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Vrkvderroolltst-ovutr: ^uk^ärls-Verlag O. vt. d. U.» korttn 6VV 66 3j ,Nachdruck verboten. „Morgen vormittag schon " fiel Molden ein. „Das wird nicht gut gehen, bis dahin werde ich noch nicht damit fertig sein!" Aber Just Overland geht nicht darauf ein. „Es wird gehen", sa^t er kurz und hat sich schon wieder einem der anderen Herren zugewandt. Es ist nahezu fünf Uhr, als auch der letzte mit sorgen beschwertem Gang das Konferenzzimmer verlassen hat. Für Augenblicke tritt Just Overland, als er allein ist, ans Fenster. Mit Behagen zieht er in tiefen Zügen die milde Frühlingsluft in seine erschöpften Lungen und schließt für Sekunden die Augen, als die Sonne ihm neckisch einige ihrer Strahlenkinder ins Antlitz blenden läßt. Noch einige Sekunden schaut er mit wachen Sinnen aus .die jungen Bäume vor seinem Fenster, die ihr erstes Grün der Sonne entgegenstrecken. Dann tritt er wieder ins Zimmer zurück, das harte Läuten des Telefons ruft ihn in die Wirklichkeit, wirft ihn hinein in die geliebte Arbeit und es ist kurz vor Mitter nacht, als das Licht in seinem Arbeitszimmer erlischt. Als Christa den Zeichensaal betritt, fällt alles wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm über sie her. „Sagen Sie, Fräulein Christa, ist es wahr, daß wir noch die Modenschau im Splendid-Hotel Das ist doch gar nicht mehr zu schaffen! Das wird ein schöner Reinfall werden!" Fragen und Meinungen schwirren nur so herum und werden mit größtem Bergniigen preisgegeben, es ist ein Lärm, daß Christa sich lächelnd beide Ohren zuhält. „Ich komme ja gar nicht zu Worte!" sagt sie lächelnd, als man sie von neuem bedrängt. „Also, meine Herrschaften, es ist wahr, daß wir uns an der Modenschau im Splendid-Hotel beteiligen. Direktor Overland hat angeordnet, daß von morgen an zehn Stun den gearbeitet werden, selbstverständlich gegen angemessene Bezahlung", lacht sie, als sie in einige langgezogene Ge sichter blickt. „Ob wir det schaffen werden in der kurzen Zeit, det wird doch sicher nichts Vernünftiges!" Max, der kleine Laufjunge ist es, der nun auch seine Meinung äußert. Ein Helles Lachen klingt durch den weiten Saal, das hinüber in das stille Arbeitszimmer von Just Overland dringt, der für Sekunden erstaunt den Köpf hebt. Nur Christa Lindner ist ernst geblieben. „Können Sie sich denn gar nicht denken, warum die Veranstalter erst so spät den Termin der Modenschau be- kanntgaden?" fragt sie und steht ihre Kollegen der Reihe nach an. „Doch nur, um die Konkurrenz auszuschaltin,' denn wahrscheinlich wissen andere es ebenso gut wie wir, daß man in der kurzen Zeit keine anständige Kollektion herbeischaffen kann. Und was ist das Ergebnis, wenn wir nicht zur.rechten Zeit fertig werden? Wir erhalten, keine Bestellungen, und wie steht es dann mit unserer Arbeitsmöglichkeil aus?" Sie hält ihre geöffnete« Hände den Kollegen entgegen, als liege darin alle Weisheit verborgen. In di« nun plötzlich eingetretene Stille klingt das WMe Lasten de» Tekfim» und- einer der H««u». meldet: Hraulein Lindner möchte t hinüber M den DeWust. raum, Kabine sechs kommen. Es handelt sich um das von < ihr entworfene Modell «Senta Schwiku'." . - . „Schwiku" heißt schwierige Kundschaft und es ist nicht selten, daß man dafür Christa Lindner ruft, die mit der ihr angeborenen Liebenswürdigkeit auszmgleichen und zu besänftigen versteht, wie keine zweite im Modehaus Ove r- land L Co. , So streift sie auch jetzt mit ruhiger Selbstverständlich keit deb weißen Arbeitskittel ab, fahrt noch einmal mit dem Kgmm über ihr blondes Haar, tupft leicht mit der Puderquaste über ihr Antlitz und geht dann in den Ver kaufsraum hinüber. Alle Räume im "Modehaus Ooerland L Co. sind mit vornehmer Schlichtheit eingerichtet. Wenn man durch die rotierende Drehtür kommend, in den Empfangsraum tritt, so hat man sofort einen angenehmen Eindruck. In ruhigem Grün ist der ganze Raum gehalten, unaufdringlich stehen «in paar Sessel aus dunkelgrünem Samt an den Wänden und in der Mitte. Dicht neben der gewundenen Treppe, die hinauf in die oberen Stockwerke führt, steht eine kn hellstem Silberton gehaltene Venus, die ihr klares Antlitz dem Eintretenden entgegenhält. Der Sockel ist aus durchsichti gem Elas, nur an den Seiten durch ein paar zierliche Pfeiler gehalten. Und hier kann man die prachtvollsten Dinge bewundern. Ein paar ausgesucht schöne Handtaschen, die in ihrem Preis weit höher liegen, als man gewöhnlich für ein Kleid bezahlt, ein Abendjäckchen aus blitzendem Straß, ein Diadem von unerhörter Kostbarkeit, und so ist es nicht verwunderlich, daß die Damen so oft in hellstem Entzücken davor stehen bleiben. Von den Kabinen kann man überhaupt nicht sagen, welchen Farbton die Wände haben. Von oben bis unten steht man nur Glas, durchsichtiges, farbige» Glas in wech selnder Reihenfolge mit der strahlenden Klarheit der Spiegel Spiegel - - deckenhohe Spiegel, die das Bild der Kunden von allen Selten widergeben. Spiegel aus dir das bunte Elas schimmernde Reflexe wirft — Als Christa sich der Kabine sechs näherte, dringen ihr bereits laute Stimmen entgegen und sie vernimmt gleich zeitig die beruhigende Stimme der Verkäuferin. „Nur einen Augenblick, gnädige Frau. Fräulein Lind ner, die das Modell entworsen hat, wird sofort erscheinen." „Eroßkampf", denkt Christa und bleibt einen Augen blick, Luft holend, an der Tür stehen, ehe sie sich hinein begibt. „Was steht zu Diensten, gnädige Frau", sagt sie dann und hat ihr strahlendstes Lächeln, das ihr sonst nur Klaus zu entlocken vermag. Eine Sturzflut von Worten prasselt nach dieser Frage auf sie hernieder. „Sagen Sie, mein Fräulein, was haben Sie sich denn bei diesem Modell gedacht. Was haben Sie gemeint, wer das tragen soll? Der Ausschnitt, schauen Sie einmal, schon der Ausschnitt ist ganz unmöglich. Diese, nach links ge zogene Rundung kann doch kein Mensch tragen. Das ist doch entsetzlich unvorteilhaft." So geht das noch eine Weile weiter. Die Verkäuferin ist mit einem bedauernden Achselzucken zu Christa hinüber und hinter dem Rücken der etwas rundlichen Kundin hin ausgegangen. Und auch Christa kann sich vorläufig nicht verteidigen, sie muß das notwendige Atemholen der Kundin abwarten, um ihr ins Wort zu fallen. „Gnädige Frau," sagt sie und ihre Stimme trieft voZ, Liebenswürdigkeit. „Gerade der Ausschnitt ist das Apar teste des ganzen Kleides. Darin liegt die Schönheit. Das würde ich auf keinen Fall ändern. Aber vielleicht darf ich Ihnen ein anderes Modell vorführen." „Ausgeschlossen, mein Fräulein, darum habe ich Sie nicht rufen lassen. Sie sollten mir Aenderungsvorschläge unterbreiten und mir hier keinen Vortrag Uber die Schön heit des Kleides halten. Einen Augenblick, bitte!" Mit raschen Schritten eilt sie hinaus, und als Christa ihr ein wenig erstaunt nachsteht, gewahrt sis in eint» der tiefen Samtsessel einen großen, schwarzen Herrn, der sich beim Anblick der Dame sofort erhebt. Man kann die Unterhaltung nicht verstehen, aber aus dem lebhaften Mienenspiel der Kundin entnimmt Christa, daß der Herr noch einmal alle Klagen bezüglich des un- möglichen Ausschnittes zu hören bekommt. Nach weiteren zehn Minuten-steht die Dame wieder vor dem hohen Spiegel der Ankleidekabine. „Mein Gatte ist der gleichen Ansicht, er meint, der Entwurf dieses Kleides zeuge von außerordentlichem Geschmack." Sie ist jetzt entschieden liebenswürdiger geworden. Die gleichen Ansichten haben sichtlich Eindruck aus sie gemacht. „Ich werde mich für dieses Kleid entscheiden," sagt fie nun rasch, ohne den Ausschnitt noch einmal zu erwähnen. " Christa atmete erleichtert auf. Dao ging ja noch besser, al» ich erwartet habe; oenkt fie. AVer ste ifd doch ' froh, äks fit Adder hinüber in den Zeichenfaak gehen kann: Das ist ihr liebster Aufenthalt, der Arbeitstisch mit dem Blick Hinaas auf ein paar grüne Bäume, di« in» Sommer mit ihrem Geäst fast den Tisch streifen. — — — Ls ist gut, daß die Arbeit mit solcher Heftigkeit aus. Christa einstürmt, so findet fie wenig Zeit, ihre Gedanken auf die Wanderschaft zu schicken, so kommt fie -nicht dazu, sich ihrem Trennungsschmerz mit aller Schmerzlichkeit hin zugeben. Des Abend», kurz vordem Einschlafen, denkt sie an Klaus, an seinen neuen Arbeitskreis, doch schon nach kurzem Sinnen ist fie in den wohltätigen Schlaf hinüber gesunken. Und mit dem ersten Wachsein beginnt die Hast des Tages, gerät fie in das Tempo dieser, bis in die letzte Faser angespannten Tage. Als Christa am anderen Morgen das Büro betritt, wird fie sofort hinunter in den Verkaufsraum gebeten. „Herr Direktor Welzler möchte Sie sprechen!", sagt die schwarzgekleidete Empfangsdame. „Er wartet schon seit zehn Minuten." ' Sehr erstaunt geht Christa in das kleine Zimmer hin über, das kurzen Besprechungen dient. Sie kennt keinen Direktor Welzler und kann sich erst recht nicht vorstellen, was er von ihr will. Als sie in das Zimmer tritt, schrickt sie ein wenig zu sammen. An dem geöffneten Fenster steht ein großer, schwarzhaariger Herr, der sich jetzt mit einer kurzen Ver beugung vorstellt. „Direktor Welzler!' Christa hat ihn gestern schon einmal gesehen, es war der Begleiter der so überaus schwierigen Kundin. „Ich büi heute gekommen, um Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten!" geht Direktor Welzler ohne Umschweife auf sein Ziel los, nachdem fie Platz genommen haben. „Ich habe gestern Ihre Entwürfe gesehen, ckcht nur da» Modell,Senta', für Vas ich Ihnen noch einmal mein Kom pliment machen möchte. Nein, , die Verkäuferin wir so liebenswürdig, mir einige weiter« Schöpfungen von Hhrer Hand zu zeigen. Und jetzt komme ich zu meinem Vorschlag- Ich bin Mitinhaber des größtest Modehauses in Köln unh möchte Sie für meine Firma rugaaieren. Ich biete Ihnen das Doppelte des hier gezahlten Gehaltes. St« sollen di« Leitung der zuständigen Abteilung übernehmen und auch sonst beratend mit eingreifen." Er schweigt einen Augenblick und schaut das Mädchen an, wie um die Wirkung feiner Worte zu prüfen. Aber Christa hat den Sinn noch gar nicht vollständ^ begriffen, sie hört nur dlk Wort Köln und es ist, als löse es automatisch eine Schaltwirkung aus — — „Köln Klaus Köln Klaus", summt es in ihrem Hirn Als sie noch immer schweigt, ergreift der Direktor noch einmal das Wort. „Sie sind wahrscheinlich erstaunt, daß meine Gattin hier gewissermaßen zur Konkurrenz kommt. Aber sie be hauptet nun einmal, daß man ln unserem Haufe nie, aber auch niemals aus ihre Wünsche einginge, und außerdem gerade das Abendkleid wurde vergessen, cinzupacken." Ein leichtes Lächeln huscht dabei über sein Antlitz. „Und wann sollte ich diese Stellung antreten?" Müh sam zwingt Christa ihre lockenden Gedanken zur Vernunft. „Möglichst recht bald sagen wir Anfang nächster Woche, wir brauchen dringend eine so erstklassige Kraft!" Der Direktor glaubt, gewonnenes Spiel zu haben. „Klaus Klaus ich bin dann in Köln bet Klaus und alles ist wieder so wie es vordem war!" Lockende Bilder, die immer wieder in alle Ueberlegungen hineinplatzen. Aber dann zwingt sich Christa energisch zur Ruhe. „Nein", jagt sie leise und beherrscht. „Anfang nächster Woche kann ich aus keinen Fall. Ich kann jetzt überhaupt nicht non hier weg!" „Schade", sagt der Direktor und erhebt sich. - Auch Christa hat sich erhoben. „Nein", sagt sie noch einmal. „Ich glaube kaum, daß ich von Ihrem Angebot Gebrauch machen werde. > Ich habe so gar keine Veran lassung von hier wegzugehen." „Schade", sagt der Direktor noch einmal. „Aber, falls Sie doch noch anderen Sinnes werden sollten, für die Dauer eines halben Jahres halte ich mein Angebot aufrecht!" Es ist eine ganze Stunde, die Christa mit diesem Gespräch versäumt hat, eine Stunde, die durch doppelte An strengung wieder eingeholt werden muß. So macht st« nur in kurzen Worten der dürren Empfangsdame, die neu gierig in der Tür lehnt, davon Mitteilung; und damit ist dafür gesorgt, daß es dem übrigen Personal nicht un bekannt bleibt. Zugleich mit der Mittagspost trägt der alte Prokurist diese Neuigkeit hinein in das ruhige Arbeitszimmer von Just Overland der erfreut auffpringt. »Paßt genau in das Bild, das ich mir von Fräulein Lindner gemacht habe!" strahlt er. Und er beschließt, seiner tüchtigsten Modezeichnerin ein paar anerkennende Worte zu sagen, ein Vorsatz, der in der Flut der erneut auf ihn einstürzenden Geschäftigkeit leider unausgeführt bleibt. So geht dieses Ereignis unter in den unzähligen Auf regungen, die dieser Tag im Gefolge hat. Dabei ruft Just Overland am Nachmittag seine Sekre tärin noch einmal zu sich. „Wie weit sind Sie mit den Vorbereitungen, Fräulein Lindner?" „Wir stecken mitten drin. Im Zeichensaal haben wir zwei neue Hilfskräfte eingestellt. Das Schneideratelier setzt alles dran, um nachzukommen. Ich glaube nein, bestimmt,^wir schaffen es, Herr Direktor!" , Heller Trotz klingt aus Christas Stimme. Sie hat ihm doch schon ein mal gesagt, daß sie es Waffe« werdrn. - ,,E» kstgut, Fräulein Andne«. Ich meinte ja nur. Wett esfüru ns ungeheuer wichtig ist, daß wir bei der Modrn» ) schau gut abschneiden!" Just överland machte dabei eine kleine, verbindlich« Handbewsgung, die Christa in den Raum bannt. Herrgott, es war doch noch etwas was er mit Christa Lindner be sprechen wollte. Aber er kommt nicht drauf. Erst als sich die Tür hinter dem Mädchen geschlossen hat, fällt ihm ein, daß er ihr «in - paar gute Worte für ihre Ablehnung gegenüber dem ver- - lockenden Angebot sagen wollte. Doch jetzt mag er sie nicht noch einmal Hereinrufen- Und so verschiebt er diese Sache auf später 4. Kapitel Als Just Overland an diesem Abend die Tür seines Arbeitszimmers hinter sich schließt, ist es nahezu zehn Uhr. Er schreitet Uber den Fahrdamm, um hinaus in seine, im Westen der Stadt liegende Junggesellenwohnung zu fahren. An der Potsdamer Straße muß er seinen Wagen ab» stoppen, gerade vor ihm ist das rote Licht aufgeflammt. Ein wenig ungeduldig tritt der Mann auf den Gashebel, die unerhörte Anstrengung der letzten Tage hat seine Nerven Uber Gebühr beansprucht. Ob sie rechtzeitig zur Modenschau ihre Kollektion fertig haben werden? Sicher Christa Lindner hat es heute noch einmal versprochen. Und er hat das GefUhl, al» könne man sich auf ihr Wort bedingungslos verlassen. Fabelhaft die Entwürfe, die fie fertlggestellt hat. I« den Abendkleidern allein liegt ein Schwung und ein« Grazie, die so leicht niemand fertigbringt. ' (Fortsetzung folgt.)