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„Ich kann Sie nicht belügen. Ich liebe Sie nicht, aber ich achte Sie und will versuchen, mich an den Gedanken zu gewöhnen." „Ich habe Ihnen bereits eine Kabine auf der .Han nover' bestellt." Nun war sie wieder unzufrieden, daß er so sicher mit ihrer Zustimmung gerechnet hatte. Am nächsten Tage, noch vor dem großen Triumph, de» Engström sicher feierte, verließ Bianka Colani, die Bram Rimoldis, auf der „Hannover" den Hafen von Galveston. Mit Erstaunen betrachteten die Passagiere das selt same Brautpaar: den alternden Mann mit ergrauendem Kopf und die schöne junge Frau mit dem immer traurigen Gesicht. Sie tonnte sich über Rimoldi nicht beklagen. Mit der feierlichen Grandezza eines italienischen Nobile macht« er ihr den Hof und war sichtlich stolz über das Aufsehen, das Bianka, deren Gesichtsfarbe sich unter dem Einfluß der frischen Seeluft erholte, an seinem Arm erregte. Nash etwa drei Tagen der Fahrt, nachdem sie den Hafen von Havanna verlassen hatten und bereits auf offenem Ozean Kurs auf die spanische Hafenstadt Vigo genommen hatten, trat Nimoldi an Bianka heran. „Ich habe Nachricht von Doktor Gregorius. Er wohnl zur Zeit in Lugano und hat gemeinsam mit einer jungen Amerikanerin, die auch seine Villa teilt, eine große Er- kindung unter den Händen." Bianka schreckte auf: „Zn Gemeinschaft mit einer jungen Dame?" „Lesen Sie selbst. Ich habe es in Havanna in einer amerikanischen Zeitung gefunden." , In unwillkürlicher Erregung nahm Bianka das Blatt. ! „Mister Egon Gregorius und Miß Maud Nowa, die gemeinsam in ihrer Villa am Monte Bre in Lugano arbeiten, haben die Professoren Wilkins und Hopkins von der Universität Chicago eingeladen, den ersten Versuchen des nun vollendeten Weltraumspiegels am fünfzehnten April beizuwohnen. Die Herren werden der Einladung - folgen." § Ganz leise sagte Rimoldi: „Ich vermute nach dieser Notiz, daß Sic den Wünschen ° des Herrn Gregorius entgegcnkommen, wenn Sie ihn frci- geben." i Bianka konnte es nicht verhindern, daß trotz all ihrer eigenen Schuld Eifersucht in ihr aufflammte. So rasch also hatte sich Egon, dem sie selbst durch die Ucberscndnng der väterlichen Notizen die Möglichkeit gegeben halte, ! sein Werk fortzusetzen, getröstet! Lebte mit einem Mädchen zusammen! „Darf ich sofort die nötigen Schritte einlciten?" „Tun Sie, was Sie für richtig halten!" Während Rimoldi in den Raum des Bordfunkers hinaufeilte, um ein langes Telegramm nach Lugyno zu senden, ging Bianka in ihre Kabine, schloß sich ein uni weinte. * , - - * Es war ein herrlicher Tag, als die „Hannover" sich i» guter Fahrt der spanischen Küste näherte. „In zwölf Stunden sind wir in Vigo!" Alle Paffagiere waren an Bord und suchten mit ihr« Ferngläsern das Meer ab. „Hallo, was ist denn das?" „Wir wenden?" In der Tat machte das Schiff plötzlich eine ganz scharfe Wendung, und gleichzeitig wurde es an Deck lebhaft Matrosen eilten an eines der großen Rettungsboote und machten sich an ihm zu schaffen. „Was ist denn geschehen?" Ueberängstliche Frauen schrien auf; die Herren u»,- drängten den Dritten Offizier, bestürmten.ihn mit Fragen „Der Kapitän hat auf dem MeereNn anscheinend ver unglücktes Flugzeug gesichtet. Wir Wüllen sehen, ob wii helfen können." Alles drängte sich an die Reling. Die „Hannover" hatte mit Volldampf den neuen Kurs ausgenommen. „Dort! Dort!" Jetzt konnte man bereits mit bloßem Auge ein großes Etwas erkennen, das von den ruhigen, langen Wogen ge hoben und gesenkt wurde. Bald sah man deutlich die auf »ein Wasser schwimmenden Tragflächen eines abgestürzten Sportflugzeuges, und auf diesen Tragdecken stand ein winkendes menschliches Wesen. „Stopp!" Rasselnd ging das in den Davits ausgeschwenkte Rettungsboot zu Wasser; der Erste Offizier und Mann schaften stiegen ein. Der Motor wurde angestellt, und in rasender Fahrt glitt das Boot der Unglücksstelle ent- zegen, während alle Operngläser die Rettung verfolgten. „Der Mann ist verschwunden!" „Im letzten Augenblick abgeglitten!" „Sie kommen zu spät! — Jetzt — jetzt sind sie bei dem Wrack!" Ein Augenblick atemloser Spannung, dann kehrte das Boot wieder zurück. Die Reste des Flugzeugs tanzten noch auf den Wellen. Wenige Augenblicke später wurde :in verhüllter menschlicher Körper an Deck gebracht, und »er Dampfer nahm seine Fahrt wieder auf „Was war?" „Ein tollkühnes Mädel. Eine , amerikanische Kunst- sliegerin, die nach Brasilien unterwegs war und sich Wohl ruf dem Atlantik verirrte." „Ist sie tot?" „Unsinn! Nur völlig erschöpft." , , iForlsehveI folgt.) <34. Fortsetzung.) Der Gedanke, die Frau dieses Mannes zu werden, war Ihr ein Grauen, eine Unmöglichkeit, und dennoch hatte sie «in Gefühl der Dankbarkeit diesem einzigen Menschen gegenüber, der ihr eine Zukunft bieten wollte; wenn es auch nur die Ankunft eines Schmicrendircktors war. Er antwortete: „Warum unmöglich?' „Ich bin ja noch die Frau eines anderen." „Sie sind nicht geschieden?" „Ich weiß nicht einmal, wo der Mann ist, dessen Ramen ich trage." „Nun gut, ich iverde ihu finden. Sie versprechen mir, mich zu heiraten, sobald Sie frei sind. Wir werden das beim Notar niederlcgen. Sie kommen mit mir, fahren > auf meine Kosten mit der .Hannover' — und ich bin über zeugt, daß Sie frei sind, ehe wir in Hongkong landen." „Und bis dahin?" „Ich werde meine Braut achten. Jetzt verlasse ich Sie. In zwei Stunden erbitte ich Ihre Antwort. Ich meine es ehrlich mit Ihnen." Bianka blieb allein, und wieder fiel ihr Blick auf das Almoscv Engströms. Sie legte den Schein und die Karte in einen Umschlag. Ohne ein Wort sandte sie beides zurück. Was nun? Ganz allein war sie jetzt. Egon für immer verloren, ihre Stimme verbraucht — was nun? Rimoldi? Ihr schauderte bei dem Gedanken, und doch hatte sie in seinen Augen etwas Gutes gesehen; dennoch mußte sie diesen Mann und seine Worte achten. Als er jetzt vor ihr stand, schmierenhaft, fast eine lächerliche Figur, hatte er in diesen Augen etwas von einem treuen Hunde. Bianka fühlte, daß dieser Mann auch jetzt noch zu ihr, die nichts mehr war als eine Ruine, emporsah. Und dann überkam sic wieder das Grauen vor der Zukunft, das ! Bewußtsein, daß sic nie den Mut besitzen würde, ihr un seliges Leben von sich zu werfen. War es wirklich noch einmal ein ganz kleines Nestchen des Großen Loses, das ihr in den Schoß siel? War sie berechtigt, den einzigen Menschen von sich zu stoßen, der ihr die Hand bot? Nach zwei Stunden kam Nimoldi zurück. Sie trat ihm blaß und nervös gegenüber.