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— 74 — Blumen und Engeln, sie spielt auch nicht mehr „Hotte-Hotte" mit ihm, und die Wüste Sahara ist längst verschenkt wor den, und hat schon so manches andere Kind beherbergt. Aber Mutter ist noch immer Hansens bester Kamerad. Sie weiß immer alles. Wenn ihm ein Wort in seiner französischen Arbeit fehlt, so verhilft sic ihm dazu. Die schwierigsten Mathematik-Arbeiten geht sie mit ihm durch, und zwar so, daß nachher alles Unver standene klar vor ihm liegt. Wie oft sitzt sie mit ihm in sei nem kleinen Zimmer und arbeitet mit ih rem Jungen. Und wenn die Pflicht getan ist, die Lampe abends brennt, dann Wei Mutter au noch die schön sten Geschichten. Zuletzt gibt sie ihm noch einen Apfel oder eine andere Frucht, dazu einen gut gemeinten Klaps, und der große Hanse mann geht zu Bett. Liebe, liebe Mutter! Hanse mann vertraut ihr alles an, was er erlebt, selbst die schlimmsten Dinge. Die anderen Buben, seine Klassenkameraden, die lügen manchmal vor den Eltern, aber Hans hat das nicht nötig, denn seine Mutter versteht ihn, sie darf alles wissen. Einmal war Hansens Mutter sehr krank. Damals war es .hm zumute, als fei er ganz allein im Dunkeln, und heimlich betete er Wohl hundert Mal: „Laß Mutter am Leben bleiben, lieber Gott! Weiter will ich nichts, nichts, nichts!" Diese Tage hat Hans nicht vergessen. Als die Mutter dann doch bei ihm bleiben durfte, nahm er sich vor, ihr niemals mehr Kummer zu bereiten. „Wenn ich groß bin," sagte er, als sie Mutters Genesung feierten, „schenke ich dir ein seidenes Kleid und eine Torte!" Aber Mutter küßte ihn und entgegnete: „Ach, Hansemann, werd' mir nicht so schnell groß, du! Bleib' noch eine Weile Mutters kleiner Hansemann!" Und — ich glaube — sie hatte Träne» in den Augen. Merlei Lustiges. „Ruth," sagt die Mama, „Du polterst ja die Treppe herun ter, daß man's durchs ganze Haus hören kann. Geh' gleich noch mal hinauf und komme leise her unter." Ruth verschwindet und ist im näch sten Augenblick wieder da. „Recht, mein Mädel, jetzt war's leise, so, wie es sich für eine angehende Dam- schickt. Und so schnell warst du wieder hier." — „Ja, Mutti, ich bin nämlich auf dem Gelän der heruntcrgerutscbt." Kurtchcn komml mit zerrissener Hose vom Spielplatz heim. „Wir spielten Wagen und Pferd," erzählt er, ich war der Rappe, und als ich so recht doll' lief, fiel ich hin." — „Hast du geweint?"'er kündigt sich die besorgte Mama. - „Och, Muttchen," ist die Antwort, „hast du schon mal ein Pferd weinen sehen?!" Nun sei uns WMiommen, holder Mai, Wir ziehen zum Walde, zu lauschen Der Bögelein Lieder voll Melodei, Und der Bäume herrlichem Rauschen; Wir wollen rasten im Weichen Moos, Wo die silbernen Quellen springen, Um unsre Freud«, so tief und groß, Hinauf zu den Wipfeln zu singeU. O süße, köstliche Waldesruh, Maiglöckchen beginnen zu läuten, Sie duften fein und nicken uns zu, Wir wissen das alles zu deuten: Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Bald ist sie ein einziges Glanzen, Wir werden wandern durch Feld und Hag Und fröhlich mit Blumen uns kränzen. Johanna Weiskirch.