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— !)0 - vom Gockelmann, -er -en pfingstmoegen verschlief. Ein Märchen, erdacht von Margarete Brnk-Zscheuschler. Auf einem großen Bauernhof lebte mit vielen Hühnkrn und Küken, auf die er sehr tolz war, ein gar stattlicher Hahn. Er war ein Frühauf- teher, vielleicht sogar >er pünktlichste von allen Hähnen. Noch lange, bevor die Sonne richtig aus .ihre», Wolkeubett heraus war, reckte er seinen Hals und schrie sein Kikeriki ins Dorf. Merkte er, daß er der erste war, der den Tag verkündete, schrie er rasch noch ein paarmalMintereinander, bis alles auswachte. Wo eitel war unser Gockelmann! Wenn er morgens den Stall verließ, schüttelte er jedes Stäub chen von feinem,roten Kamm und seinen grüngoldenen Schwanzfedern, und war er einmal versehentlich in eine Pfütze oder anderen Schmutz getreten, kratzte er und scharrte so lange aus der Erde her um, bis seine Füße wieder sauber waren. Die Hähne der Umgegend konnten ihn nicht leiden, weil er ihnen zu eingebildet war und hatten schon lange beschlossen, ihm bei passender Gelegenheit einen argen Schabernack zu spielen. Nun kam das liebe Pfingstfest heran, wo doch alle Lebewesen ganz besonders gern früh aufstehen. Unser Gockclmann, der mit seiner Familie gern einmal auch außerhalb seines Hckfrs herümspazierte und dadei anderes Huhnervolk traf, sagte heute zu jenen: „In ein paar Tagen ist Pfingsten. Wer wird denn da zuerst aus der Wiese sein? — Ich natürlich!" Er hatte von den Hütejungen gehört, daß es zu Psingsten Sitte sei, so früh wie möglich da zu sein; der Letzte würde aus gelacht und verspottet. „Das werden wir erst einmal sehen!" krähte ein Hahn aus der Nachbarschaft, dem der Vorfchlag ge fiel; und da auch das andere Hühner volk damit einverstanden war, wurde be schlossen, am ersten Feiertag vollzählig auf der Wiese zu erscheinen. „Wird euch arg sauer werden," spottete Gockelmaint, „diesmal wecke ich euch nicht, E ohne mich schlaft ihr doch alle bis zum Mittag, das kennen wir ja!' „Das werden wir ihm anstreichcn!' drohte ein anderer Hahn. „Ja, aber wie?" fragten ein paar neu- gierme Hühner. „Wir suchen etwas, was wir ihm ins Futter streuen können. Frißt er davoü, dann schläft er länger als sonst," schlug Henne Kratzefuß vor. Doch ihre.Schwester, Henne Eiersleiß, die stets alles besser wußte, antwortete: „Was denn, du dummes Huhn, wo sollen wir so etwas finden? Ich kenne so etwas nicht!"' „Weißt du es schon wieder bester?" zankte Henne Kratzesuß. „Ich kann doch hjer nicht so laut sagen, was ich weiß! Kommt näher, dann Will ich es tun!" Sofort, umringte das ganze Hühnervoll die kl)tge Henne, und nachdem sie sich überzeugt hatte, daß Gockelmann nichts böten kontlie, und' alle versprochen hatten,. nichts verlauten zu lasten, er zählte Frau Kratzesuß: „Hier in der Nähe ist ein kleiner Wald. Darin wohnt bei einer alten Eiche das Moosmänn chen, ein freundliches, hilfreiches, ganz mit Moos bewachsenes Männchen. Das verschenkt manchmal heilsame Kräuter. Vielleicht kann es uns auch diesmal helfen." Alle waren mit dem Vorschlag einver standen. Damit Gockelmann aber nichts merkte, sollten nur ganz wenige Hühner gehen, voran die Henne Kratzesuß; und die sollte auch die Rednerin machen. Nicht lange nach dieser Unterredung ging cs in den Wald zum Moosmänn chen. Dort angekommen, mußte Henne Kratzefuß mit chren Getreuen aber noch warten. Das Moosmännchen war mit -Heilkräutern zu eineüi kranken Vöglein gerufen worden, daS den Krallen einer Katze mit knapper Mühe entronnen war. Nach einer Weile kam das Männchen dann heim und fragte die Hühner nach ihrem Begehr. „Ach, liebes MooSmännchen," bat Henne Kratzesuß scheinheilig, „unser armer Hahn Gockclmann kann seit langer Zeit immer so schlecht schlafen. Er ist schon ganz mager und elend geworden. Kannst du ihm nicht helfen?"