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„Achtung, Achtung, das Vormittagskonzert ist beendet — Sie hören anschließend einen Vortrag des Maschinenbauinge nieurs L. über die Neusten Erfindungen auf den« Gebiet der Flugzeugmotore." Klausens Arm fiel jäh von Inges Schulter. Sein Ge sicht wendete sich geradeaus, ein fremder, gespannter Aus druck hatte alle Zärtlichkeit verwischt. Frühling, Sonne und Inge verschwanden, während die Stimme im Radio die Be- schaffenheit und Leistungsfähigkeit der neusten Maschinen erklärte. Inge versuchte eine Frage, einen scheuen Hände druck. Klaus schien zu Erz erstarrt. Er winkte ab, Holle einen Notizblock mit Bleistift aus der Tasche und begann mitzustenographieren. Der Chauffeur wendet sich fragend um. -„Fahren Sie immer geradeaus" befahl Klaus Wenzlar, „bis ich Halt sage". Ich hätte mich doch für das Abendbrot entscheiden sollen, dachte Inge, in einem netten kleinen Gartenlokal, wo es kein Radio gibt. Das war zum Verzweifeln! Die Stimme im Rundfunk sprach zwanzig Minuten. Klaus Wenzlar erwachte zum Le ben, als das letzte Wort verklungen war. Das Auto war langsam geradeaus gefahren, wie Klaus befohlen. Es bog gerade in eine elegante Villenstraße ein, als Klaus entsetzt den Zähler ablas. Der Fahrpreis überstieg bei weitem die Summe, die er in der Tasche hatte; langsam fand er sich von leinen Turbinen in die Wirklichkeit zurück. Der Wagen war inzwischen in die Nähe eines eleganten Gartenlokals gefah ren, wo ein imposant aussehender betreßter Portier durch cäsarenhafte Armbewegungen die Auffahrt der Wagen regelte. Dieser Mann muß mich retten, dachte Klaus Wenzlar, ich werde ihn bitten, das Geld auszulegen, ohne daß Inge etwas davon merkt. Klaus half dem jungen Mädchen aus dem Wagen, bat sie voranzugehen und wandte sich an den Majestätischen. „Wollen Sic bitte mein Auto bezahlen?" sagte er, mühsam um einen überlegenen Ton kämpfend. „Der Herr gehört zur Verlobungsgesellschaft?" fragte der Gewaltige und zückte schon die Börse. „Bitte — hier ist meine Karte." sagte Klaus. „Tut nichts zur Sache," meinte der Portier. „Die Kosten trägt der Brautvater" und entließ den verblüfften Ingenieur mit einer väterlich wohlwollenden Handbewegung. Im Garten sah Inge den Ober an. der unaufgefordert eine kalte Platte auf den Tisch stellte und eine Flasche mit Sekt entkorkte. Von den Nebentischen wurde herüberge prostet, und in der Mitte des Podiums wurde getanzt. Sie aßen und tranken, Klaus etwas hastig und voller Verlegenheit, dann gingen sie Arm in Arm in den blauen Frühlingsabend hinein. „Ich möchte dir etwas sagen Klaus," flüsterte Inge er rötend, „in Zukunft mußt du etwas sparsamer sein — gleich Sekt und Kaviar — das ist doch etwas üppig." „Es ist doch nur einmal im Jahr Pfingstsonntag, Ge liebte." iaote Klaus und küßte sie auf den Mund. M Kimmel regnet MS MngW« Wie überall bei den großen Festen in deutschen Landen Schmaus und Trunk eine wichtige Rolle spielten, so war von jeher besonders das Pfingstbier unerläßlicher Bestandteil des Feiertagprogrammes. Zum Pfingstbier luden die Gemein den, die Zünfte, Vereine, Arbeitgeber auf dem Lande und wer weiß noch ein, und den Einladungen wurde gern gefolgt Zumeist war es — dem ganzen Charakter des Pfingstfestes als Frühlingsfeier und Fest der Volks- und Glaubensgemein schaft entsprechend — ein Festtrunk im Freien, der hiek eine fröhliche Gemeinde versammelte. Es ist ganz selbstverständ lich, daß im Laufe der Jahrhunderte sich allerlei in Brauch und Sitte um diese Gepflogenheit veränderte, ja, daß allmäh lich mancherorts Uebertreibungen und Unzuträglichkeiten sich ergaben. Das zeigt uns ein churfürstlicher Erlaß aus der Zeit Augusts von Sachsen aus dem Jahre 1590: „Es ist eine sehr schändliche Gewohnheit eingerissen auf öenen Dörfern, daß die Bauren auf Pfingsten ihre Saufferey bald abends des Festes anfangen und die gantze Nacht über treiben, und daß sie des Morgens die Predigt enweder ver schlafen oder truncken in die Kirchen kommen und darinnen wie die Säue schlafen und schnarchen ... An etlichen Orten aber mißbrauchen die Bauren ihre Kirchen, welche ein Bet haus sein soll, für ein Kretscham oder Bierkeller, schroten das Pfingstbier darin, daß es frisch bleibe und sauffen es daselbsten aus mit Gotteslästerung und Fluchen." Deshalb — so stellt der Erlaß fest — gingen als Strafe des Himmels eines Pfingstsonntages während der Predigt Gewitterregen von ganz seltener Stärke nieder, legten das Getreide um, verdarben Korn, Gemüse und Obst und waren somit die Veranlassung zu einer großen Teuerung des glei chen Jahres. In der Beschreibung dieses als gerechte Strafe empfundenen Naturgeschehens heißt es dann wörtlich wei ter, der Himmel habe „ an etlichen Orten, da das Pfingstbier im Glockenthurme gelegen ist, in die Kirche unten im Chore mit dem Feuerstrahle geschossen!" Diese Mahnung durch den Blitz und durch landesherrliches Wort hat wohl eine Zeitlang in Sachsen geholfen; aber anderort» haben die Prediger noch ständig Gelegenheit gehabt, gegen das Ueber- maß und gegen allerlei wüste Ausschreitungen beim Pfingst biere zu wettern, später wahrscheinlich auch wieder in wachsen, denn das B>-r «emlande ganz besonders a»e> 1 Ia-WW o Röschen rot! ' Der Mensch liegt in größter Rot, Der Mensch liegt in größter Pein, Je lieber möcht ich im Himmel sein. Da kam ich auf einen breiten weg, Kam einer und wollt mich abweisen. Ach nein, ich ließ mich nicht abweisen: Ich bin von Gott, ich will wieder zu Golt, Der liebe Gott wird mir ein Lichtlein geben, wird leuchte» mir bis in das ewig selin Leben. Die MMmg Von E r i ch T r e b o r. Ganz am^Lnde des Dorfes lag das Häuschen des pensio nierten Lehrers Hellmer. „Den Einsiedler" nannten ihn die Dörfler, denn er war mit keinem befreundet, grüßte nur mürrisch und war auch sonst völlig unzugänglich. Er hauste allein in seinem Häuschen, das mit seinen blinden Fenstern und seinem verwilderten Garten einen un heimlichen Eindruck machte. Ihm gegenüber wohnte der Sattlermeister Weber, der sich mit Frau und Kind, einem lieben sechsjährigen Mädel- chen, rechtschaffen und fleißig durchs Leben schlug. Anne marie Weber war das einzige Kind im ganzen Dors, das den „Einsiedler" ganz in ihr kleines Herz geschlossen hatte. Spielte sie auf der Dorfstraße und ging Hellmer zu seinen seltenen Einkäufen, so sah sie mit ihren großen fragenden Kinder angen ihm nach. Wie gerne hätte sie mit „Onkel Hellmer", wie sie ihn im stillen immer nannte, einina! gesprochen, aber der große bärbeißige Mann hatte ja kein Auge für die kleine Anne marie. Nun war wieder Pfingsten in Sicht, Las Fest der Freude, wie Mütti immer sagte, beim Kaufmann bot man Birkenreiser zum Verkauf an, doch wie viel größer war die Freude der lebendigen Dorfjugend, selbst hinaus zu ziehen, um dieses herrlich duftende Laub zu schneiden. Die kleine Annemarie beteiligte sich nicht an diesem auf geregten, jubelnden Treiben im nahen Wald, sie saß trüb sinnig auf der Steinstufe ihres Elternhauses und überlegte, wie sie dem „Onkel Hellmer" zu Pfingsten eine Ueberraschung bereiten könnte. Pfingstsonntag. Vom Kirchturm, der schon vor Jahr hunderten Feiernde sah, läuteten die Glocken, jubelnd Freude bringend, und es mar ja auch ein herrlicher Sonnentag mit warmem Frühlingswind, ganz dazu geschossen, frohe Men schen zu sehen. Nur das Haus des Lehrers Hellmer läg ohne jede Festesfreude. Hier gab es kein Pfingstfest, keine Feier der Ausgießung des Heiligen Geistes. Der alte Hellmer polterte in der kleinen Küche umher, in der er vor lauter Unordnung nichts fand, da läutete es. Der Alte beachtete es nicht. Wer wollte schon zu ihm? Sicherlich ein Bettler, oder wieder einmal so öin Dummer- '"nnenstreick» emlenmäp» des Dorfes. Er setzte einen Kessel aus das flackernde Herdfeuer. Wieder schwang dw verrostete Glocke. Zum Donnerwetter! Aergerlich schlurfte der „Einsied ler" zur Haustür. Als er öffnete, stand im strahlenden Son nenschein, der in den finsteren Korridor einfiel und Hellmer fast blendete, in schneeweißem Festtagskleid ein Mädelchen. Große Augen sahen ohne Furcht in das jetzt böse verkniffene Gesicht des Sonderlings. „Frohes Pfingstfest, Onkel Hellmer!" Mit diesen Wor ten wollte die kleine Annemarie Weber ihm einen duftenden Strauß zartgrüner Maien übergeben. „Was soll der Unsinn!" Die Tür flog ins Schloß. Hell mer ging langsam zur Küche zurück, da stockte sein Fuß. Widerstrebend und unzufrieden mit sich selbst kehrte er um und ging wieder zur Tür. Zögernd öffnete er wieder. Da stand immer noch die Annemarie mit dem verschmähten Strauß in der Hand, und über die Pausbäckchen liefen dicke Tränen. Unbeholfen nahm Hellmer ihr das Birkengrün ab. „Vie len Dank, Kleine, wie heißt du denn?" „Annemarie Weber," flüsterte eine weinerliche Stimme. Eine zerknitterte Greisenhand fuhr ihr vorsichtig über die Wange. „Nochmals vielen Dank, Annemarie!" Dann schloß sich wieder die Tür. Kurze Zeit darauf öffnete sich eines der blinden Fenster und auf einem Tisch vor dem großen ehrwürdigen Lehnstuhl des Alten grüßte aus bunter Vase ein Frühlingsstrauß die eindringenden Sonnenstrahlen. Einige Tage später hatte das ganze Dors seine Sen sation. „Der Einsiedler" war beim Sattlermeister Weber gewesen und hatte ein großes Paket mit Spielsachen für die Annemarie abgegeben. Aus dem finsteren Sonderling wurde bald der „Gute Onkel" der ganzen Dorfjugend. Und alles durch ein kleines Mädelchen und einen zart grünen Pfingststrauß an leuchtendem Pfingstsonntag. Feiertag der Setmat Skizze von HannsW. Kappler. Strahlend steigt die Sonne hinter den hohen Gipfeln der Berge auf und überflutet mit ihrem herrlichen Gold die vom Frühsommcr träumenden Lande. Der wilde Gebirgsbach eilt gurgelnd und rauschend zu Tal, als freue er sich jetzt noch, daß er das gelbe Schnee wasser davontragen und dem Lenz den Weg auch in die Berge ebnen durfte. ' Langsam wandere ich dahin in der beglückenden Stille und Einsamkeit des Pfingstmorgens. Der Wind rauschte in den Wipfeln der hohen Tannen, unten aber im dürren Gezweig knackt es oft leise und ein neugieriges Reh äugt zu mir, oder über das welke Laub, das den Erdboden bedeckt »und das der Herbstwind von weither getragen haben mochte, huscht ein flinkes Eichkätzchen. Duftende Frühlingsblumen stehen am Wege und nicken mir mit ihren tauperlengeschmückten Blütenkelchen zu. Es geht bergan. Der Wald wird dürftiger, die Bäume sind kleiner und dann stehe ich im Knieholz. Vor mir dehnt sich das gewaltige Massiv der heimatlichen Berge. Aufat mend schreite ich weiter; denn der hohe Gipfel lockt, über den die Wolken eilig dahinziehen. Oft muß ich durch hohen Schnee stapfen, wo eine der im Frühjahr zu Tal donnern den Lawinen den Weg kreuzte und den Schnee, der oben am Berghang gelegen, hier unten zusammenpreßte, so daß ihn auch bis zu diesem Tage die warmen Strahlen der Sonne nicht gänzlich zum Schmelzen bringen konnten. Beschwerlich ist der Aufstieg, aber dann bin ich doch oben. Der Bergwind fährt mir leis singend durch das Haar, trunkenen Blickes grüßt mein Auge die langgestreckte Berg kette, schaut in den Tälern die kleinen Dörfchen, in denen man wohl jetzt mit dem Schmücken des traditionellen Pfingst ochsen beginnen mag. Fern schimmern zwischen Wiesen und Wäldern in köstlichem Blau einige Seen. Wie winzig, wie erbärmlich klein bin ich doch als Mensch angesichts dieser gewaltigen Berge und weiten Ebenen. Im violetten Schimmer des Horizontes liegen die großen Städte. Viele, viele Menschen wohnen dort eng beisammen, wie viele mögen es sein, die sich heute hinaussehnen in die Natur, hinauf zu den Gipfeln ihrer heimatlichen Berge? Heimatland —! Welch inniger Klang liegt in diesem Wort, alles umschließend, was sich in unserem Herzen regt. Aber hier — in den Bergen — ist das Land unserer Heimat auch Grenzland zugleich. Drüben wohnen unsere deutschen Brüder, die man von uns trennte, aber die Grenzpfähle, die den Kammweg kreuzen, können das Gefühl der Zusammen gehörigkeit doch nicht vernichten, können zwischen die Herzen deutscher Stammesgenossen keine Grenze setzen. Ich werse mich in das lange, zähe, noch wintergelbe Gras und schaue träumend in den Himmel. Gleich flüchtigen Gedanken sind die Wolken, die in geschäftiger Eile dahin segeln, als könnten sie nicht genug sehen von der unter ihnen liegenden sommerahnenden Welt. Sie können gewiß viel erzählen vom glitzernden Tau, in dem sich die Sonnenstrah len verfingen, vom Iubellied der erwachenden Vögel und von dem alten, verwitterten Felszacken dort drüben, der sich von der wärmenden Sonne umschmeicheln läßt. Die Erde strömt würzigen und belebenden Duft aus, — ein huntröcki» ger Käfer klettert über wettergraue Kiesel dahin. Aus dem Tal klingen leise und verhallen die Glocken der Kirche hinauf zu den Bergen, auf denen nun auch Pfing sten seinen Einzug hält — —. Glocken von hüben und drüben, Pfingsttlänge über dem '--d