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Videderrsedts-evul»: Luk«»rl»-V«rl,g 8. m. I>. N., Ve-Ilo 8,V 6S 7j - Nachdruck verboten. „Was sagen Sie dazu, Bennecke, werden wir es noch fchafstn? Wir müssen einfach, sonst notieren die anderen Firmen die ersten Aufträge und Bestellungen und wir Haben das Nachsehen. Wenn wir zur Herbstmodenschau erst mit unseren Modellen herauskommen, und wenn sie auch besser sind, als die jetzt gezeigten, so ist doch der Rahm von der Milch schon abgeschöpft. Auherdem ich habe volles Vertrauen zu Fräulein Lindner, ihre anderen Ent würfe waren tadellos und werden bestimmt Aufsehen er regen." Der wohlbeleibte Prokurist strahlt. Die blonde Christa Lindner ist eine seiner liebsten Angestellten, er hat eine kleine Schwäche für sie und von ihrer nie versagenden Kameradschaft ist er begeistert. Nur hat er bis jetzt gefunden, daß Just Overland nicht in genügendem Maste diese Tatsache anerkannt hat, aber jetzt scheint es der Fall zu sein. Dabei ahnt er nicht, wie oft die Gedanken seines ge strengen Vorgesetzten schon die Richtung Christa Lindner cingeschlagen haben. „Fräulein Lindner schafft es bestimmt, und es kommt auch etwas Gescheites dabei heraus", schmunzelt er mit allem Nachdruck, den er Just Overland gegenüber anzu bringen waot Drüben im Zetchen,aal aver sitzt Christa Lindner und hält den blonden Schopf tief über das Zeichenbrett gesenkt. Sie ist ein klein wenig froh, dah das Erscheinen von Just Overland sie aus dieser besinnlichen Stimmung, die heute im Geschäft herrschte, gerissen hat. Arbeit ist für sie bis jetzt immer das beste Mittel gegen all die beunruhigenden Klaus-Gedanken gewesen. Und sie fühlt wieder einmal so recht, dah sie hier einen Platz hat, den sie mit ganzer Kraft ausfüllen kann.' „Ja, man braucht mich hier", sagt sie noch einmal leise vor sich hin, während der Stift eifrig über das weihe Blatt fährt. Und dieses Bewußtsein ist ungeheuer wohltuend, es hält all die Gedanken in Schach, die immer wieder leise und lockend um den Arbeitsplatz in Köln gaukeln wollen. Und mit vor Aufregung geröteten Wangen tritt sie nach einiger Zeit hinein in das Zimmer von Just Over land, der ihr mit leiser Spannung entgegensicht. „Als erstes habe ich ein Sportkleid entworfen, das von den letzten Spätsommertagen zu den ersten kühleren hin überleiten soll", erklärt sie. „Ganz glatt, ganz streng in der Richtung, nur die vorn aufgeknöpfte Weste, die leise an die Buntheit des Sommers anklingt, ist mit zwei weihen Lederblüten als Abschluß garniert." Just Overland nickt befriedigt mit dem Kopf. Es ist wundervoll, was dicses blonde Mädchen in so unglaublich kurzer Zeit hervorzuzaubern vermag. Und dabei nichts Ueberhastetes, Verworrenes, nein, klar und schlicht in der Linie, wie alle Modelle von Christa Lindner. Man hat unbedingt den Eindruck, als habe sie dieses Modell in vielen ruhigen Stunden entworfen und nicht in knappen sechzig Minuten, ' Einen Augenblick hält er die Zeichnung prüsend vor sich hin. „Kann sofort hinauf ins Atelier gehen", bestimmt er dann. „Als Material klein gemusterter Noppenstoss. Wir haben zum Glück die ersten Probelieferungen der neuen Stoffe schon am Lager. Nach der Modenschau müssen wir allerdings eine neue Musterkollektion anfordern, aber das schadet nichts." „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie jetzt noch ein Nachmittags- und Abendkleid entwerfen würden!" sagt er dann zu Christa Lindner. „Bitte, vollkommen nach Ihrem eigenen Geschmack. Wir können getrost einmal etwas Neues bringen, nur weich fraulich im Schnitt und in der Linienführung." Er schaut das Mädchen dabei voll an, das mit leiser Spannung seinen Worten folgt Und wie vorhin, so irren seine Gedanken zum zweitenmal ab. „Sie gleicht Zi 1 um Zug dem Sonnenmädchen aus meinem Schreibt, , denkt er dabei und empfindet ein jähe» Gliicksgefühl. Es ist, als sei ihm seine Mode- zeichnerin dadurch menschlich nähergekommen. Aber Christa Lindner hat schon wieder den Raum ver lassen. Gegen ein Uhr nachts hat sie in der kurzen Zeit acht neue Entwürfe fertiggestellt, eine Zahl, die vollauf für die ersten Modelle genügt. Wahrscheinlich werden die anderen Firmen ebenfalls nur die gleiche Anzahl auf weisen können ' Aber jetzt liegt auf ihrem Hellen Antlitz ein Zug tiefster Erschöpfung und ihr« Stimme klingt matt und tonlos, als sie dem Direktor den letzten Entwurf überreicht. Trotz ihrer Müdigkeit ist auch da» letzte Abendkleid ein Elanzstück, das sich sehen lasten kann. Just Overland be stimmt dafür weißen Taft, von dem er sich eine unglaub liche Wirkung verspricht. Es ist fast das schönste Modelt der ganzen Kollektion. „Bitte, schlafen Sie sich morgen erst einmal tüchtig aus eh« Sie ins Büro kommen", bittet er das junge Mädchen und reicht ihr die Hand zum Abschied. „Vielleicht darj ich Sie jetzt in meinem Wagen nach Hause bringen?" Christa nickt nur, sie ist in der Tat zu müde, Um eine Entgegnung hervorzubringen, und der Gedanke, in den weichen Polstern heimgefahren zu werden, ist unendlich an genehm. Wie vor ein paar Tagen Goggy Schmidt, so sitzt heute Christa Lindner neben dem Steuerfitz, nur daß Goggy Schmidt bi» zum letzten Augenblick munter plaudernd von ihren Plänen und Wünschen sprach und diese Christa Lindner blaß und abgespannt in den Polstern liegt. „Sie ist ja so unendlich tapfer, dieses Sonnenmädchen", denkt Just Overland. „Man kann sich in der Tat zu allen Zeiten felsenfest auf sie verlassen." Und beinahe gerät er in Versuchung, ihr über das blonde Haar zu fahren, der Wunsch zuckt ihm hinein bis in alle Fingerspitzen, aber dann unterläßt er es doch. Und Christa sinkt, oben angekommen, mit dem frohen Gefühl, es doch noch geschafft zu haben, auf das schmale Bett. Aber sie ist ja so unendlich müde, und diese Müdig keit verschlingt die Feststellung, daß Klaus auch beute wieder nicht geschrieben hat. 8. Kapitel „Einundneunzig, zweiundneanzig dreiundnsunzig vierundneunzig Herr Wegener, vierundneunzig Angebot« auf unsere Rundfrage!" Triumphierend schwenkt Lore Haller den großen Stapel geöffneter Briefe und schaut stolz zu Klaus Wegener hin über. Die Tür zu seinem Arbeitszimmer ist weit ge öffnet, so daß sie von ihrem Platz an der Schreibmaschine seinen blonden Schopf, der so eifrig über Akten gebeugt ist, sehen kann. Auch Klaus ist erfreut aufgesprungen. Mit zwei großen Schritten steht er mitten im Zimmer und greift einzelne Blätter heraus. „Drei Mark", liest er. „Ztdei Mark fünfzig ah, da sind sogar Firmen bei, die uns einen Kostenanschlag über zwei Mark fünfundzwanzig übermitteln, Fräulein Lore Haller, ich glaube, daß wir das richtige finden wer den!" — Wie ein übermütiger Lausbub strahlt er sie an. Aber auch Lore kann ihren Uebermut kaum zähmen. „Herr Klaus Wegener", lacht sie, auf den angeschlagenen Ton eingehend, „das ist ebenfalls meine Ansicht!" Und mit einem Feuereifer stürzen sie sich über das Sichten und Aussortieren der eingegangencn Post her, daß beide nicht bemerkten, wie sich die Tür öffnet und eine schlanke, schwarzhaarige Dame erstaunt ihrem Treiben zuschaut. Sie trägt zu einem hellgrauen Sportkleid eine in der gleichen Farbe gehaltene Kappe, passende Stulpenhand schuhe und bringt einen atemberaubenden Duft in die klare Luft des Zimmers hinein. Aus der weißen Stirn fallen ein paar eigenwillige Löckchen, die sie mit einer ruckartigen Kopsbewegung ap den rechten Plqtz weist^ „Entschuldigen Sie, meine Herrschaften — —" ihre Stimme klingt dunkel und hat einen fremdländischen Akzent — „entschuldigen Sie, ich suche meinen Gatten, Direktor Leuchner." Die beiden sind erschrocken zusammengefahren. „Ähr Gatte war schon vor einer Stunde hier, ich ver mute, daß er zu der Konferenz in die Dagner-Werke ge- fahren ist!" antwortet Klaus dann, und tritt mit einer kurzen Verbeugung einen Schritt näher heran. „Aus jeden Fall werde ich unten beim Pförtner einmal nachfragen." Lr greift nach dem Hörer und hält ihn ans Ohr. Auch Frau Reny Leuchner ist Interessiert näher getreten. „Sie sind noch nicht lange in der Firma?" fragt sie, ohne zu beachten, daß Klaus seine Aufmerksamkeit im Augenblick der Antwort des Pförtners schenkt. „Wo kommen Sie her?" „Ich bin aus Berlin hierher versetzt worden!" ant- wortet Klaus und horcht angestrengt in den Hörer hinein. „Danke schön", sagt er dann. „Herr Direktor Leuchner ist also schon von einer halben Stunde weggesahren!" „Ja, gnädige Frau, da haben Sie sich leider vergeblich bemüht." Er ist näher getreten, um die Gattin seines Direktors zur Tür zu geleiten. Aber Frau Reny hat es im Augenblici ^ar nicht eilig. Interessiert mustert sie den jungen Mann. „Gesällt es Ihnen hier in Köln?" beginnt sie dann die Unterhaltung und geht mit kleinen Schritten in sein^ Arbeitszimmer hinüber. Sie finkt in den einzigen Sessel, der im Zimmer steht und zündet sich eine Zigarette an. Lore Haller hat sich leise an ihre Schreibmaschine zurück gezogen und di« Tür geschlossen. Klaus ist so überrascht, daß er nicht gleich antwortet. „Danke, es gefällt mir sehr gut!" sagt er dadn. „Ich habe inich in der kurzen Zeit mein«» Hiersein» HbchMchend gut eingelebt. Köln ist eins Mn« Stadt." '. Er sagt die» mit solcher Mrmt uNd müß dabei ackhen ersten Tag denken, an seinen Ausflug mit Lore KHtzz», i die ihm so bereitwillig ms Schönheiten der Siadt ge zeigt hat. - - i Die iunge Frau schaut interessiert den kleinen Wölkchen ihrer Zigarette nach. „Und ist es Ihnen nicht schwer «k- fallen, so einfach, aus Berlin wegzugehen?" fragt sie ihr« dunkle Stimme mit dem fremdländischen Akzent klingt erregend durch den Raum. i „Ich bjn in Südamerika geboren. Meine Eltern sind in jungen Jahren dorthin gegangen, aber mir siel es un, endlich schwer, mich hier einzuleben!" j .«Ich habe mich verbessert, meine Stellung ist hier v«z-> anttoortungsreicher, vielseitiger und das erleichtert öas ! Vingewöhnen ungemein", antwortet Klaus und schaut zM > erstenmal die Frau näher an. „Und außerdem hat Köln für mich den Reiz der Neuheit, des Entdeckt-werden- müssens!" i Das schrille Läuten des Telefons bricht in diese Unter haltung. „Entschuldigen Sie, Herr Prokurist Lendwig möchte mich dringend sprechen!" sagt er dann, nachdem er den Hörer wieder zurückgelegt hat. „Aber selbstverständlich!" Auch Frau Reny hat sich erhoben, und steht einen Augenblick dicht neben Klaus. Der schwere, betäubende Duft ihres Parfüms schlägt ihm entgegen. „Ich darf Sie ja nicht von der Arbeit zurückhalten. Aber vielleicht besuchen Sie uns einmal und erzählen mir etwas von Berlin!" Und ehe Klaus antworten kann, ist sie mit kleinen Schritten hinausgegangen und mit einem freundlichen Gruß an Lore Haller vorbei. Als Klaus das Zimmer des Prokuristen betritt, das hinaus zur Straße gelegen ist, hört er unten das Anlassen ihres Wagens. Es ist ein tiefer, brummender Laut, der hinein in die Stille des Arbeitszimmers dringt. Prokurist Edwin Lendwig ist ein Mann in mittleren Jahren, der sich mit ungeheurer Energie vom kleinen Lehr jungen bis hinauf zum Prokuristen der Firma Leuchner gearbeitet hat. Er verdankt seinen Erfolg seiner uner müdlichen Schaffenskraft, seinem steten Bereitsein, das er auch von allen seinen Mitarbeitern verlangt. Unter brechung oder Nichteinhaltung der Arbeitszeit, das sind Begriffe, die für ihn nicht existieren. In den zweiund zwanzig Jahren, die er in der Firma ist, hat er noch nicht ein einziges Mal das Haus vor fünf Uhr verlassen und ist nicht ein einziges Mal auch nur eine Sekunde nach acht erschienen. „Ich habe bereits zweimal bei Ihnen angerufen", sägt er deshalb mit einer leisen Gereiztheit, als Klaus das Zimmer betritt. „Und auch dann sind Sie nicht sofort an den Apparat gekommen?" „Ich bitte um Entschuldigung, Frau Leuchner suchte Ihren Gatten und kam deshalb in mein Zimmer. Sie hat einige Fragen an mich gerichtet, die ich notgedrungener- maßen beantworten mußte!" Klaus' Stimme ist von höflicher Korrektheit, ihm ist die Art des so überaus pedantischen Prokuristen, der so gar kein Verständnis für außergewöhnliche Situationen besitzt, nicht sehr sympathisch. „Ah, Frau Leuchner war bei Ihnen! Das ist ja recht interessant!" Wenn Klaus der ganzen Sache auch kein außergewöhn- liches Interesse abgewinnen kann, so verbeugt er sich doch zustimmend. Eine ganze Weile ist es still im Zimmer. Klaus steht noch immer abwartend an der Tür, während der Pro- lurist nachdenklich vor sich hinschaut. Er murmelt zwischen zusammengebissenen Zähnen einige Worte, die Klaus aber nicht versteht. „Ich möchte Ihnen gern die Akten Sendemayer zur Bearbeitung übergeben!" sagt Lendwig nach einer kleinen Pause. „Ihr Vorgänger ist mit den Kalkulationen nicht ganz einig geworden,. Außerdem .hat die Firma zwei ver schiedene Einkaufsberechnungen aufgestellt. Ich hoffe, daß Sie die Sache in Ordnung bringen werden." Er blättert in den Briesen und fährt dann fort. „Ja, da wird es wohl am besten sein, wenn Sie selbst einmal nach Essen hinüberfahren. An Ort und Stelle läßt sich die Angelegenheit am leichtesten besprechen. Di« Firma hat uns sonst stets zur Zufriedenheit bedient. — —" Als Klaus wieder in sein Zimmer kommt, atmet er erleichtert auf. „Das wäre auch überstanden", sagt er und saugt verwundert den leisen Duft ein, der noch immer im Raume hängt! „Fräulein Haller, Fräulein Lore Haller!" ruft er dann ins Nebenzimmer hinein, aus dem das eifrige Klappern der Schreibmaschine ertönt. „Ich habe soeben eine Ver- Warnung bekommen wegen unseres unverhofften Be suches!" Klaus hat sich daran gewöhnt, alle geschäftlichen Ange legenheiten mit der klugen, verständigen Mitarbeiterin zu besprechen und seit dem ersten Tage, da ihm Lore in freundlicher Hilfsbereitschaft die Schönheiten der Stadt zeigt, hat sich ein fast kameradschaftliches Verhältnis zwi schen ihnen angebahnt. Ein Verhältnis, das Klaus keines falls unangenehm ist. Nur wenn Briefe von Christa kommen, dann steigt ein leises Schuldgefühl in ihm aus und es ist sogar vorge kommen, daß er Lores ausdrucksvolle Züge vor sich sieht, als er Christa in seinen Gedanken heraufbeschwört. Auch in seinen Briefen wird immer öfter dev- gute Arbeitskamerad Lore Haller erwähnt und er spürt dabei kaum, daß er sich in eine regelrechte Begeisterung hinein- schreiht, di« Christa verletzen und wehe tun muß. (Fortsetzung folgt.)