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- 16 — Unsere -rutsche Heimat. Worms ist eine königliche Stadt. Als Stammsitz der Burgunderkönige spielt sie im deutschen Heldenliede eine hervor ragende Rolle, ist sie doch die Heimat der lieblichen Kriemhild, und auch Hagen, der Düstere, schritt einst inner halb ihrer wehrhaften Mauern. So alt Lie Stadt ist, so viel weiß ihre Geschichte zu erzählen von Freudenfesten, die die Glocken ihrer zahlreichen Kirchen er klingen ließen, von manchem Unheil, das die alten Mauern bedräute. Unter den letzteren war wohl das schlimmste die Zer störung der Stadt durch eine von Ludwig XIV. ausgesandte Mord- brcnnerbande. Am 21. Mai 1689, einem Pfingsttage, wurde der Bevölkerung die Zer störung ihrer Stadt an- gekündigt und 10 Tage später diese in die Tat umgesetzt. Am 31. Mai nachmittags 4 Uhr ward durch einen Ka nonenschuß das Zeichen zum Brande gegeben. Strohhausen und Pech kränze, die allerorts an gebracht waren, sorgten dafür, daß die Stadt schnell in Flammen aufging. Mit Aus nahme der Judengasse sank die ganze Stadt in Trümmer, doch widerstand die Festigkeit des Domes der Vernichtung. Das ehrwürdigste Stadtzeichen von Worms ist zweifellos dieser Dom. Eine große Pfeilcrbasilika in romanischem Stile, wurde er zu Anfang des 14. Jahr hunderts von Bischof Burkhart erbaut. Seine vier ausgezeichnet gegliederten Türme überragen die ganze Stadt. Im Innern erregen die kühnen Bogen gänge, die mächtigen Säulen Bewunde rung. Die Anna-Kapelle und — in noch stärkerem Maße — die Taufkapelle ent halten kostbare Skulptnrcn. Ist so der Dom als katholische Pfarr kirche der Wallfahrtsort vieler Fremden, so ist dies andererseits auch — beson- oers für protestantische Besucher — das kostbare Lutherdenkmal, zu dessen Voll endung neun Jahre gebraucht wurden. Es steht zur Erinnerung an den be rühmten Reichstag von Worms im April 1521, auf dem Luther seine Lehre vor Kaiser Karl V., vor sechs Kurfürsten und anderen hohen Würdenträgern ver teidigte. Neben dem Dom hat es in Worms noch eine zweite Kircke zu einer Be rühmtheit gebracht, die den örtlichen Charakter weit übertrifft: die Lieb frauenkirche. Nicht nur ihre schönen Formen — sie ist um die Wende des 15. Jahrhunderts erbaut — erregen die Aufmerksamkeit deS Fremden: die Reben- - Pflanzungen sind's viel mehr, die die Kirchen mauern umgrenzen. Ein köstlicher Wein wird aus ihnen ge keltert — die Lieb frauenmilch. Im Norden -er Stadt, kaum 200 Meter vom Rheine entfernt, liegt ein Gräberfeld. Hier bestatteten Stein zeit-Menschen ihre To ten in Hockergräbern. In der Nähe ruhen Römer, die unter Dru- sus die Stadt eroberten. Jahrtausende liegen zwischen der Lebens zeit der einen und der andern. Wie klar wird uns hier die Vergänglichkeit alles Irdischen vor Augen geführt. Heute erfüllt das pulsierende Leben der Großstadt die Straßen und Plätze von Worms. Herrliche Denkmäler geben Zeugnis von dem Kunstsinn seiner Be wohner, und ein würdiges Festspiel haus ist den Musen eine Heimstätte. Die Industrie von Worms ist reich und vielgestaltig. Große Lcdcr- warenfabriken, solche für Buchdrnck- presscn, Schaumweine und Dampfmüh len umrahmen die Stadt. Den Rhein hinab ziehen die Schiffe mit den Waren: Getreide, Holz, Leder und Mühlcnpro- dukte werden von ihr ausgeführt.