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MWMer Eeneralitreit i« Mle» Beratung der neuen Wahlgesetze. Warschau, 26. Juni. In Warschau trat der polnische Sejm zu einer mehr stündigen Sitzung zusammen, um die neuen Wahlgesetze für die Sejmwahlen und die Senatswahlen sowie die Präsiden tenwahlen zu beraten. Danach wird der Senat zur Verab schiedung der Gesetze zusammentreten. Der Arbeiterflügel des Pilsudski-Lagers, die sogenann ten Morachewsti-Gewerkschaften, haben vor einigen Tagen dem Staatspräsidenten, dem Ministerpräsidenten und dem Innenminister eine Denkschrift überreicht, in der sie für einige Aenderungen der im Versassungsausschuß bereits an genommenen Wahlgesetze eintreten. Wie einige Regierungs blätter zu melden wissen, hat der Regierungsblock beschlossen, die Forderung der Morachewski-Gewerkschaften zu berück sichtigen, die den Handarbeitern und Geistesarbeitern in den Wählmänneroersammlungen eine größere Vertretung sichert, als das im ersten Entwurf der Fall war. Zn Sejmtreisen verlautet, daß die Wahlen zum neuen Sejm auf den 8. oder 1S. September angesetzt werden sol len. Jedenfalls werden schon jetzt bel den Behörden die Wahlvorarbeiten ausgesührt. Die Marxisten, die natürlich die neuen Wahlgesetze ab lehnen, haben den. Versuch gemacht, einen 24stündigen Pro teststreik durchzuführen. Der Generalstreik ist als miß glückt anzusehen. Die aufrührerischen Elemente vermoch ten sich nirgends durchzusetzen. Bezeichnend war die Ent wicklung in Posen. Dort hatte eine Abordnung der Polni schen Sozialistischen Partei tagelang mit den Gewerkschaf ten der einzelnen Berufe verhandelt, um sie zu dem Protest streik zu bewegen. Schließlich fand eine Massenversamm lung der Arbeiterschaft statt, die sich entschieden gegen den Streik aussprach. Göttinger -Mel-Fest Uraufführung der Oper „Parthenope" Göttingen, 25. Juni. Als letzte große Veranstaltung der von der Reichsmusikkammer durchgeführten Deutschen Bach-Händel-Schütz-Feiern 1935 begann unter der Schirm herrschaft des Reichserziehungsministers Rust das diesjäh rige Göttinger Händel-Fest, dessen Dauer auf vier Tage bemessen ist. Den Auftakt zttm Fest bildete eine Feierstunde in der Universitätsaula, bei der musikliebende Kreise aus oem ganzen Reich vertreten waren. Ferner waren Ver- tyeter der Partei, des Staates, der Wehrmacht sowie der kommunalen Behörden erschienen. Im Mittelpunkt des Göttinger Händel-Festes stand die deutsche Uraufführung der Händel-Oper „Parthenope", die neben dem in Leipzig in Szene gegangenen „Arminia" die einzige Händel-Uraufführung dieses Festjahres ist. In mehr als einer Hinsicht war diese Inszenierung ein Ereignis. Der außerordentliche Erfolg der Uraufführung beweist, daß die 200 Jahre alte Oper in ihrer ursprünglichen Gestalt unver gängliches Leben besitzt: er beweist aber auch, daß es not wendig ist, unser Volk für Händel zu erziehen, um ihm die erhabene Größe und unverfälschte Schlichtheit seiner Overn- musik voll zu erschließen. Dsu geftsVN Ms heute Der Führer besucht Rudolf Heß. Der Führer besuchte auf der Rückfahrt von Hamburg seinen Stellvertreter Reichsminister Rudolf Heß, der sich zur Erholung in Hohcnlychen aufhält. Bei dieser Gelegenheit besichtigte der Führer auch die Klinische Abteilung für Sport- und Arbeitsschäden, die auf Veranlassung des Reichssport führers in den dortigen Heilanstalten eingerichtet wurde, so wie die vom Gau Groß-Berlin der NSDAP, erstellten Häu- fer „Mutter und Kind" der Nationalsozialistischen Volks wohlfahrt. Neuer Leiter der Reichsbelrlebsgemeinschaft Bergbau. Der Leiter^ der Reichsbetriebsgemeinschaft Bergbau, Stein, wurde in seiner Eigenschaft als Gauwalter der Deut schen Arbeitsfront Westfalen-Süd von Reichsoroganisations- leiter Dr. Ley zum Leiter der neugebildeten Arbeitskam mer Westfalen-Lippe berufen und mußte infolgedessen wegen Arbeitsüberlastung die Leitung der Reichsbetriebsgemein schaft Bergbau abgeben. Zum Reichsbetriebsgemeinschafts leiter Bergbau wurde von Dr. Ley der bisherige stellvertre tende Leiter. Padberg, ernannt. Hauptversammlung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Unter großer Beteiligung der Vertreter der würnem- bergischen Staatsregierung, der Partei, der Wehrmacht, der Landespolizei, der Wissenschaft, der Studentenschaft sowie der Stadt Stuttgart hielt die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften am Dienstagvormittag im großen Stadtgartensaal in Stuttgart ihre 24. ordentliche Hauptversammlung ab. < Besichtigung der ersten Arbeitsdienst-Fernsehstubc. Reichsarbeitsführer Staatssekretär Hierl besuchte in der Bezirksführerschule des NS.-Arbeitsdienstes Gildenhall bei Neuruppin die erste Fernsehstube, die in einem Arbeits dienstlager eingerichtet ist. Die Einführung dieser Arbeits- dienst-Fernfehstube, die erst die fünfte öffentliche Fernseh tube überhaupt ist und deren Eröffnung vor wenigen Ta- zen vorgenommen wurde, ist ein erneuter Beweis dafür, daß der Arbeitsdienst auch die modernsten technischen Kunst werke deutschen Erfindergeistes für die Freizeitgestaltung in seinen Dienst zu steIen weiß. Wieder ein politischer Blordprozeß in der Sowjetunion. Die Telegraphenagentur der Sowjetunion meldet, daß vor dem Militärkollegium des Obersten Gerichtshofes ir Nischni Tagst (Ural) gegenwärtig ein Prozeß gegen di< Mörder des bekannten sowjetrussischen Dichters Bikow statt findet. Bikow wurde Anfang März ermordet aufgefunden Auf der Anklagebank sollen ehemalige Kameraden des Er mordeten sitzen, darunter zwei Personen, die früher in Dienst der Roten Armee gestanden haben. Alle Angeklag ten seien geständig, Bikow aus politischen Beweggründen ermordet zu haben. Romain Rolland will Sowjetrusse werden. Der Moskauer Staatsverlag Gosishat hat die Werke Romain Rollands erworben und ihm aestattet. das Hono- * , U (2. Fortsetzung.) „Verzeihung — ich wußte nicht... Ich dachte — ein Versuch", sagte sie endlich ziemlich hilflos. Doch zum ersten Male huschte über das Gesicht des Propagandachefs ein nachsichtiges Lächeln, und auch die Direktrice schaute Gerlinde mit freundlichen Augen an. „Also Sie waren noch nicht Mannequin?" half die Dame freundlich nach. Gerlinde nickte erleichtert. Inzwischen aber hatte sich der Herr schon an die anderen gewandt. „Also nochmals vielen Dank, meine Damen. Doch eS ist nicht nötig, daß wir noch alle drannehmen. Meine Wahl ist bereits erfolgt." Fast schien es, alS hätten die andern das schon er wartet. Zwar streifte noch mancher neidvolle Blick das hübsche Mädchen, doch dann zeigten die Gesichter wieder Gleichgültigkeit. Das waren sie gewöhnt. Heute war es vie, morgen eine andere. Wer gerade das Glück hatte. Nur daß es diesmal offensichtlich keine „vom Bau' war, wurmte etwas. Warum mußte eine Fremde ins Hand- werk pfuschen? Sie vergaßen anscheinend, daß sie alle rinmal angefangen hatten. Doch während Gerlinde noch nicht begriffen hatte, daß sie von allen die Auserwählte war, und ebenfalls nach ihrem Mantel griff, nahm der Propagandachef ihi lächelnd den Arm herab: „Aber liebes Fräulein... Wollen Sie etwa schon aus- reißen? Ich denke, wir müssen Sie noch ein Weilchev hterbehalten, nachdem wir uns für Sie entschieden haben Ach bitte, Fräulein Scholz, ich habe nun keine Zeit mehr Nehmen Sie die junge Dame in Ihre Obhut I Ich glaube wir haben diesmal einen selten glücklichen Griff gemacht." Kurz nickte er Gerlinde noch einmal zu, dann entfern» sich der vielbeschäftigte Mann mit hastigen Schritten. „Haben Sie Ihre Papiere bei sich, Fräulein?" Schon wieder eine Frage, der sich Gerlinde nicht ge wachsen fühlte. „Nein... Leider habe ich keine Papiere. Ich war noch nicht in einer Stellung." „So... Dann wollen Sie mir bitte Ihren Namen sagen, Ihre Adresse und Geburtsdaten." Gerlinde kam eifrig dieser Aufforderung nach. Hoch Fräulein Scholz Hoh beinah ruckartig den Kops und starrte Gerlinde sekundenlang an» als ob sie eine Er scheinung aus einer anderen Welt sei. „Steinbrück Steinbrück?" Mehr zu sich selber als zu dem jungen Mädchen sprach sie den Namen, während ihre Gedanken suchend Jahr zehnte zurückeilten. Dann aber schien sie ihrer Sache schon völlig gOviß zu sein. Noch einmal glitt ihr Blick prüfend über Gerlindes Gesicht, dann sagte sie: „Sie sind die Tochter des Bildhauers Steinbrück. Ihre Mutter ist eine geborene von Nysten.. Mit solcher Schnelligkeit und Bestimmtheit kamen die Worte, daß Gerlinde Steinbrück für den Moment f„st vergaß, wo sie sich befand, sondern eher gelaubt hätte, einer Hellseherin gegenüberzusitzen. „Ja...", sagte sie endlich und hatte sich noch immer nicht von ihrer Verblüffung erholt. Der Ausdruck in dem Gesicht von Fräulein Scholz aber hatte sich jäh gewandelt. Beinah ehrfürchtig und doch wieder wie in aufquellendem Mitleid strich Vie ältliche Dame in ihrer lebhaften Art Gerlinde mehrmals über die Wange. Dann sagte sie mit fast verklärtem Gesicht: „Sie also sind die Tochter der schönen Komtesse von Nysten. Armes, armes Kind... Ihrs Mutter war vor zwei Jahrzehnten eine unserer besten Kundinnen — bis — ja, bis — ganz Berlin war ja damals voll davon. So rin Skandal in der ersten Gesellschaft... Na, er hat es ja dann auch schnell büßen.müssen... Nur die arme, ver wöhnte Frau! Wie hat sie sich denn in das einfache Leben gefunden? Und der Großvater? Er ist noch immer ua- oersöhnt?" Aus Gerlindes Gesicht war jeder Blutstropfen ge wichen. Halt suchend griff sie nach der Wand, während ihre Augen hilflos an Fräulein Scholz hingen, die sich jäh unterbrach. ' „Ach, es ist doch wohl ein Irrtum", sagte Gerlinde endlich. „Das mit dem Ramen stimmt ja. Aber das andere — davon hat meine Mutter uns nie erzählt." Jetzt begriff Fräulein Scholz und bereute bitter ihre Voreiligkeit. Frau Steinbrück, vormals Komtesse von Nyssen, hatte ihrem Kinde ihr trauriges Schicksal ver schwiegen! Und sie hatte alles ausgeplauscht! Fräulein Scholz war kaum jemals wütender auf sich gewesen als in Vieser Stunde. Aber nichts half, auch nicht, daß sie sich eine alte, schwatzhafte Elster nannte. Die Morte waren gefallen, and das arme junge Mädchen würde mit einem Male anfangen zu fragen und zu grübeln. Und daran war sie schuld! Sie, die alte, dumme Scholz. „Ach freilich, entschuldigen Sie, liebes Fräulein. Es ist gewiß eiü Irrtum von mir gewesen. Ach, es geht einem ein bißchen viel durcheinander. So viel Kundinnen... Denken Sie doch, dreißig Jahre bin ich schon in diesem rar, das er pom Sowjetstaat in Dollars bezieht, nach dem Ausland zu bringen. Rolland hat sich in den letzten Jahren sehr stark kommunistisch betätigt und ist oft als» moralischer „Anwalt" der kommunistischen Internationale in Europa in Vorträgen aufgetreten. Rolland ist mit einer Russin ver heiratet, die jetzt mit,ihm nach Sowjetrußland gekommen ist, Beide erklären, daß sie die sowjetrussischen Bürgerrechte er werben wollen. Todesurteile in der Mandschurei. Zum Tode durch Erhängen sind jetzt in Tschangte in der Provinz Iehol, wie halbamtlich verlautet, acht Personen verurteilt worden, die in der letzten Zeit zahlreiche Ueber- fälle auf japanische und mandschurische Truppen verübt haben sollen. Wie von> mandschurischer Seite mitgeteilt wird, sollen die Verurteilten einer chinesischen nationali stischen Organisation angehört haben, die seit zwei Jahren Terrorakte, in Mandschukuo verübt hätte. Die Todesurteile sollen innerhalb 72 Stunden vollstreckt werden. Einführung der Wehrpflicht in der Mandschurei? Das mandschurische Kriegsministerium beabsichtigt, dem mandschurischen Kabinett ein Gesetz für die Einführung der Wehrpflicht in Mandschukuo zu unterbreiten. An den Be ratungen über dieses Gesetz sollen außer den mandschuri schen amtlichen Stellen auch Vertreter der japanischen Mi- litärmission teilnehmen. Die Einführung der Wehrpflicht bedingt aber eine vorherige vollständige Reorganisation des gesamten mandschurischen Stavtswesens und insbesondere der Finanzen. Man rechnet deshalb damit, daß die rest lose Einführung der Wehrpflicht in ganz Mandschukuo sich bis 1940 hinziehen wird. Für die gesallenen Arbeitrkamerade» Bisher 600 000 RM in Reinsdorf «ingegangen. Willenberg, 26. Juni. Auf Einladung- der „Stiftung für Opfer der Arbeit" fand die konstituierende Sitzung des Verwaltungsausschusses für die zu dem Unglück in Reins dorf eingegangenen Spenden statt. Aus dem Bericht über die eingegangenen Spenden ergab sich, daß eine Summe von 600 000 RM bisher eingegangen ist. Durch die Be mühungen des Kreisleiters und der sonstigen örtlichen Stel len zur Linderung der unmittelbar eingetretenen Notlage sind davon bisher rund 85 000 RM an die Hinterbliebenen der tödlich Verunglückten und an die Verletzten zur Aus zahlung gelangt. Auch die Werksleitung hat dadurch, daß der Lohn an die Hinterbliebenen der tödlich Verunglückten und die schwerer Verletzten bis zum Abschluß des Renten verfahrens weitergezahlt wird, Wesentliches -an ihrem Teil zur Behebung der Not beigetragen. Wegen der späteren Versorgung der durch den Tod eines Angehörigen betrof fenen Familien und der schwerer Verwundeten sind die er forderlichen Erhebungen über die wirtschaftliche und soziale Lage der einzelnen Familien in die Wege geleitet worden. Hause. Vor fünf Jahren habe ich hier ein Jubiläum ge feiert. Ach, was glauben Sie, Kindchen, wie man da die alte Scholz bedacht hat! Der Chef selber hat mir einen Extraurlaub und tausend Mart zu einer Jtalienreise ge- zebcn... Und die Blumen, ach, die Blumen... So habe ich denn in meinen Jahren noch das Land gesehen, wo vie Zitronen blühen und die Myrte und der Lorbeer, wie rs in dem schönen Liede heißt." > Gerlinde kam aus dem Staunen nicht heraus, und doch regte sich eine" leise Freude in ihr. Die alte Dame schien wirklich sehr freundlich und gutmütig zu sein. Nur ein bißchen geschwätzig. Aber ihr mußte das auffallen, weil die Mutter daheim immer so still und bedrückt war. Fräulein Scholz aber wurde es etwas freier. Sie hatte mit Mühe das Gespräch auf ein ganz anderes Thema ge- lenkt und hatte alle Diplomatie aufgewendet, um die Wir kung ihrer ersten Worte zu verwischen. Und wirklich. „Ja, es muß gewiß ein Irrtum gewesen sein. Denn ich Habs ja gar keinen Großvater mehr. Der ist schon lange tot", lächelte Gerlinde jetzt. Fräulein Scholz hütete sich wohlweislich, sich noch ein- mal auf dieses verfängliche Thema einzulassen. Aber still für stch war sie sich der Schärfe ihres Gedächtnisses voll kommen sicher. „Du hast ein Gedächtnis wie ein Buch, Scholz", sagte der Chef manchmal, wenn er in bester Laune war und stch mit den "alten Angestellten einen Spaß machte. Das wußte auch die ganze Firma. Vom jüngsten Stift bis zum Propagandachef — wenn einer dies oder das nicht mehr genau wußte: alle kamen sie zn ihr. So spann sie ihre Gedanke« ruhig weiter. Sie hatte inzwischen Gerlindes Namen und volle Adresse genau notiert. „Na, nun will ich Sie mal mit Jhrdn Kolleginnen bekannt machen. Und dann — wenn Sie noch ein Stündchen Zett haben» wäre es vielleicht am besten, gleich einmal etwas zu proben. Uebermorgcn schon ist die gro, Modenschau, und da -muß alles ganz tadellos klappen Wir bedienen hier die erste, allererste Gesellschaft." Jey, war die Scholz wieder ganz geschäftlich. Dann ging Gerlknde an ihrer Seite wieder über lauge Flure, Treppen hinaus, bis sie vor einer hohen- Tür standen. „So, hier ist mein Reich!" sagte die Direktrice nichi ohne Stolz und öffnete die Tür zu einem großen Saal Gerlinde sah nur Nähmaschinen und Stoffe in allen Farben und wieder Nähmaschinen und wieder Stoffe. "Mädchen und Frauen waren fleißig bet der Arbeit and sahen nur flüchtig achtungsvoll aus, als die Direktrice an ihnen vorüberging. . . . (Fortsetzung lolqt.) „...