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Vettage zm „Fveißeritz- 2eit«ng" 101. Jahrgang Ni. 149 Sonnabend, am 29. Juni 1935 Schwere Erdbebenfolgen Große Gebäudeschäden — Auch Menschen verletzt Kurze Rottzen Die Kundgebung anläßlich des Cautages des Gaues Groß-Berlin vom 29. Juni um 18 Uhr auf dem Tempelhofer Feld, auf der Gauleiter Reichsminister Dr. Goebbels soricht, wird vom Reichssender Berlin und vom Deutschlandsender übertragen. ' Das schwedische Küstenpanzerschiff „Oskar ll" traf zu einem mehrtägigen Besuch im Kieler Hafen ein. Es befindet sich auf einer Reise von Lissabon und hatte zwischendurch Gravesend (England) angelaufen. Der Oberbefehlshaber der Luftverteidigung, Lufthaupt- marschall Sir Robert Broope-Popham, ist zum General inspekteur der britischen Luftstreitkräfte ernannt worden und wird dieses Amt am 1. August antreten. Sein Nach folger als Ches der Luftverteidigung wird Luftmarschall Sir John Steel, früherer Oberbefehlshaber der königlichen Luftstreitkräste in Indien. Der Demonstrationsstreik gegen die neuen Wahlgesetze, den die Sozialistische Partei in Lemberg angekündigt hatte, hat dort, wie schon vorher in anderen polnischen Städten, einen völligen Mißerfolg gehabt. An dem Streik beteiligte sich nur 1 v. H. der Arbeiterschaft. Ler polnische SejniAat ln drister Lesung das Sejmwahlgcsetz mit 218 gegen 89 Stimmen angenommen. 7 Stimmen waren ungültig. Zum tschechoslowakischen Gesandten in Belgrad wurde Dr. Wenzel Girsa ernannt, der in den letzten acht Jahren die Tschecho slowakei in Warschau vertreten hatte. Der Ortsverband Lyon der Liga sür Menschenrechte hat er neut den Ausschluß seines Mitgliedes des Staatsministers Herriot ausgesprochen; Herriot hatte sich geweigert, vor der Ortsgruppe zu erscheinen, um in dem zwischen ihm und der Ortsgruppe entbrann ten Streit Stellung zu nehmen. Wie der „Matin" aus Boulogne berichtet, sind dort der englische Kriegsministcr, Lord Halifax, und 42 englische Generale bzw. Stabossiziere eingetrosfen, die sich aus einer Studienreise nach den Marne-Schlachtfeldern begeben. Mit 9 gegen 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen wurde vom Fi nanzausschuß der französischen Kammer ein Antrag angenom men, der vorsieht, daß die Waffenherstellung und der Waffenhandel vom 1. Januar 1936 ab ausschließlich vom Staat besorgt werden sollen. Wie aus Simferopol aus der Krim gemeldet wird, wurde in Karassubazar der kommunistische Organisator Tschernomuchow er mordet aufgefunden. Tschernomuchow hatte sich bei der Auslösung der Einzelbauernwirtschaften besonders hervorgetan. Die Mörder wurden bisher nicht ermittelt, doch hat die GPU. bereits zahlreich- Berhastungen vorgenommen. wie erst fehl bekannt wird, hat da« Erdbeben am Don nerstag in ganz Oberschwaben zum Teil schweren Schaden angerichtet. So wird aus Riedlingen berichtet, daß die dor tige Bahnhofstraße ein Bild der Verwüsmng bietet. Aus den Dörfern de» Bezirk» sind Meldungen eingelaufen, wo nach in manchen Ortschaften kein Haus unbeschädigt geblie ben ist. Besonder» schwer haben die Kirchen unler dem Erdstoß gelitten. In Offinger stürzte die Decke der Orls- kapelle ein. Auch ln Saulgau und in Mengen richlele das Erdbeben bedeutenden Gebäudeschaden an, vor allem durch Schornsleineinstürze. Besonders stark wirkte sich der Erd stoß im hohenzollernschen aus. In Vilsingen siel der Stuck von der Decke der Kirche. Am meisten haben in dec Ge gend von Sigmaringen das Schloß und die Kirche in Scheer in der Donau gelitten. In dem der Familie Thurn und Taxis gehörigen Schloß mußten die .Wohnungen von drei Familien geräumt werden, da im Mauerwerk bis zu 10 Zentimeter breite Nisse entstanden sind und die Giebelwand sich teilweise wm Gebäude gelöst hat. Die Kirche, die voll Mauerschutt legt, mußte gesperrt werden. Aus einigen Orten Ober- chwabens wird gemeldet, daß Personen zu Schaden ge kommen sind. In Buchau sprang ein junger Mann in der >rsten Aufregung aus dem Fenster und brach dabei den Arm. In Kanzach wurde durch herabsallende Steine eine Iran am Kopf und in Oggelshausen ein Mann an der Hand verletzt. Zn Saulgau wurden zwei kleine Sinder, Ne sich in einem hosraum befanden, durch herabstürzende Schornsteinteile schwer verletzt. Zwei Kirchtürme eingestürzt Wie weiter bekannt wird, stürzten in Kappel bei önchau und in Kanzach, nördlich von Buchau, Teile der äirchtürme der beiden dortigen katholischen Kirchen ein. Während in Kanzach das Kirchendach erheblich beschä- Zigt wurde, wurde in Kappel das Ouerschifs der Kirche zer trümmert. Die beiden Geistlichen konnten nur mit Mühe md unter Lebensgefahr die Kirchenqeräte aus dem Hoch- rltar bergen. Die Kirche war erst in der letzten Zeit völlig timgebaut und neu ausgemalt worden. Da große Einsturz gefahr auch für den übrigen Teil des Turmes bestand, perrte die Polizei den Platz um die Kirche ab. Bek dem Erdbeben ist auch im Stuttgarter Stadtgebiet ,erschiedentlich Gebäudeschaden entstanden. So fiel vom Dach des Pfarrhauses St. Bernhard ein etwa 2 bis 3 Me- ler großes und etwa 2 Zentner schweres Steinkreuz auf )en Weg. An mehreren Stellen stürzten Schornsteine ein and beschädigten die Dächter der betroffenen Häuser. In! :inem Hof wurde durch herabstürzende Steine ein Schuppen zertrümmert. Im bayerischen und im württembergischen Oberland wurde am Freitagvormittag um 10.10 Uhr ein schwa»! Hes Nachbeben bemerkt. vlmkn singen zu Muten an Aus dem übrigen Erdbebengebiet liegen jetzt neue Mel sungen vor, die erkennen lassen, daß die von den Erd stößen betroffene Zone weit größer ist, als man zunächst; mnahm. So werden jetzt auch aus dem Elsaß Erdbeben» fchäden berichtet. In Straßburg stürzten zahlreiche Schornsteine ein, und die Ausläufer des Bebens waren; bis Belfort zu spüren. Der Bereich des Erdbebens erstreckt sich demnach über ganz Süddeutschland, das Elsaß, den größten Teil der Schweiz und die Alpengebiete Oesterreichs^ Selbst in Wien wurde das Erdbeben verspürt. In Konstanz, wo gerade Reparaturarbeiten am Mün sterturm ausgeführt werden, geriet das Gerüst durch die Erdstöße in schwankende Bewegung. Am Schnetztorturm wurde das Glöckchen durch die Erderschütterung hin und her bewegt und fing von selbst zu läuten an. Auch aus Zürich wird ähnliches berichtet. In Nürnberg fielen durch die Erschütterung viele Personen in ihren Wohnun gen von den Stühlen; in Rückersdorf bei Nürnberg wur den die Wände von Häusern aufgerissen. In Augsburg stürzten Ziegel vom Dach herab auf die Straße; in einem Haus löste sich im 6. Stockwerk eine ganze Bildergalerie von den Wänden und stürzte zu Boden. Der Serd des Bebens Wie der Württembergische Erdbebendienst Stuttgart mitteilt, wurde von den württembergischen Erdbebenwarten Stuttgart, Meßstetten und Ravensburg ein sehr starkes Nah beben ausgezeichnet. Die Erschütterungen waren so stark, daß sowohl in Stuttgart als auch in Meßstetten bei einem Teil der Instrumente die Schreibarme abgebrochen wurden. Soweit sich nach den Aufzeichnungen bis jetzt feststellen läßt, liegt der Herd des Bebens im Gebiet der Schwäbischen Alb. Die genaue Bestimmung der Herdlage ist im Augenblick noch nicht möglich, doch dürfte der Herd sehr wahrscheinlich i>y Bereich der Südwestalb liegen. Das Beben dürfte das stärkste Albbeben des letzten Jahrzehnts gewesen sein. bereits erzielte Erfolge erkennen. Danach ist die Milcherzeu gung leit 1928 in einer ständigen Zunahme begriffen. Wenn allerdings der durchschnittliche Milchertrag je Kuh gegen über dem Jahre 1931 im Berichtsjahr nur einen Rückgang von 1,1 v. H. aufzuweisen hat, so bedeutet dieses bereits einen großen Erfolg. Denn es ist zu berücksichtigen, daß die Einfuhr von eiweißreichen Oelkuchen außerordentlich zurückgegangen ist und daß diese Erfolge also in immer stärkerem Maße von der Landwirtschaft mit wirtschafts eigenen Futtermitteln erzielt wurden. Bekanntlich herrschte aber im vergangenen Jahre eine große Trockenheit, was namentlich die Heuerträge ungünstig beeinflußt hatte. Wenn die Entwicklung so weitergeht, darf man wohl annehmen, daß das gesteckte Ziel, die Bersorgung der deutschen Vieh bestände mit hochwertigen wirtschaftseigenen Futtermitteln, in absehbarer Zeit erreicht werden wird. Dieses zielbewußte Boranschreiten ist aber nicht nur der Einstellung der Bauerir zu danken, sondern auch der Tatsache, daß der Bauer si<H die Erkentnisse der Wissenschaft nutzbar zu machen versteht. Durch de« Führer ausgezeichnet Berlin, 29. Juni. Der Führer und Reichskanzler hat durch Urkunde vom 27. Juni 1935 dem Verlagsbuchhändler Hofrat Dr. Emil Arthur Meiner in Leipzig anläßlich seines 70. Geburtstages am 28. d. Mts. in Anerkennung seiner Verdienste als Ver lagsbuchhändler die von dem Reichspräsidenten von Hin denburg gestiftete Goethe-Medaille für Wissenschaft unk» Kunst verliehen. Schutz der Natur Generalforstmeister von keudell über dos neue Gesetz. Berlin. 29. Juni. Generalforstmeister von Keudell sprach vor Ver tretern der Presse über die Bedeutung des von der Reichs regierung verabschiedeten Reichsnaturschutzgesetzes. Zur Begründung dieses Gesetzes erklärte er u. a., daß ohne eine einheitliche Planung und Gesetzgebung eine ordnungsmäßige und organische Naturdenkmalpflege nicht möglich sei. Es mußte daher ein Naturschutzgesetz geschaffen werden, das versuchen.soll, die heimatliche Natur soweit wie möglich zu schützen und vor weiterer Verunstaltung zu bewahren. Wir wollen nun Deutschland, so erklärte der Redner weiter, nicht in ein Land mit allen möglichen Museumsflecken verwan deln, sondern es geht darum, bei neuen Arbeitsbeschasfungs- vorhaben, die Nef in das Gefüge der deutschen Landschaft eingreifen, die Belange des Naturschutzes zu wahren, un!> alle Staats- und Kommunalverbände sind daher verpflich- Wer MMMW Wirtschaft der Woche. In der vergangenen Woche hat die deutsche Reichs regierung mit einer großen Zahl neuer bedeutender Gesetze ihr Gesetzgebungswerk planmäßig fortgeführt. Außer in dem Gesetz Uber die Arbeitsdienstpflicht findet der Gemein schaftsgedanke einen neuen Ausdruck in dem Gesetz über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen, durch das eine das Gesamtinteresse schädigende Konkurrenz zwischen Straße und Schiene ausgeschaltet wird. Weiteste Kreise berührt auch das Gesetz zur Ergänzung der Kleingarten- und Klein pachtland-Ordnung, das die Wohnrechtsverhältnisse der Schrebergartenbesitzer endgültig regest. Aus den Feststellungen des Statistischen Reichsamtes geht hervor, daß bereits jetzt die Industrielle Tätigkeit den höchsten Stand des Vorjahres (November) überschritten hat. Die Erzeugung Ist gegenwärtig höher als jemals seit Ueberwindung des Krisentiefs im Herbst 1932. Besonders eindringlich ist die mit der Echtheit des wirtschaftlichen Auf schwungs notwendigerweise verbundene Zuversichtlichkeit in der Textilwirtschaft zu erkennen. Während noch Ausgang vorigen Jahres eine ungesunde Belebung infolge der Sorge um die zukünftige Rohstoffversorgung eingetreten war, ist jetzt eine völlige Beruhigung eingetreten, da es sich gezeigt hat, daß die Versorgung völlig gesichert war. Bei der Be deutung der Textilindustrie, die zahllose Betriebe mit rd. 2 Millionen Beschäftigten umfaßt. Ist die Gesundung der Wirtschaft an dieser Stelle besonders wichtig. Die deutschen Walzwerke melden ebenfalls eine steigende Leistung im Monat Mai. Auch in der Nietenindustrie konnte trotz der bemerkenswerten Aufwärtsentwicklung des Vorjahres eine weitere Besserung erzielt werden. Insbesondere hat sich die Ausfuhr gegen Herbst vergangenen Jahres vervielfacht und Inzwischen einen Stand erreicht, der selbst In normales Zeiten nicht verzeichnet worden Ist. Dies ist Im Hinblick auf die günstige Gestaltung unseres Außenhandels ganz beson ders zu begrüßen. Die Bemühungen um eine Besserung unserer Ausfuhr sind auch In der Interessanten Gründung einer Filmerportgesellschaft zu erkennen, die bei der be-, sonders hochwertigen Leistung auf diesem Gebiet sicher lich guten Erfolg haben wird. Wie der Kongreß der Inter- nationalen Handelskammer aus seiner jetzigen Tagung zum Ausdruck gebrach« hat. scheint nunmehr in wachsendem Umfang die von Deutschland Immer wieder vertretene An sicht an Boden zu gewinnen, daß eine Wiederbelebung des Welthandels bei gleichzeitiger Stabilisierung der Währun gen eine unbedingte Voraussetzung für die wirtschaftliche Wiedergesundung der einzelnen Länder ist. Auf landwirtschaftlichem Gebiet interessieren zunächst die in diesen Tagen bekanntgewnrdenen Auslassungen über die Vorbereitung der Getreidemarktordnung sür das kom mende Ernteiahr Danach werden zwar die Grundlagen der alten Getreideordnung beibehalten, andererseits wird aber durch eine Reibe von neuen Bestimmungen eine größere Elastizität der Getreideversorguzig erreicht. Es ist dies so wohl auf die Versorgungslage zurückzuführen, die durch die neue Ernte gegeben sein wird, wie auch auf die Nutzbar machung der bisherigen Erfahrungen. Es ist ja das Ziel der Marktordnung des Reichsnährstandes, jedes Schema zu vermeiden und die Bestimmungen stets im rechten Ein klang mit den Erfordernissen des Wirtschaftslebens zu hal ten. Diese Auflockerung der zum Teil recht einschneidenden Bestimmungen wird.nicht nur für die reibungslose Ver wertung der Ernte sehr förderlich sein, sondern auch beim Handel die Dispositionen wesentlich erleichtern. Wurden auf diesem Gebiete Voraussetzungen für die Nahrungsmittel versorgung unseres Volkes geschaffen, so lassen die vorlie genden Erhebungen über die Milcherzeugung im Jahre 1934 Weltbild (M). Reichsernährungsminisler Waliher Darrö begeht am 14. Juli seinen 40. Geburtstag.