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klrbcverre^ktscbulr: künk Türme» Verlsg, UsIIe (Lsale). Erstes Kapitel. Es war eigentlich nicht Albert Hennebergs Art, jetzt um neun Uhr morgens noch in seinem Geschäft zu sein. Für gewöhnlich erschien er morgens als Erster, schloß aus, ließ seine Angestellten ein, verteilte die Arbeit, traf An ordnungen und verließ dann schon nach kurzer Zeit sein Heiligtum, um als Junggeselle im nahen „Cafö Lindner" sein Frühstück einzunehmen und die neuesten Zeitungen zu lesen. Kein Wunder, daß seine aufgeregte Anwesenheit heule bei den Angestellten Anlaß zu den seltsamsten Ver mutungen war. „Der Alte scheint eine schlechte Nacht hinter sich zu haben", meinte Frieda Warner, die älteste Verkäuferin, und gab dem Hausdiener, der mit seiner ratternden Hand karre die neue Expreßsendung frischer Fettbücklingc durch den langen Hausflur schob, einen gutgemeinten Klatsch ! auf den krummen Rücken. „Kein Wunder bei einem so reichen Junggesellen, i Dem machi doch nur Kopfzerbrechen, wie er sich am nächsten ! Abend am besten amüsieren kann." f Der Hausdiener brummte noch irgend etwas, das aber ! tm Lärm der kleinen Eisenrädcr über den Sleinfliesen- l boden unterging. j Frieda Warner aber warf einen informierenden Blick ! durch das Glassenster in den Büroraum des (5Hess und f verzog ärgerlich-spöttisch den Mund. Knacker!, dachte sie. Albert Henneberg saß währenddessen mit weit von sieh gestreckten Beinen in seinem Sessel, und seine Miene lies; daraus schließen, daß ihn etwas Interessantes beschäftigte. - Zwischen den wulstigen Lippen schob sich die dicke Zigarre > bald in den rechten, bald in den linken Mundwinkel, j Zeichen von Unruhe. Seltsam, gerade in diesem Augenblick ging Frieda - Warner durch Hennebergs Gedanken. , Er schob das vor ihm liegende Bewerbungsschreiben > etwas beiseite; aber das dazugehörige Bild lies; er nicht aus seinen derbknochigen, kurzfingcrigcn Händen. Albert Henneberg besann sich, daß er auch Frieda s Warner vor einigen Jahren aus Grund ihrer eingesandlen - Photographie engagiert hatte. Dem Bild nach mußte sie eine Schönheitskönigin sein. Deshalb hatte er sie schnell stens von auswärts kommen lassen... aber o weh!. Das war der Reinfall gewesen. Die häßliche, sommersprpssenübersäte Haut schien der Photograph fabelhaft retuschiert zu haben, und auch die dicken, krummen Beine, die ihren Gang so entenhast watschelnd machten, waren auf dem Bild nicht zu sehen gewesen. Aber da sie sonst ganz brauchbar schien, hatte Henneberg sie behalten; doch seit dieser Enttäuschung war er vorsichtig geworden. Wer konnte es ihm übelnehmen, wenn es sein Prinzip war, sich als Chef nur. mit schönen Verkäuferinnen zu umgeben? Und außerdem — das stand für den alleinigen Inhaber der großen Fischhandlung „Seestern" fest, würde er sich doch bald einmal aus der Reihe seiner tüchtigsten Verkäuferinnen seine Frau suchen. Und dieses Vorhaben war es eigentlich, was Albert Henneberg so unruhig machte und seinen ganzen Arbeits- j plan umwarf. Immer wieder drehte er das eingcsandte Bild nach allen Seiten, besah es in allen Stellungen, und als sich ihm die unvergleichliche Schönheit und Lieblichkeit der var- gcstelllcn jungen Dame tief eingeprägt hatte, legre er das Bild für «inen Augenblick beiseite, wie eiwas ganz Kost bares, utld vertiefte sich in den Lebenslauf. Plötzlich schnipple er vergnügt mit den Fingern und warf einen prüfenden Blick auf die Uhr. Dann ging er > mit schwerem, schwankendem Secmannsschritt hinaus in den großen, langen Verkaufsraum. Sein weißer Mantel flatterte. Die fleischige, brillanlen- geschmückle Hapd lag protzend auf der breiten, massigen Brust. Die vierzehn Verkäuferinnen vertieften sich bei seinem j Anblick wie auf Kommando in vorbereitende Arbeiten. Noch war kein Kunde da. Also hieß cs: aufräunun, j säubern, putzen! Die weißen Kacheln der Fischbassins blitzten bereits. Die Messingstangen rings an den langen Verlaufsüschcn schimmerten unter den eifrig polierenden Händen wie blankes Gold. Albert Henneberg hielt auf peinliche Ordnung und Sauberkeit. Und das mochte Wohl mit dazu beitragen, daß sein Geschäft als das beste und leistungssähigste in seiner Art anerkannt wurde. „Fräulein Warner!" „Herr Henneberg, bitte!" - Frieda Warner schien ihren Spott über den „Alten" vorhin durchaus nicht ernst gemeint zu haben. In ihrem f Benehmen gegen den Chef lag mehr als die übliche Hilfs- f bereitschast und Ergebenheit einer Angestellten. Die Tai- f fache, daß sie außerdem schon seit Jahren hier erste Ver- ; käufertn war, schien ihr eine begründete Hoffnung auf weitere Bevorzugung zu geben. Und wenn sie mit den anderen Angestellten hin und wieder einen Scherz über den „Alten" machte, so meist nur deSLalb, um ihre wahren Empfindungen sür diesen um so geschickter zu verbergen. „Ich habe Ihnen doch, schon tausendmal gesagt, daß Sie Freitags früh in erster Linie Fisch zubereiten lassen sollen. Warum ist noch kein Goldbarsch, kein Schellfisch und kein Kabliau ausgeputzt? Der ganze Verkauf wird behindert. Freitag ist Fischtag, das sollten Sie nun endlich wissen. Einige hundert Pfund gehen immer ab." „Wir sind aber noch nicht dazu gekommen, Herr Henne berg. Entschuldigen <Äe "bitte, ich werde es gleich mache» lassen." - „Immer gleich — gleich...", ahmte Henneberg den Tonfall Frieda Warners nach, „wenn man Sie erst zehn mal darauf aufmerksam gemacht hat. Sauwirtschaft, sage ich Ihnen! Man merkt eben immer wieder, daß Sie bei einem Budiker gelernt haben und nicht in einem erst klassigen Spezialgeschäft. Dreißig Kisten Bücklinge zu wenig angekommen! Ihnen ist es aber nicht eingefallen, sofort nach Altona zu telegraphieren. Unbrauchbar, ein für allemal unbrauchbar!" Frieda Warner sah in das wütende Gesicht ihres Chefs, der lebhaft nervös mit den Händen dicht vor ihrer Nase herumfuchtelte. „Das hat ein Ende! Ein erstklassiges Spezialgeschäft verträgt derartige Bummeleien nicht." „Erstklassiges Spezialgeschäft!" Dieser Ausdruck trug! Hennebergs ganzen Stolz. Und er hatte damit im Grunde genommen nicht unrecht, wenn diese Bezeichnung bei ihm nicht schon zum geflügelten Wort geworden wäre. Aber es war immerhin verständlich; hatte sich Albert Henneberg doch aus ven bescheidensten Anfängen zu einer beachtliche» Stellung cmporgearbeitet. Selbst die großen Fischcrei- gescllschafien, die in der Stadt zahlreiche Filialen hauen, konnten ihm den Rang nicht streitig machen. Der „See stern" hatte seinen großen festen Kundenstamm, den nicht Vie breite Masse, sondern die kaufkräftige, zahlungsfähige Gesellschaft bildete. Schon knipsten die Scheren drüben in der Scefifch- ableilung Rücken- und Brustflosfen ab. Die elektrische Drahtbürste arbeitete mit teuflischer Geschwindigkeit uno sprühte Schuppen im weiten Umkreise. Holzhammer sausten auf große, breite Messer nieder und bereiteten aus den großen Fischen appetitliche Filetstücke. In der Marinadcnabteilung ordneten fleißige Hände I die in ver Eile Ves gestrigen Verkaufs VurcheinanVer- I geworfenen Büchsen und Dosen. Ucberall Vas Liev der I Arbeit, vas Albert Hennebergs Ohren so wohl lat. <FortsetzuvI folgt.)