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101. Jahrgang Sonnabend, am 29. Juni 1S3S tiefste Erniedrigung so schnell seine Wieder- geourt folgen konnte, so nur dank der all gemeinen Wehrpflicht, die jeden Wehrfähi gen zum Schutze des Vaterlandes ausrief. Und daß gerade Deutschland die Wiege der- allgemeinen Wehrpflicht und des Volks- Heeres gewesen ist, beweist nicht nur das hohe Pflichtbewußtsein des Deutschen und seine innere Verpflichtung dem Staate gegenüber, es zeigt auch, daß unter dem Drucke von außen der Selbstbehauptungs wille sich in der Mekrbereitschaft äußere mußte. Preußen als Vorbild Dem Beispiel Preußens sind im Ver lauf des vorigen Jahrhunderts die meisten Staaten gefolgt. Ueberall besann man sich unter dem Eindruck des preußischen Vor bildes auf die Pflscht des freien Bürgers zur Landesverteidigung. Und wenn die Welt willens war, über das — falsch ver standene — Preußentum Hohn und Spott zu gießen, so hatte sie doch verstanden, daß ohne kompromißlose Einordnung in und freudige Aufopferung für den Staat keine Nation und kein Staat bestehen kann. Ja. die Welt eiferte diesem verlästerten Vorbilk» nach, so daß sogar alle jene Staaten, die dem „Gericht über Preußen" ihre Geburt ver danken, ohne Ausnahme ihre Existenz durch die allgemeine Wehrpflicht sicherten. Von 46 Staaten der Welt haben heute — ohne Deutschland — 28 das stehende Heer, aufgebaut auf der allgemeinen Wehr pflicht, mit einer Dienstzeit von 1 bis 4 Jah ren. In sechs weiteren Staaten besteht eben falls die allgemeine Wehrpflicht, während sich das Heer mehr oder weniger nach dem Milizsystem ergänzt. Ein Staat, und zwar die durch internationale Verträge neutra lisierte Schweiz, unterhält ein reines Miliz heer, wobei aber zu beachten ist, daß in keinem Staate der Welt die Wehrpflicht so allgemein durchgesührt wird wie in der Schweiz, und daß mit Ausnahme Preu ßens nirgends sonst als in der Schweiz der Wehrdienst ein Ehrendienst für die Volks gemeinschaft und den Staat ist. Der organisierte Lebenswille der Na tion, nämlich der Staat, fordert dtzn Dienst aller Waffenfähigen, er bildet sie soldatisch aus und verlang, daß sie jederzeit bereit stehen für die Verteidigung der Heimat. Das ist der Sinn der Wehrpflicht, wie ihn selbst solche Staaten verstehen, die aus Tra dition oder anderen Gründen in Friedens zeiten auf die Dienstpflicht verzichten und ihre Sicherheit dem Freiwilltgenheer anvertrauen, wobei jedoch betont wer den muß, daß — wie das Beispiel Englands heweist — in Zeiten der Gefahr die organisierte Wehrkraft nur durch die allgemeine Wehrpflicht zu erreichen ist. So haben zwar Australien und Südafrika entsprechend dem englischen Vor bild ein Freiwilligenyeer, aber gleichzeitig die Wehrpflicht für den Kriegsfall, und auch im freien Amerika, das schon dank seiner gesicherten geographischen Lage auf dieDieu st- pflicht im Frieden verzichten und sich mit einem Freiwilli genheer begnügen kann, besteht die allgemeine Wehr pflicht in der Miliz. Die wenigen Staaten, die ihre Existenz auch im Kriegsfälle dem angeworbenen Soldaten anver trauen, werden durch die Umstände dazu gezwungen und sehen sich ständig bedroht. Ohne Wehrpflicht gibt es keine Existenz des Staates — das lehrt die Geschichte und das bringt uns die Gegenwart immer wieder deutlich zum Bewußtsein. Ohne den Wehr dienst ist keine Erziehung zum Staate und kein Opfer mr den Staat denkbar. Nur wer durch den Wehrdienst deri Volksgemeinschaft wirtlich verpflichtet ist, gehört zum Staate und begreift sein Wesen, nur wer durch den Wehrdienst! seine tnviviouelle Freiheit opfert, Hilst di« Freiheit der Na tion begründen und erhalten. Erst wahre Freiheit schenkt der Nation den ehrenhaften Frieden, und so ist nichts besser geeignet, dem Vaterland« di« friedliche Zukunft zu sichern, als der Dienst der wehrhaften und wehrbereiten Mvnner. Deshalb ist der Wehrdienst et.« Ehre»', dienst! , . Souveränität desto stärker besann sich das freie Volk auf seine Verpflicht tung, Sippe und Stamm zu verteidigen, um das Reich zu retten. Die Wiege des Volksheeres Es ist die Mission Preußens in Europa, die orgum- sierte allgemeine Wehrpflicht als ein Instrument des Staates und des Friedens geschaffen zu haben: aber die Wiege des Volksheeres stand nicht in Preußen, sondern in dem Duodez-Fürstentum Schaumburg-Lippe, einem Länd chen von 340 Quadratkilometern Größe. Graf Wilhelm von Schaumburg führte schon um 1750 die allgemeine Wehr pflicht ein, nicht, um dem Beispiel zahlreicher Fürsten Deutschlands folgend, seine Landeskinder als Landsknechte an den Meistbietenden zu verkaufen, sondern um jeden wehrfähigen Untertanen für die Landesverteidigung heran zuziehen. Was später das Merkmal jeder Wehrpflicht wurde: die Registrierung der Wehrfähigen, Dienst unter der Fahne und Ableistung von militärischen Hebungen; hat in Schaum burg-Lippe den Ursprung. Kein Geringerer als Fnedrich der Große hat das Verdienst des Grafen oft anerkannt, aber er ahnte sicherlich nicht, daß nur wenige Jahrzehnte nach seinem Tode das Werk des Schaumburgers der Grundstein für das neue Reich werden sollte. Wir wissen, daß Gerhard Johann David Scharnhorst der Vater der allgemeinen Wehr Als in Versailles den Unterlegenen Les Weltkrieges der „Frieden" diktiert wurde, setzte man d«n vielen Ungeheuerlich keiten der Diktate die Wehrlosmachung der Gegner voraus. „Um die allgemeine Ab rüstung" einzuleiten, zerschlug man die Volksheere Deutschlands, Oesterreichs, Un garns und Bulgariens, zwang diesen Staa ten eine ihnen völlig fremde Wehrverfaj- sung auf und begrenzte nicht nur das Ma terial auf ein Minimum, sondern auch die zahlenmäßige Stärke des Heeres. Das alles ist bekannt: Deutschland wurde gezwungen, ein Freiwilligenheer aufzustellen, nicht stär ker als einhunderttausend Mann, ausge rüstet nur mit Gewehren, Maschinen gewehren und leichten Geschützen, deren Zahl noch vorgeschrieben wurde. Viel ist darüber geschrieben worden, noch mehr über die sich aus dem Versaikler Diktat ergebenden Folgen für Deutschland und für die anderen; unendlich viele Reden wurden in den letzten fünfzehn Jahren ge halten, Tinte ist in Strömen geflossen, um die „Diktatoren" von Versailles zu ver anlassen. ihre übernommenen Verpflichtun gen zu erfüllen — denn es hieß ja: „Um die allgemeine Abrüstung einzuleiten" —; alles war vergeblich. Nicht nur entzogen sich die übrigen Staaten der Verpflichtung zur Abrüstung, sondern sie rüsteten mun ter auf. Wieder Wehrhoheit Das alles ist bekannt; aber man muß diese Vorgänge immer wieder ins Gedächt nis zurückrufcn, seit die „Diktatoren" von gestern aufschreien. Was Deutschland seit fünfzehn. Jahren vorenthalten wurde, hat ihm nämlich die Proklamation des Führers vom 16. März wiedergegeben: die Wehr- hoheitl Nicht mehr die Nutznießer des ein stigen Diktates vermögen Deutschland eine Form seiner Wehrmacht aufzuzwingen, son dern Deutschland bestimmt kraft eigenen Rechtes diese Form: die allgemeine Wehr pflicht. Und die anderen sind des Rechtes entkleidet worden zu bestimmen, wie stark diese Wehrmacht sein soll; denn die Prokla mation des Führers hat Deutschland eine Wehrkraft gegeben, die wenigstens in ab sehbarer Zeit dem inmitten hochgerüsteter Staaten liegenden Reiche ein gewisses Maß von Sicherheit geben wird. Wie nur der Mensch gleichberechtigt ist, der über die ganze Stärke seiner Wehr kraft unbehindert verfügen darf, so ist erst die Wehrhoheit der Ausdruck der wahren eines Staates; wie nur der Mensch als wahrhaft frei gel ten kann, der sich seiner Pflichten zur Verteidigung seiner Person und Sippe bewußt ist, so kann auch nur der Staat wirklich frei sein, in dem jeder wehrfähige Bürger an der Verteidigung des Staates teilnimmt. So ist die Wehrpflicht die heiligste Pflicht eines jeden Staatsbürgers. Aber der Wehrdienst ist nicht eine Pflicht schlechthin, sondern Krö nung der Rechte des Staatsbürgers, und deshalb Ehren dienst. Und der Wehrdienst ist schließlich die Schule der Nation. Der junge Mensch wird hier zur Einordnung in die Gemeinschaft erzogen, er erkennt seine Kraft und lernt, ft« dem großem Werke dienstbar zu machen. Das verlangt Aufgabe persönlicher Rücksichten und Unterordnung, aber dieser Dienst macht ihn erst zum freien Manne. Im Germanien der Vorzeit durste nur der Freie Waf fen tragen und führen, und nur der Freie verteidigte die Sippe und den Stamm. Wollen wir hier die Wiege der allgemeinen Wehrpflicht sehen? Auf jeden Fall war den Germanen Wehrdienst «in heiliger Ehrendienst. Tatsäch- lich stand die Wiege der modernen Wehrpflicht in Mittel europa. Im alten deutschen Kaiserreich der Zersallzeit führ ten deutsch« Stöbt« und dann flandrische und oberitalienische «inen Wehrdienst ein, der die steten Bürger zur Verteidi- gung d«, Herde» verpflichtete. Bekannt find ost Eidgenos sen oer Hochlande, der Schweiz, die sich aus freiem Ent- Muß, in steiwittig iwernommener Pflicht zur Verteidigung - ... - , der Heimat -usammenfanden. Je größer der Verfall des Pflicht in Preußen ist, und Scharnhorst kam aus der Schule Meiches wurde und di« ««sichren für fein Leben wuchsen, des Grafen von Schaumburg-Lippe. Menn auf Preußens