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16) Nachdruck verboten. mir. Ab Montag der nächsten Woche bin ich wieder in Deine Tante k KL S.L L L Dir sechstausend weißt und Dich 3^' rLtv LZ Als sie in das Hotel kam, merkte sie gleich, daß er mit ungeduldiger Spannung auf ihre Rückkehr gewartet haben mochte, so sehr er sich bemühte, möglichst gleichmütig zu erscheinen. Sie hatte sich entschlossen, ihm das alles ganz un geschminkt zu berichten. Das tat sie denn auch. Es traf ihn sehr. Mela nahm das Geld also vochl Seine Enttäuschung war bitter und restlos. Er fragte nicht nach Einzelheiten, hörte zu, was Edla erzählte, blaß und nervös, um den Mund ein schmerzliches Zucken. Edla schwächte ab: „Sie har vir gewiß nur helfen, cs dir leichter machen wollen, Heribert!" „Sich selbst — nicht mir!" Das war alles, was er vazu sagte. Er stand auf und verließ das kleine Gastzimmer, in dem die Unterhaltung stattgefunden hatte. Schmerzlich berührt sah sie ihm nach. So sehr hatte er dieses Mädchen geliebt?! Und nun zuckte es in Edlas hübschem, klugem Gesicht — zwei Tränen tropften ihr über die Wangen. Sie hatte es gewußt, daß er eine andere liebte. Nun aber durste er es nie erfahren, daß er der Mann war, den — sie liebte! Z-x Ursula. Mark zur einrichlen Längst bereute Baron Hiddekamp seine unüberlegte, leidenschaftliche Handlungsweise. Diese böse Situation, die er, durch Zorn und Verzweiflung getrieben, geschaffen hatte, änderte ja nichts an der Tatsache, daß Ilona Ras. kallo ein unverantwortliches Spiel mit ihm trieb, vertiefte obendrein noch die Kluft, die sich zwischen ihm und seiner jungen Frau aufgetan hatte. Wenn er nur gewußt hätte, ob Heribert den Vorfall sofort daheim gemeldet hatte! Daß Jrmelands Bruder diese eindeutige, provozierende Situation, deren Zeuge er wurde, nicht einfach hinnehmen würde, stand für Baron Harald fest. Was aber mochte Heribert unternommen haben... ? Die Woche ging zu Ende; er mochte nicht hcimfahren, hatte in einem Hotel Wohnung genommen, in dem man ihn nicht ohne weiteres vermuten konnte. Sein Bargeld wurde knapp; in der Eile vergaß er das Scheckbuch. Doch das bedrückte ihn weniger; er wußte sich aus dieser Wirrnis, in die ihn die Leidenschaft für die schöne Tän zerin Hineingetrieben hätte, keinen Ausweg mehr. Wenn Jrmeland doch nur vernünftig gewesen wäre! Der Gedanke war schier unerträglich, daß nicht nur die Raskallo, sondern nunmehr auch seine junge Frau böses Spiel mit ihm trieb. Er hatte sich über Jrmeland vorher nicht beklagen können, doch restlos glücklich war er auch nicht gewesen. Vielleicht mochte sie von Nanu aus gar nicht so herb und verschlossen sein, wie sie ,bm gegenüber zeitweilig getan — vielleicht hatte sie den Mann, vc!n ihr Herz in erster, unbedachter Jugendliebe entgcgenschlug, noch nicht ver gessen. Wer sah einem Menschen überhaupt bis in den Grund seines Wesens — und gar erst einer Frau, mochte sie noch so jung sein? > Er selbst hatte sich herzlich wenig um das andere Ge schlecht gekümmert. Als der Krieg aüsbrach, war er gerade ein Jahr Leutnant und rückte mit der aktiven Truppe gleich ins Feld. Da blieb ihm für Frauen und Liebe nicht viel Zeit; er war mit Leib und SeLle Soldat, kannte nur seine Pflichten, und war — abgesehen von ein paar Liebeleien in der Etappe, später in der Garnison, in der er vier Monate bis zum erneuten Ausrücken zum Re giment blieb — nie ernsthaft vetliebt gewesen. (Fortsetzung folgt.) Berlin, so Gott will. Es grüßt Dich herzlichst k. 5. Insgesamt stehen Verfügung, damit Du es kannst. rs Mela hatte sich in der Stadt Zeitungen gckausi, ,vur in eine Frühstücksstube gegangen, wo sie eine Tasse Suppe und ein belegtes Brot bestellte, um dann den Anzeigenteil ocr Blätter zu studieren. Immer wieder wurde sic durch den Gedanken an dic Geldsendung abgelenkt. Tausend Marl?! Wahrscheinlich halte ihre Tante viel mehr erhalten. Das war ein böses, schmutziges Geschäft! Pfui Teufel! Sie glaubte, Tante Ursula habe mit der Geldsendung absichtlich gewartet, bis sie in Düsseldorf war. Nun nahm sie den Postabschnitt aus der Handtasche und las noch einmal die wenigen Zeilen. Dabei fiel ihr Blick zufällig auf den Stempel. Eberswalde? Wie kam die Tante denn nach Eberswalde — und was wollte sie dort?! Mela hatte sich übrigens auch Briefpapier besorgt, weil ne Tante Ursula gleich schreiben wollte, ohne zuvor deren angckündigtcn Brief abzuwartcn. Jetzt aber ließ sich diese Absicht nicht verwirklichen, da eine Adresse auf dem Ab schnitt nicht vermerkt stand. Bitter dachte Mela: Da will man mir die Möglichkeit nehmen, das lumpige Geld gleich wieder zurückschicken zu können! Sollte sie cs an Heriberts Vater zurückscndcn? Oder an Heribert selbst? Ach, wenn man kein Empfinden dafür hatte, wie sehr sie dadurch gcdemütigt, nahezu entehrt wurde, dann blieb das ja doch nichts als eine Geste — sür diesen alten Grafen wenigstens. Es geschah ihr ja recht; sie hatte sich vermessen, in eine Welt eindringen zu können, in die sie nicht hinein gehörte. Damals hätte sie Schluß machen sollen, als sie erfuhr, daß Heribert ein Graf Eggetseld war. Ihr erstes Empfinden trog also nicht — leider war ihr Gefühl damals stärker gewesen als die Vernunft. Auch ihre Freundin hatte sich damit abgcsunden und war trotzdem ein fröhliches Menschenkind geblieben. Viel leicht reifte der Mensch überhaupt erst durch die Ent- räuschungcn, die ihm die Liebe oder das Leben bereiteten. Jetzt, wo Mela wußte, daß Heriberts Vater ihrer Tante Geld gegeben hatte — für sie —, jetzt erst war ihre Enttäuschung vollkommen, ihre letzte, insgeheim genährte Hoffnung erloschen. Und wenn auch Heribert nicht mit dieser Lösung einverstanden gewesen sein mochte, so zeigte diese Ari ihr deutlich genug, wie wenig sein Wille allein ausschlaggebend war, welches Los und welche Bitternisse sie als Gräfin Eggetfcld erwartet hätten. Und schließlich war Heribert weder gekommen, noch hatte er ihr geschrieben. Mela Heithüsen beglich die kleine Zeche, ließ die Zeitungen, die sie sich gekauft hatte, achtlos liegen und ging fort. Zuerst schlenderte sie planlos durch die Straßen, kam zur Königsallee, in den Hofgarten, betrachtete die Gebäude der Akademie für dir bildenden Künste und ge langte an den Rhein. Obwohl ihr Vater Niedersachse war, fühlte sie selbst sich stets als Rheinländerin. Und welcher Rheinländer wird nicht von gewaltigem Heimatgefühl gepackt, wenn er an den Ufern des mächtigen deutschen Stromes steht?! Graugrün wälzten sich die Wellen zu Tal, das Wasser ging hoch; ein frühltngsfroher Himmel spannte sich über dies Bild von Strom und Stadt, dessen Ferne dort, wo der breite Fluß in niederrheinisches Land wogte, duftig verschleierte. Mela betrachtete das machtvolle Bild und fühlte das Wesen der Heimat tief in sich selbst. Berlin war ihr Zu flucht, ErwerbSmöaltchkeit — Glück gewesen; das hier wat taehr, war Heimat, war Berbundensein mit einem Stück Erde. Muttererde. Mutterlaut, Melodie tbrer Kindheit. Aennchen Alwerts warf den Bries aus den Tisch. „Abzüglich der Provision, die sich seine Tant' gleich abgezogen haben wird. Das scheint mir auch die richtige Tante zu sein — verflixt nochmal und zugenähl! Du. der schreib' ich 'nen Brief, wenn's dir recht ist." Mela sah auf und nickte: „Ja, schreibe ihr — mich widert das an!" „Freud' macht mir's auch nicht, aber die Gall' könnt' mir hochkommen. Das scheint ja 'n netter Kuhhandel ge wesen zu sein. Und nun weiß ich doch, was die Kusine von dem Grafen mit der Filiale gemeint hat. Hast du 'ne Ahnung, wer die Baronesse war?" „Ich weiß von keiner Baronesse in Heriberts Sippe; es könnte aber die Baronin Hiddekamp, seine Schwester Jrmeland, gewesen sein. Sprach deine Mutter nicht von einem blauen Auto mit graugrünem Verdeck? Das dürfte dann Heriberts Kabriolett gewesen sein." „Dann ist er am End' selbst mit hier?!" entwischte es Aennchen Alwerts. Mela bekam runde Augen. Schluchzte auf und stieß hervor: „Dann — dann wollte er sich Wohl überzeugen, wie tev mich «bgefunden habe! Oh, wie infam — noch durch andere Personen hinter mir herzuspionieren!" „Beruhig' dich mal, Kind! Erst schreib' ich deiner Tant' einen Brief, den sie sich hinter 'n Spiegel stecken kann; wenn das klar ist, schickst du dem Grafen das Geld und teilst ihm mit, er soll nächstens in höchsteigener Person kommen, um dir den Buckel 'raufzusteigen. Und nun wisch' die Tränen ab! Zieh dich an — wir aek » "»d Mela aino Und wenn auch der Schmerz hier zuerst m ihr junges Leben griff, als die Ellern starben — nun gab die gleiche Heimat ihr Trost und Kraft, erstes, tiefes Liebesleid zu ertragen. Stolzer reckte sich Mela Heithüsen auf, freier atmete die junge Brust. Aus ihren Lippen war mit einmal ein Summen, ein Klingen und Singen in ihr — des Rheines machtvolles Rauschen wurde ihr zur Melodie. Sic schämte sich nicht, daß ihr die Augen feucht wurden. Ueber allem Verlust und allem Schmerz bleibt den Menschen ein gar hohes Gut: Heimat! Mela Heithüsen blieb in der Stadt und speiste in einem Hotel zu Mittag. Vorläufig brauchte sie sich keine Sorgen zu machen. Ihre Ersparnisse, das letzte Gehalt, Vas ihr dic Tante so verdächtig großmütig gelassen hatte, reichten für zwei, drei Monate aus. Bis dahin würde sie wohl eine neue Anstellung gesunden haben. Es kam ihr gar nicht in den Sinn, mit den tausend Mark zu rechnen, die sie am Morgen erhalten hatte — die lagen wohlverwahrt in ihrer Handtasche. Und wenn erst der Brief von Tante Ursula eintraf, würde sich das Weitere schon finden. Aennchen Alwerts hatte durchgehende Arbeitszeit. Gegen vier Uhr nachmittags fuhr Mela mit der Straßen bahn in Richtung Holthausen hinaus, um die Freundin abzuholen. Aus dem riesigen Bürohause, das den Fabriken der Firma vorgelagert war, bei der Aennchen Alwerts ihr Brot verdiente, strömten die kaufmännischen Angestellten heraus. Endlich kam auch Aennchen. Sie verabschiedete sich schnell von zwei Kolleginnen, als sie der Freundin an sichtig wurde, und eilte frohgemut auf Mela zu. „Wie nett von dir — und man könnte dich beneiden, daß du mit deiner Zeit anfangen kannst, was du willst!" „Ra, beneidenswert ist Vas nun gerade nicht, Aenne!" Mela hakte ein, im gleichen Schritt und Tritt gingen die Freundinnen zur Straßenbahnhaltestelle hinüber. Da erzählte Mela denn gleich, daß ihr die Tante tausend Mark geschickt hatte. Aennchen Alwerts verhielt oen Schritt. Und sie erfaßte das sofort richtig. „Du, da stimmt was nicht, die hat mehr als tausend Emmchen gekriegt; glaub', da freß ich 'nen Besen, wenn's anders sein sollte und ich der alten Tant' unrecht getan hält'." „Aber Aenne, meine Tante.... Was Mela noch sagen wollte, blieb unausgesprochen. Es überlief sie kalt und heiß. Die Tante war so freigebig gewesen, nun mußte sie in Eberswalde sein — o Gott, die würde doch am Ende nicht gar das Geld für sie — die Nichte — genommen und ihr unterschlagen haben!? „Was hast du bloß, Melachen?!" wunderte sich die Freundin. „Jottche nee, du bist ja ganz blaß, Kindche!" Mela umklammerte Aennchens Arm. Stammelnd sagte sie, was sie eben gedacht hatte. „Die Straßenbahn ist doch futsch", meinte Aennchen Alwerts, „da gehen wir ein Stück zu Fuß und beraten, was da zu machen ist. Denn daß die Tant' das Geld und du bloß den Kummer haben sollst, das, Melachen, seh' ich nicht ein." „Ach, vas Geld, das Geld! Mir ist's nicht ums Geld — ich denke viel mehr an die Schande." „Ja — hast du denn nichts davon gewußt?!" „Nein, eben nicht! Nur verdächtig war's mir. Zuerst hat der alte Graf — Wolrad heißt er — mit mir, dann mit der Tante geredet. Aber ich hatte irgendwie das Ge fühl, daß er mit meiner Tante schon vorher gesprochen haben mußte uttd mit ihr einig war." Aennchen überlegte. „Du, va bist du fein heraus. Wetten, daß dein Schatz..." „Graf Heribert ist nicht mein Schatz!" unterbrach Mela die Freundin nachdrücklichst. „Friß mich nicht gleich, Kind! Was ich sagen wollt': Wetten, daß der junge Graf keinen Schimmer von dem Geschäft hat? Da schreibst du ihm ..." „Was ou dir denkst. Keine Zeile schreibe ich — aber das Geld schicke ich der Tante Zurück, sobald ihr Brief da ist." „Du hast 'nen kompletten Vogel, Mädchen! Das tät' deiner Tant' so passen, dem geizigen Luder." Aennchen Alwerts unterbrach sich und fuhr dann fort, jetzt ruhig und sachlich: „Das Geld kannst du ja zurückschicken, dann aber an den alten Grafen. Und dazu mußt du erst wissen, was deine Tante überhaupt erhalten hat. Klar gestellt muß das werden, das bist du dir selber schuldig — und schließlich auch dem jungen Grafen." Das leuchtete Mela schon eher ein. Die Freundinnen blieben an ver nächsten Haltestelle stehen und warteten dort auf den Doppelwagen der Straßenbahn. „Hast du mit meiner Mutier schon darüber geredet?" wollte Aennchen wissen, als sie hinter Mela in den Wagen stieg. „Rein, noch nicht! Ich bin gleich fortgegangen, als mir der Geldbriefträger die Summe ausgezahlt hatte." „Das war gut!" erwiderte die Freundin, gab aber keinen Grund dazu an. Daheim angelangt, hörten st« von Frau Alwerts, daß ss - eine Dame dagewesen Wax, die sich nach Mela erkundig^ „Es war 'ne Baronesse, eine Kusine von deinem Grafen, Mela!" Da gab es nun ein Fragen und Antworten, bis M«lg< Heithüsen bitter sagte: „Er hat also doch darum gewußt!" Aennchen Alwerts wußte, daß Graf Heribert gemeint war. Sie schwieg sich aus. Was sollte sie da auch sagen?! Es ging ihr wie der Freundin — auch sie glaubte jetzt, daß Graf Heribert mit dieser Lösung einverstanden ge wesen sein mußte. Dann kam der Postbote und brachte den Brief von, Ursula Hemmfels. Mela ging damit in ihr Zimmer hinauf. Als die Freundin, die rasch gegessen hatte, später zu ihr kam, saß Mela auf dem Sofa und weinte. „Da liegt der Wisch — lies!" forderte sie Aennchen aus. Liebste Mela! Vorhin gab ich eintausend Mark für Dich aus. Das Geld erhielt ich von vem alten Gras Eggetseld, ins- gesamt dreitausend Mark, die ich Dir nach und nach, rinschicken soll. Gründe Dir eine Existenz. Vielleicht lannst Du eine Lebensmittelfiliale gegen Kaution über nehmen, venu Lebensmittel gehen immer; ich war ja vor meiner Heirat auch in ver Branche. Wenn das Geld alle ist oder Du für die Kaution mehr brauchst, so schreibe Vrüoderreclilsseliutr? I?ün5 lürnre -Verlag, HsHo - Neuntes Kapitel. ' "