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- 72 - Unsere deutsche Heimat. Wer je einmal den Harz bewandert hat, dem wird besonders das Bodetal mit all seinen Naturschönheiten und seiner eigenartigen Romantik in steter Erinnerung bleiben. Weit oben im Ge birge des Harzes, 700 bis 900 m über dem Meeresspiegel, hat hier die sorg same Hand des Schöpfers ein Stück reiner Natnr geschaffen, wo die Sinne jedes forschenden Menschen so gewaltig gefesselt werden, wo Menschenkraft und Geist gegenüber dem fessellosen Gebirgs kinde, der Bode, ohn mächtig erscheinen. An dem romantisch gelegenen Treseburg vorbeischäumend, tritt die Bode in das eigent liche Tal ein, vorbei an hohen, wildzerklüf- teten Felsenwänden, bisweilen einer vorge streckten Bergzunge in kühnem Bogen auswei chend. Unterhalb Tre seburg zieht die Bode in einem brtiten Tale rauschend dahin. Mäßig ansteigende Berge ge währen gerade noch Raum zu einem schma len, grünen Wiesen rande. Bei zunehmen der Höhe werden die Berge jedoch steiler und zerklüfteter. Ringsumher türmen sich . Felsen auf Felsen zu einer gigantischen Höhe, alle von wildem Charakter und majestäti schen schwungvollen Formen. Immer häufiger tritt ihr felsiger Kern hervor, nnd bald vermeint man, auf beiden Seiten von riesigen Felsmassen und kolossalen Mauern eingcschlossen zu sein. Mit Heche und Moos überzogene Fels blöcke Starren dem Wanderer entgegen, zur Seite uralte Tannen, deren dürre Aste sich rhythmisch im leichten Winde bewegen. Der einzige Laut, den man vernehmen kann, ist das immer stärker werdende Rauschen des Stromes, gleich einem Wasserfall mit schreckenerregen dem Brausen. Enger und enger wird das Tal, höher und immer steiler recken sich die Felsen zu beiden Seiten der schnell dahin strömenden Bode empor. Eine schauer liche Schlucht, wo die Felsen sich teil weise über den Fluß Hinneigen, taucht plötzlich auf. Lockeres Geröll, von den starren, verwitterten Bergwänden her abgeschleudert, bedeckt die Abhänge des Tales. Verwirrt streift das Auge von den hohen Gipfeln hernieder zu dem fessellosen Strom, der mit dumpfem Brausen gegen die gewaltigen Felsblöcke rauscht, die sich ihm in seinem Lauf ent gegenstellen. In jäher Hast stürzen sich die schäumenden Wellen die unzähligen Klippen hinunter unt kommen als zischend« Wassermassen in rast losem Wirbel aus dem bchusenden Talkessel. Ein schmaler Holzsteg, die Teufelsbrücke, führt wenige. Schritte unter halb des Falles über den reißenden Ström. Ein schmaler Weg bringt den Wanderer zu der Roßtrappe, ei nem Felsvorsprung, der 200 m senkrecht in die Höhe steigt, nnd der den sagenhaften Roßhuf trägt, der der ganzen Umgegend den Namen gegeben hat. Ein weiter Ausblick auf das ganze durch wanderte Tal und die nähere Umgebung bietet sich hier oben dem staunenden Be sucher. Vor den umherstreifenden Blicken breitet sich eine weite Ebene aus, hinter uns liegt das romantische Bode tal, aus dessen Tiefe das dumpfe Brau sen der schäumiacn Wassermasscn geister haft zu den hohen Berggipfeln herauf dringt. Jenseits der Bode erhebt sich der Hexentanzplatz; ein nicht minoer aussichtsreicher, romantischer Felsen. Nur noch eine kürze Strecke fließt der stürzende Fluß durch die engen Fels schluchten, dann, verläßt er plötzlich das Gebirge und tritt ruhigen Laufes bei Thale in eine weite Ebene und mündet bei Nicnberg in die Saale nach einem langen, mühevollen Lauf, den er sich durch die Felsmässen zu bahnen' ge zwungen ist.