunden. Es war, als hab« dieses Bekenntnis gefehlt, wie der Punkt einem langen, schweren Satz. Sie gehen dann in eine kleine Konditorei, die einen ausgezeichneten Apfelkuchen führt, den Christa unbedingt probieren muß. Und Christa ist nicht abgeneigt. Sie ist über sich selbst erstaunt, aber sie hat mit einem Mgle Interesse für schönen Apfelkuchen mit Sahne, mit recht viel Sahne, wie fie dem schmunzelnden Ober versichert. Die ernste, besinnliche Stimmung ist jäh umgeschlagen, so jäh, daß die kleine Heti sich im ersten Augenblick gar nicht zürechtfindet. Ist denn das noch die stille, verschlossene Christa Lindner, in deren Augen so viel Leid stand? Ist das noch der gleiche Mensch? Nein, es ist eine ausgelassene, fröhliche Christa, ein« Christa, die wieder zu sich selbst zurückgefunden hat. Ein« Christa, die das Leid wohl gereift, aber nicht klein ge kriegt hat. Hier in diesem kleinen Cafs überfällt Christa dann ganz plötzlich die Erkenntnis: Alle meine Berliner Kolle ginnen würden sich freuen, mich wieder so froh zu sehen, wieder ganz die alte, vernünftige Christa! Und auch Just Ooerland hätte seine Freude daran! Hat er ihr nicht ein mal gesagt: „Liebes Fraulein Christ-, Ihr ausgelassenes Lachen war oft für mich die einzige Erholung eines arbeits reichen Tages!" Und diese Gedanken find es, di« die Karte an Just Overland zur Folge haben: „Ich habe mich in Köln gut eingelebt, vermisse aber ebenfalls die liebevolle Fürsorge meine» kleinen Beschützers, des sommersprossigen Max — — und ein wenig fehlt mir auch der Platz in der kleinen Fremdenloge« Ihre trotz allem zufriedene und fröhliche Arista." Heti Ludwig hat einen kurzen Gruß darunter geschrieben und Just Ooerland hat beim Lesen befriedigt aufgeatmet. Auch im Geschäft geht feit diesem Abend aller besser. Auch hier gewinnt Arista mit ihrem neu erwachten Lebensmut die Hetzen ihry Kolleginnen, die sich aNfan»» ein wenig gegen die „Neue" gesträubt hq^ben. s „Ich kann jetzt auch verstehen, daß Direktor Hehler Fräulein Lindner extra aus Berlin geholt W. Re H auch wirtlich patent. Und so kollegial, ich Mh sagen, in der letzten Zeit hat sie sich so richtig bei uns emgelKtl - Dieses Gespräch hat Christa eines Tages mitangehörr, als sie von einem geschäftlichen Gang wieder zurackkam. Und es hat ihr große Freude bereitet. Hat ihr gezeigt, daß sie nun doch den richtigen Weg eingeschlagen hat. Ueberhaupt ist das Leben jetzt ganz anders geworden. Die Tage fliegen nur so dahin als wären fie leicht be schwingte Vögelchen. Der Selon „Medi" ist der Maßgebendste der ganzen Stadt und der Aufgabenkreis, der hier auf Christa wartet, ist viel größer als in Berlin. War sie dort nur mit den Entwürfen für Kleider und Mäntel beschäftigt, so muß sie hier auch das Material auswählen, muß die Farben geschickt und geschmackvoll abtönen und wird hier wie dort zur Bedienung schwieriger Kundinnen herangezogen. Christas guter Geschmack und ihre große Umsicht er leichtern ihr diese Aufgabe und bringen es zuwege, daß schon nach kurzer Zeit sich alle Angestellten mit ihren Fragen und Wünschen nur noch an Christa wenden. Und die Abende? Ja, die verbringt Christa mehr und mehr mit der kleinen Heti Ludwig, an die sie sich sehr angeschlossen hat. Es ist eine echte, rechte Mädchenfreund schaft, die sich zwischen den beiden entwickelt. Beide sind sie frische, junge Menschen, die mit festen Füßen und offe nen Augen im Leben stehen und die später einmal gute Lebenskameraden sein werden. Auch Hetis Mutter hat ihre Helle Freude daran und bemuttert Christa wie ihr eigenes Kind. Ja, es passiert manchmal, daß Heti sich laut lachend bei Christa beschwert. „Ich wär' heute beinah zu spät ins Geschäft gekommen, weil Mutter durchaus noch deine Bluse plätten wollte und darüber meine Frühstücksbrote vergessen hatte!" Dann mischt sich in das glockenhelle Lachen der beiden Mädels der tiefe, ein wenig brummig gewordene Baß von Hetis Mutter und damit ist die Sache beigelegt. Das Leben hat wieder heitere, fröhliche Farben auf der Palette, mit denen es das finstere Grau mehr und mehr Lbertuscht. Es ist wieder eine ganz passable Angelegenheit und Sonnenstrahlen sind unendlich wichtig. ^8. Kapitel Ja, das Leben ist eine gute Sache, wie die kleine Heti so oft schmunzeln- versicherte. Und da sie Christa herzlich liebgewonnen und diese Christa in der Folgezeit mit Hellen, blankgeputzten Augen umhergeht, so fällt ihr Lieblingssatz, immer öfter. Eines Tages platzt sie in Christas Helles Zimmer mit der Mitteilung herein: „Du, Christakind, unser Geschäft unternimmt am näch sten Sonntag einen Ausflug. Du mußt auf alle Fälle mitkommen, ich hab' meinen Kollegen und Kolleginnen schon viel von dir erzählt." Aber Christa wehrt ab. „Nein, Hetilein, das wird nicht gut gehen. Und ich habe am Sonntag wirklich schlecht. Zeit. Ich muß einige dringend« Briefschulden an meine alten Berliner Kolleginnen abtragen!" - In Wirklichkeit möchte fie sich nicht in ein« Gemein schaft hineindrängen, in die fie nicht hineingehört. Aber die kleine Heti gibt keine Ruhe. „Du mußt einfach, Christa, ich habe es ja schon allen versprochen, du willst doch sicher nicht, daß ich wortbrüchig werde!" Auch Mutter Ludwig, die auf das lebhafte Stimmen gewirr hinzukommt, unterstreicht.die Meinung ihrer Tochter. „Nein wirklich, Fräulein Christa, warum wollen Sie denn den ganzen Sonntag zu Hause vertrauern. .Die Briefe laufen Ihnen nicht weg, die können Sie auch noch ein andermal beantworten!" Da muß sich Christa geschlagen geben. Und eigentlich freut fie sich auf diesen Tag, der fie wieder einmal hinein, in einen Kreis fröhlicher, luftiger Menschen führen soll. Ja, dann muß aber noch in aller Eile- das Helle SportNeid in Ordnung gebracht werden, da» schon seit ein paar Tagen auf die letzte Vollendung durch schmale Mädchen- Hände wartet. Aber es wird noch zur rechten Zeit fertig und so hat Mutter Ludwig allen Grund zu schmunzeln, al» fie den beiden Mädel» nachschaut. Die Nein« Heti trägt ein geblümte» Seidenkleid, da» ihre zierliche Figur knapp und eng umschließt. Die blond« Christa dagegen steckt in einem gestreiften Sportkleid, um das fie trotz seiner Schlichtheit so manche Kundin de» Modesalons „Medi" beneiden würde. Ein weißer Leder gürtel, der vorn mit einem großen „C" abschlteßt, bildet« den einzigen Schmuck des Kleide». Sie fahren mit der Bahn immer am Rhein entlang und das ist wohl mit ein Grund, weshalb die kleine Heti so gern die Freundin mitnehmen wollte. Christa ist in all der Zeit nicht über die Stadt selbst hinausgekommen, jetzt soll sie auch einmal das weite Land kennenlernen. „Ist es hier nicht wunderschön", fragt sie die Freundin immer wieder und in ihren dunklen Augen liegt all de» Stolz apf ihre Heimat, al» wäre nur sie ganz allein ver» antwortlich für das schöne Fleckchen Erde. Christa nickt nur und freut sich mit einem Matz, W sie Mitgefühlen ist. Ja, Heti hat recht gehakt» e» ist uw beschreib«-schön hier. Sie wird aber au» all ihrem Schauen aufagschreckt, denn ein junger Mann hat, Hetis augenblickliche Abpresen- heil ausMtzend, ssL netzen Christa an das Fenster gestellt« t. - — ! lSorW»W folgt- .