Volltext Seite (XML)
8s Nachdruck verboten. Ueberhaupr mu» er in d«r letzten Zeit sehr oft über fein Verhältnis zu Christa Nachdenken, Und bas immer, wenn ihre Briefe kommen, die er längst nicht mehr mit der gleichen Ungeduld erwartet, wie in den ersten Tagen. Ja, die er mit einer gewissen Ueberwindung öffnet, weil zwischen den Zeilen Anklagen liegen, die er nicht ent. kästen kann. Es ist eine Entsremdung eingetreten, die nicht nur durch di« räumliche Trennung bedingt ist. Eine Entfremdung, die andere Ursachen haben mutz. Und ganz flüchtig kommt Klaus einmal der Gedanke, daß Lore Haller daran nicht ganz unbeteiligt ist. Doch dann lenk er seine Gedanken wieder in ander« Sahnen. „Ich soll nach Essen fahren, zu SendemeyerLCo!" berichtet er. „Lendwig hat mir diesen Vorschlag gemacht/' Für Augenblicke schaut Lor« Haller von ihrem Block hoch. „Sie müssen sich dort gleich an den Prokuristen Mü"2r wenden!" sagt sie dann. „Äas ist der einzige, der in allen Einzelheiten Bescheid weitz. Er ist überdies mit allen Vollmachten ausgestatkt. Ich kenne die Firma von unseren früheren Verhandlungen her. Ich bin einmal mit hinübergefahren. Der alte Herr Sendemeyer ist schwer leidend und kifft seine Entscheidung nur in den wichtigsten Fällen." Impulsiv streckt ihr Klaus die Hand hin. „Wenn ich Sie nicht hätte, Fräulein Haller. Alle meine in der letzten Zeit getätigten Erfolge und Abschlüsse gehen zu SOH auf Ihr Konto!" „Sie belieben wieder einmal matzlos zu ühsrk«tten", lacht Lore auf und Klaus findet, datz sie dieses Lachen entzückend kleidet. „Sie mützten viel öfter lachen", sagt er deshalb, ohne noch einmal aus die geschäftlich« Seite zurückzukommen. „Sie müßten aber nein, das werde ich Ihnen alles heute abend verraten, denn nun sind Sie sicher neu- gierig geworden und bringen es nicht übers Herz meine Einladung abzuschlagen. Ich schlage nämlich vor, wir gehen wieder einmal zu Wiedener hinaus, Sie «Men, diese? kleine Gartenlokal, dmußen in der Vorstadt." - „So etwas nennt man Erpressung!" an^wörkt Lore. „Und Sie wissen leider zu genau, datz die Reugkrd« eine meiner größten Untugenden ist. „Stimmt nicht", meint Klaus und springt mit einem schnellen Satz aus den Schreibtisch. „Sie sind eine so voll endete, junge Dame, bei der ich beim besten Willen keine Untugenden feststellen kann!" „Aach diesem großartigen Kompliment sehe ich dem heutigen Abend mit bedeutend geminderten Befürchtungen entgegen und nehme Ihre Einladung bestens dankend an!" antwortet Lore. „Aber jetzt Schluß. Ich muß mit meinen Briefen um 4 Uhr ferftg sein, sonst kommen sie nicht mehr rechtzeitig zur Unterschrift!" , Es wird ein lustiger, vergnügter Abend, den die Beiden bann in dem kleinen Gartenlokal verbringen. Man feiert draußen das Jubiläum des zehnjährigen Bestehens. Auf allen Tischen stehen kleine, geschützte Wind, lichter, die eine äußerst friedliche Atmosphäre schaffen. Lore und Klaus haben sich in den äußersten Teil des Gartens zurückgezogen und schauen belustigt dem Treiben zu. Aber nicht allzu lange, dann schlägt die hier Herr« schende Stimmung und Fröhlichkeit auch bis zu ihnen ihr; Kreise. Der Wirt hat für sein« Stammgäste Wein eingeschenkt und nun macht die sommersprossige Kellnerin di« Runde durch den Garten. Sie kommt auch zu den Beiden. Klaus nimmt ihr lächelnd zwei Gläser ab. „Auf Ihr Wohl, schönes Fräulein", sagt «r lachend. Die fahlblonde Kellnerin kichert. „Trinken wir lieber auf das Wohl Ihrer Braut!" sagte st« dann. Klaus schaut Lore an. Aber das Mädchen sagt nichts. Nur eine kleine Röte huscht über ihr Antlitz. „Ja, dann müssen wir wohl Kinken", sagt st« leise und steht Klau» dabei, nicht an. „Ich wollt« den kleinen Scherz nicht vrrdtrben", g«. steht st« dann, al« di» Kellnerin sich entfernt hat. Gleichsam als Echo schlägt vom anderen Ende de« Gar. kn, «ine Welle lauten Gelächter« zu ihnen herüber. Man arrangiert «inen Fackelzug, der durch den ganzen Garten führen soll. Die kleinen Windlichkr werden al« Fackeln mitgenommen. „Wollen mir nicht mitgehen?" fragt Lor«, di« glän« mnd« Aug«n bekomm«» hat und auch Klau« springt er. Mut auf. „Ader natürlich!" lacht er. „Mr wollen einmal schauen, wo H« Reis« hingeht!" Gin dicker, wohlbeleibter Herr hat die Führung über- »ommen. Gr schlängelt sich mit unglaublicher Geschick. llHkeit du«h das Gewirr von Gtühlen und Tischen und VW dabei hell« Schrei« der Freud« au», wenn di« nach, shlmmden Pärchen, die stch fest an den chMen halten, wicht zu Mett durchkommen. " " > Auch Klaus hält Lores Hände fest. Und dann ver lassen sie mit einem Male den Garten und ,« M einen stillen, dunklen Weg herunter. Im Nu ist das Geschrei verstummt. Nur vereinzelt werden klein« Laute ausgestoßen. „Lore, liebe, kleine Lore", flüstert Klaus dicht am Ohr des jungen Mädchens. Ein wenig zuckt Lor« zusammen vor der unverhüllten Zärtlichkeit, di« au, Klaus Stimme klingt. Aber sie erwidert nichts darauf. „Es ist der Abend!" denk sie. „Di«s-r fröhliche, aus gelassene Sommerabend!" Als Klaus Lore spät abends nach Haus« begleitet hatte und langsam und besinnlich durch die still« Nacht schlen dert, da drängt stch ihm erneut die Ueberzeugung auf, daß Lore Hall«r wirklich ein liebenswertes Menschenkind ist und der beste Arbeit^amsrad. den er sich wünschen konnk. S. K«pit«l Modenschau lm Splendid-Hokl. Da nur die ersten Modehäuser der Mrdt ausstellen, ist «, «in gesellschaft lich«- Ereignis. DK lange Kette der anfahrenden Autos will nicht abreiß««. In d«m großen, weiten Saal mit den deckenhohen Fen stern hat man kleine Tischchen ausgestellt, di« vollständig besetzt stnd. Und vorn, von riesigen Scheinwerfern über- straPt, liyzt die Bühne, auf der stch schlanke Gestalten be-. wegen. Etwas weiter in den Hintergrund gedrängt hat da» begleitende Orchester Platz genommen, von grünem Laub nahezu vollständig verdeckt. An «inem der letzten Tisch« d«s Saale- sitzt Just Over, land mit seinem Stabe. Da ist vor allem d«r dicke Pro kurist Bennecke, der in d«r vor einiger Zeit stattgefun- denen Konferenz das Gelingen des heutigen Tages in so heftige Zweifel gezogen hat. Neben ihm die Hsrren Ab. teilungsleiter, Fräulein Ladwig, die ältliche, schon ein wenig ergraute Gmpfangsdqme und daneben Christa Lind, ner, auf deren Begleitung Just Overland besonderen Wert legte. Sin Wunsch, dem Christa nicht sonderlich gern nach, gekommen ist. Sie wäre, wenn man st« danach gefragt hätte, am liebsten hinten in die Garderobe gegangen, wo man zwei geschickte Hände stets benötigte. Mir es fragte sie niemand danach. Ja — und schließlich gefällt es ihr sehr gut. Als der Ansager erscheint, und mit lustigen pointierten Scherzen für Unterhaltung sorgte,- da huscht mehr al» einmal ein lustiges Lächeln über ihr Antlitz. Und Just Overland, der sie beobachtet«, hatte seine Freude daran. Als ihre eigenen Entwürfe auf der Biihne vorüber- ziehen, schaut sie stch prüfend im Saale um. Und als dis kretes Händeklatschen aufklingt, und Direktor Overland ihr anerkennende Blicke zuwirft, wird sie ein wenig ver legen. Auf der Bühne werden Abendkleider in allen Varia, tionen, mit und ohne Schleppe, einfarbig und geblümt, gerafft oder gefaltet vorgeführt. Dazu spielt das Orchester einen langsamen Tango. „Die Liebe ist wie ein Traum — ein kurzes Stückchen Glück". Dieses Lied, das Christa zum erstenmal an dem letzten Klaus-Abend gehört hat, ist jetzt zum vielgespielten Schlager geworden, überall kann man es hören. Und zugleich ist die Erinnerung an Klaus wieder da, drängend und fordernd, so gebieterisch, daß der weite Saal versinkt und Christa wieder an der Hand des Kame raden durch stille, verschlungene Wege zu gehen glaubt. „Ich hole Dich ja bald zu mir herüber, Thristakind", hört sie seine dunkle Stimme und glaubt st« fast körperlich; zu verspüren, die leichte Liebkosung, mit der Klaus über ihren Scheitel gefahren ist. „Und dabei hat er schon volle drei Wochen nicht ge- schrieben", denkt Christa und wünscht stch im Augenblick weit von hier weg. Weg, irgendwohin in di« Einsamkeit, in der es keine schmelzenden Tangos gibt, die törichte Er innerungen herausbeschwören. Sie bedauert es auch, daß die Modenschau schon heute stattfindet, daß nun all die jagende Hast der letzten Tage, die den quälenden Gedanken keinen Raum ließ, aufhört, datz st« nun Meder in da- tägliche Gleichmaß zurücksinkt. Doch plötzlich schrickt sie zusammen. Am Rebentisch hat Direktor Welzler Platz genommen und grüßt zu Christa hinüber. In der anschließenden Pause kommt er aus ein paar Wort« an ihren Tisch. „Ich habe einen kleinen Abstecher hkrher gemacht", sagt er, und reicht Direktor Overland, der ihm ebenfalls bekannt ist, die Hand zur Begrüßung. „Köln", da ist das Wort wieder, da, Christa nicht ver- tragen kann. „Köln", da» bedeutet für sie Klaus, bedeutet für sie Enttäuschung und Qual. Aber Christa ist wi« ein tapferer Krieger, der stch in «in« Schlacht begibt. „Ich beneid« Eie um Ihren Wohnort, es mutz stch wundervoll in Köln leben!" sagte sie. Sie sitzen jetzt ganz ai mliMm HM mit?" ist ehrlich erstaunt. „Vielleicht später einmal!" Jetzt st«ht Lhrista «ns Boa posten. Gleich, ja gleich wird st« angreikn. „Kennen Äe eigentlich die Leuchner-Werke in Kölns? fragt sie und legt die Händ aus das klopfende Herz. „Allerdings, Direktor Julius Leuchner ist mein beste« Freund — und die elegante Frau Reny meine beste, weM auch schwierigst« Kundin." Aus seiner Stirn bild«t stch «ine kseine Falt«. DK wähnung scheint wenig erfreulich« Erinnerungen geweckt zu haben. „Mein« erste Verkäuferin hat mir neulich -«kündigt» weil Frau Reny an einem einfachen SportAeid vier Stun den probiert hat. Denken Sie nur vier Stunde«. Sie spielt jetzt Golf mit einem jungen Mann aus der Firma ihres Gatten. Und dabei ist ste sonst eine ganz vernünftige Frau." „Sie spielt Golf?" wiederholt Christa — „mit einem jungen Angestellten aus der Firma ihres Gatten?" Eine plötzliche Vermutung schießt ihr durch den Kopf. „Golf", sagt ste noch einmal und dann so leise, daß Direk tor Welzler es nicht hören kann. „Klaus spielt ja auch Golf!" Und jetzt steht sie tapfer auf ihrem Posten und weicht auch nicht ein« Handbr«it zurück. „Misten Sie zufällig, wie der junge Mann heißt. Ich hab' nämlich einen Bekannten, der wurde erst kürzlich in die Leuchner-Werke nach Köln versetzt. Der spielte auch leidenschaftlich Golf. Es wäre wirklich ein Zufall " Jetzt ist ihr tapferes Lächeln klein und verzagt ge worden, aber Christa achtet nicht darauf. „So — so, Sie haben einen Bekannten, erwidert Direk tor Welzler und glaubt plötzlich die Zusammenhänge zu ahnen. „Ja warten Sie, ich hab' ihn einmal b«i Frau Reny zum Tee gekosfen, wenn ich nicht irre, hieß «r Wegener oder Mendener." Der Direktor schaut das junge Mädchen prüfend an. Ist dieser Herr Wegener etwa der Grund für die erhaltene Äbsage? Aber grad, wie er stch danach erkundigen will, klingen die ersten Takte eines zündenden Marschliedes aus, die änderen Herren haben ihre Plätze wieder eingenommen und die Modenschau nimmt ihren Fortgang. Aus Christas Antlitz ist der letzt« Blutstropfen ge- yichen. Sie steht mit einem Male so elend aus, daß es Just Overland auffällt und er sich mit einer besorgten Krage zu ihr herüberbeugt. Aber Christa schüttelt verneinend den Kopf. „Nein, danke, es ist wirklich nichts, nur ein wenig Kopfweh, die üuft hier" — sagt ste in leiser Entschuldigung. „Es spielet Golf ein junger Herr. Er spielt galant und flirtet sehr, mein Kind, ja, das gehört zum Spiel, das nimm nicht tragisch, das wär' zuviel/ Na, sind denn die Musiker plötzlich wahnsinnig geworden? Was spielen ste denn da? Wie kommen sie auf das Li«d vom Golf auf den Flirt aus . „Kennen Sie das Lied, das die Kapell« km Augenblick spielt?" fragt^Christa die ältliche Empfangsdame, die an Heer linken Seite fitzt. Aber diese schüttelt ein wenig ge- kränkt den Kopf. ,„Jch kenne überhaupt keine Schlager!" „Es ist das Segellied, Fräulein Lindner", antwortet an khrex Stelle der flott« Herr Wiedelof, den sein« Tätig- keit als Einkäufer viel herum führt und der stch in alle« Schlagern der Welt auskennt. Da atmet Christa wie befreit auf. „Dank schön", sagt st«. „Also, da- S-geNied." Just Overland hat den Vorfall mit aufmerksamen Augen verfolgt. Ihm ist nicht entgangen, dich Christa wi« von einer schweren Last befreit aufatmet und er bringt dieß» Aufatmen in Zusammenhang mit der soeben stattgefnnde- nen Unterredung. Aber er ahnt nicht, daß es Direktor Welzler wär, der ihm sein« tüchtige Mitarbeiterin weg» holen röollk, und so bewegen sich sein« G«d«nkn in gang falschen Bahnen. In einer Richtung, di« ihm nicht son derlich genehm ist. — Aber nach kurzer Zeit hat er es vergessen. Das ist am Schluß der Modenschau, al, seine Sekretärin frruda. strahlend mit dem gefüllten Beskllblvck erscheint. „Siebenundneunzig Kleiderbestellungen und vierund- vierzig Mäntel. Die Morgenkleider, Strandanzüge und Abendjacken habe ich noch gar nicht mitgezählt", ver kündet ste. Just Overland strahlt. Das ist ein Erfolg, der sein« Erwartungen weit übertroffen hat. Mn Zeichen, daß seine Modelle gefielen. Und mit ihm freuen stch all« daran B«- teiligten. Sie haben jeder ihr kleine» Teilchen dazu bei getragen, daß dieser große Erfolg erwachsen konnte. Sie alle haben ein Recht, stolz daraus zu sein. Nur Christa steht dabei und auf ihrem klaren Gesicht liegt nichts von d«r jubelnden Freude der anderen. Mit «inem kleinen, leeren Lächeln sagt si« Kik vor sich hixl „Und Klau-spklt Golf..." 10. Kapltel „Fräulein Haller, Fräulein Lor« Haller, da bin ich wieder. Dank Ihrer gukn Ratschläge mit einem aus gezeichneten Abschluß, an dem sogar unser liebenswerter Vorgesetzter, Herr Prokurist Lendwig nichts aussetzen kann." Bei dem Klang der frischen Männerstimme hat stch Lore Haller erstaunt umgesehen, und schaut nun direkt hin ein in ein strahlendes Antlitz, in ein paar lachende Augen, die Klaus Wegener gehören. lForisedung soig« )