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"IHIDjlH IH iIMM st-i. .>»! ^7',"^-^«^*,*'' (13. Fortsetzung.) Ganz unbeherrscht nach vem wochenlang ausgespcicher- ten Haß ließ Frieda Warner ihrer Meinung freien Lauf. Doch plötzlich wurde Henneberg durch ihr andauerndes Reden ernüchtert. Gab er selbst denn schon alles verloren, daß er sich hier Frieda Warners Ansicht breitkauen ließ? Nein, noch immer nicht. „Diesen Quatsch behalten Sie gefälligst für sich. Gucken Sie einmal in den Spiegel, und wenn Sie ehrlich sind, dann müssen Sie zugcbcn, daß die Salzfische unmöglich auch noch die Schuld an Ihrer verbogenen Nase und den dicken Sommersprossen haben können", sagte er. Unwillkürlich griff Frieda Warner nach ihrer Nase und sah sich dann sprachlos im Kreise um. Henneberg war mit eiligen Schritten ins Büro gegangen; er hängte seinen weißen Mantel an die Garderobe. Was man doch mit diesem Weibcrzcng für eine Plage halte! Die Fische waren stumm — aber die Frauen... Zum ersten Male seit Jrmingarts Dienstantritt ging Henneberg an diesem Morgen wieder ins Cafe. „Ich gehe mal ans einen Sprung zu Lindner", sagte er, schon wieder halb versöhnlich. „Wenn etwas Dringen des vorlicgt, so rufen Sie mich... bitte...", setzte er vor sichtshalber noch hinzu. An der Tur aber wandle er sich noch einmal um. Es war ihm plötzlich eine Idee gekommc.,, sein ^icl bei der Schadow leichter zu erreichen. Er lachte teuflisch in sich hinein. „Fräulein Warner! Die Schadow mag gleich einmal mit dem Hausdiener dort die Körbe entleeren, damit sie auch einmal oic praktische Seite unseres Geschäfts kennen- lcrnt. Verstanden?" Neuntes Kapitel. Und ob Frieda Warner verstanden hatte! Kaum war der Chef hinaus, so war sie schon aus vem halben Wege zum Büro. Doch den Nest ersparte sie sich, indem sic so laut, daß alle anderen es hören tonnten, rief: „Schadow! Rasch — hier mal ein bißchen mit zu- greifcn!" Augenblicklich wußte Jrmingart, was dieses ganze Manöver zu bedeuten hatte. Aber wenn Frieda Warner glaubte, eine Uebcrraschung in dem schönen, verhaßten Gesicht zu erblicken, so täuschte sic sich gewaltig. War es die Erinnerung an das Telegramm oder an Hartmut von Camprath persönlich, die ein glüctticheS Lächeln auf Jrmingarts Gesicht zauberte? Beherzt und tapfer griff sie zu. Doch dann fühlte sie, wie das kalte Eis auf ihrer zarten Hau, Wie glühendes Feuer brannte. Und das Brennen steigerte sich allmählich zu einem Schmerz, den sie nur schwer unterdrücken konnte. Zudem fühlte sie den beobachtenden Blick der Warner, die begutachtend dabeistand. „Na, das ist wohl doch ein bißchen anders, als auf der Schreibmaschine zu klappern und mit hohen Herren zu flirten — was?" Da sah Jrmingart kurz auf. Unendlich stolz war in diesem Augenblick ihr Gesicht und der Blick ihrer reinen blauen Augen. „Ich glaube nicht, daß ich Ihnen jemals zu solchen Worten Grund gegeben habe, Fräulein Warner." Das klang so ruhig, so beherrscht, und doch schwang ein stiller Schmerz in ihren Worten, der den Hausdiener aufhorchcn ließ. Stimmte da plötzlich irgend etwas nicht mehr? Und warum stand denn überhaupt die Warner hier dabei? Aber die war plötzlich verschwunden. Wahrscheinlich hatte sie Jrmingart von Schadows Reinheit doch unsicher gemacht, und in ihrer-niederträchtigen und doch feigen Denkungsart zog sie vor, sich zu drücken. Wenn der Hausdiener auch ein, einfacher, schlichler Mensch war, so ahnte er doch, daß, das Recht hier auf feiten Jrmingarts stand. Und gerade dqs war cs, was ihm Mut gab. Diese Verkäuferin Hatje er vom ersten Tage an bewundert. Ihre bestimmte und doch bescheidene Art, aufzutreten und Anweisungen zu geben, hatte den Respekt immer schon voraus, und er selbst hatte stets gern und ohne Murren getan, was sie ihm befohlen hatte. „Tja, wissen Sie, in diese Kaserne können auch Sic keinen anderen Ton tragen. Sie gehören einfach nicht hierher, finde ich." Jrmingart bückte sich gerade tief über den großen Korb und brachte die eiskalten Barsche herauf. Dabei knisterte deutlich hörbar das Telegramm in ihrem Brustausschnitt. Sie hatte cs noch nicht gelesen^ wollte auch nicht. Wie einen kostbaren Schatz betastete Jrmingart manchmal diese Stelle ihres Kleides. Wie eine Entweihung wäre es ihr vorgekommen, wenn sie Hartmut von Campralhs Tele gramm hier gelesen hätte. Und ein Schmerz durchzuckte sic, daß Henneberg das Telegramm so roh an sich gerissen und cs gcösfnct hatte. War es doch für sie bestimmt, für sic ganz allein. Es war, als suchten ihre träumerischen Blicke durch die Weiten der Welt den hohen Himmel ab und suchten ein ziehendes Flugzeug, das mit rasender Geschwindigkeit durch die Wolken glitt. Südostwärts... rund um die Erde. Di« Worte des Hausdieners hatte Jrmingart absicht, lich überhört. Sie wollte keine Vertraulichkeit aufkommeg lasten, Wie gern hätte sie sich einmal nach der wahren Natur Hennebergs erkundigt, wie gern einmal Näheres über die Warner erfahrest, nur um sich in der schweren Zeit,'die sie unweigerlich nahen fühlte, etwas schützen zu können! Da kam ihr der Hausdiener in seiner gesprächigen An auch schon zu Hilfe. „Tja, Fräulein, so ist das nun bei uns hier. Wissen Sie, Sie sind einfach zu schön für so einen Fischladen - und ganz besonders für so einen Kerl wie Henneberg. Kein Wunder — der bildet sich doch ein, er ernährt uns alle, und dabei vergißt er ganz, daß eS umgekehrt ist. Freilich, die Warner tutet mit in sein Horn, weil die ihre Stellung hier halten will, wenn möglich noch verbessern. Frau Henneberg und so weiter — versteh n Sie? Oh, das merkt unsereiner wie ich ganz genau, wenn ich auch nm der Hausdiener hier bin. Aber schließlich ist man doch von zu Hause aus auch nicht gerade auf den Kopp ge fallen." Seine, drollige Art zu reden, entlockte Jrmingart ein leises Lachen, und die unbedingte Ehrlichkeit, die sie unter seinen rauhen Worten fühlte, befreite sie sogar ein wenig von dem schweren Druck, der auf ihr lastete. Die Warner stand im Eingang des Ladens und ließ die Passanten vorbeidefilieren, hatte der Hausdiener sich mit einem raschen Blick überzeugt. Die Fischkörbe standen hinter einer Glaswand neben den vielen Verkaufsbassins. So konnte die Warner die Vorgänge hinten im Laden unmöglich sehen, und der Hausdiener konnte sein Gespräch wieder aufnehmen. „Ruhen Sie sich man aus, Fräulcinchen, ich mache den Laden schon. An meinen Händen schmilzt das Eis, und bei Ihnen gibt's Nisse. Außerdem sage ich Ihnen, der Geruch geht so leicht nicht wieder von den Fingern weg. Der hängt wie Pech." Mitleidig schaute er auf das Mädchen, deren Rücken vom ungewohnten Bücken schmerzte. „Ich muß arbeiten. Mir bleibt keine andere Wahl. Ich habe einen blinden Vater zn ernähren." Jrmingart wußte selbst nicht, wie diese Worte über ihre Lippen kamen. Es war ja keine Klage — lediglich eine Feststellung, die ihr die Besorgnis des Hausdieners eingegeben hatte. Und als sie die mitleidige Miene des einfachen Mannes sah, bereute sie es, ihm leichtes Mißtrauen entgegen gebracht zu haben. „Das ist schlimm, Fräulein. Ich kenne den Alten schon lange und möchte wetten, daß der gerade deshalb versucht, Ihre Notlage sür sich auszunutzen." <Fortsehu^ folgt.)