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(7. Fortsetzung.) Um ihn war es ruhig. Ganz still und feierlich. Und im Baum knisterte eS, und der Duft der Tanne vermischte sich mit dem Geruch eines tropfenden Lichts. Die alte Frau Mahnke war fort. Sie hatte, wie alle Tage, hier Ordnung gemacht, hatte gelüftet, Kohlen aus dem Keller geholt. Sie hatte ihr Weihnachtsgeschenk in Empfang genommen und «»nckbeglückt damit fort gegangen. Weihnacht! > Heilige Nacht! Draußen lag der Schnee ganz dick. Und klar und hell Ivar die Winternacht. Farnhorst trat ans Fenster. Sah hinaus. Ob er nun noch ein Stück spazierenging? Ein weiter Spaziergang, ganz allein in der Weihnachtsturchl, das war schon immer eine Liebhaberei von ihm gewesen. Ein Weilchen stand er noch unschlüssig da, dann kleidete er sich an. Als er den Kleiderschrank öffnete, lächelte er. Was sich doch da alles zusammenfand, wenn man erst verdiente! Wirklich! Sogar ein warm mit Pelz gefütterter Mantel gehörte mit dazu und sollte ihm fetzt gute Dienste leisten. Bald stand er fertig angezogen da. Die Lichter noch schnell löschen! So! Fertig' > «Guten Abend, Herr Doktor!" Freundlich grüßend ging Frau Müllner an ihm vor über. Sie trug einen Korb mit Acpfeln und -inen mit Holz. Ein bißchen erstaunt sah sie ihm nach, der sie immer freundlich grüßte. Wo mochte er denn noch hingehen? Spazieren vielleicht? Gott — da war nun solch junges Blut immer so allein! Und die Mädels im Ort, die sahen ihn alle gern. Aber es war auch gut vom Herrn Farnhorst, daß er da nichts anfing. Heiraten konnte er doch keine. Das heißt: die Grete Postler, die hätte er eigentlich nehmen können. Das war ein ordentliches Mädel und wollte ihÄ gern. Und ihr Vater war Steuer einnehmer. Und sie, Hrau Müllner, machte dort die Auf wartung, und die Frau Steuereinnehmer fragte sie manch- M«l ein bißchen nach dem Doktor Farnhorst aus. Aber tvaS sollte sie, die Müllner», denn weiter erzählen, als daß der junge Doktor sehr solid sei und fast nie fortginge? Freilich, er fahre jeden Monat einmal in die Stadt. Aber nun sei doch der junge Chef da. Nun erübrige sich die SkädffShrerei. Nun würde defDoktor seinen Vortrag in der Villa Feller halten. Und da hatte die Frau Steuereinnehmer aufgeatmet. Einen Doktor! ! Herrgott, wenn es doch bloß glücken würde! Ihr Mann sagte zwar immer, sie wolle viel zu hoch hinaus- und das Mädel, die Grete, die solle froh sein, wenn sie einen ordentlichen kleinen Beamten bekomme . Der Herr Doktor Farnhorst bekleide so gut wie eine, ! Direktorposten, und der werde sich schon eine andere Fra: holen, wenn er es an der Zeit hielte. Da gab eS dann immer Tränen im Steuereinnehmer Hause; aber hinterher nahm sich GreteS Mutter vor, dock alles daranzusetzen, diesen Schwiegersohn zu bekommen Und damit sie immer auf dem lausenden blieb, nahm st, sich, die sonst so sparsam war und den HauShalt alle!» besorgt hatte, die Frau Müllner, damit sie wenigsteni immer alles über Doktor Farnhorst erfuhr. Und die Müllnern war auch dafür, daß der Doktor dii Grete nähme. Und sie hatte sich schon unzählige Male vor- genommen, wenn sie ihn das nächste Mal träfe, dann wollt! sie ihm doch einmal was von Steuereinnehmers Gren erzählen. Aber wenn er dann so freundlich und doch sc zurückhaltend grüßte, dann war sie mutlos. Aber es würde schon noch einmal paffen. Frau Müllner stieg langsam die Treppe empor. Fritz Farnhorst aber schritt draußen auf dem hart gefrorenen Schnee dahin. Seine Brust dehnte sich. Rings um war blaue, Helle Dämmerung. Unzählige Sterne blinkten am Himmel. Und ringsum die Hügel und weiter hinten die Berge waren alle in dieses geheimnisvolle Blau gehüllt. Und aus all den verstreut liegenden kleinen Häusern diese Helle Lichterpracht. Am Walde drüben standen Rehe! Ein ganzes Rudel. Näher kamen sie heran. Dort in der Nähe waren die Futterkrippen, die die Schulkinder für das Wild unter hielten. Es mochten kleine, gütige Hände besonders reich lich gestreut haben. Farnhorst schritt weiter. Immer weiter. Er kam an der breiten Fahrstraße an. Wollte umkehren. Blieb -löb lich stehen. Dort auf der Landstraße stand ein Auto! Hatten die Fahrer eine Panne? Oder fanden sie den Weg nicht? Hatten sich verfahren? Plötzlich hörte er sich angerufen. Eine Helle Frauen, stimme war es! Farnhorst schritt auf den Wagen zu. Ein schöner, wertvoller, moderner Wagen war es. Und neben diesem Wagen stand eine Frau! Hell beschien der Mond diese schlanke Frau. Einen eleganten Ledermantel trug sie und eine weiße Kappe mit Riemen. Blondes Haar quoll unter dieser Kappe in die Stirn. »Ich habe eine Panne und komme allein nicht zurecht, Würden Sie die Güte.haben, mit ein bißchen helfen?" »GerAl. Gestatten; DoNot Farnhorst von den Stein, bruchwerken drüben. Ich bist hort Betriebsleiter l" »Nora Nordström. Ich bin auf dem Wege zu dem Gut meines Bruders." Eine tiefe Verhängung. .Gnädige Frau?" »Ja, es ist schon richtig! Aber ich bin geschieden. Und sonst erflnge ich mir ein bißchen meinen Unterhalt fürs Leben. Darum möchte ich mich nicht noch länger erkälten und danke also meinem freundlichen Helfer im voraus." Das klang munter, harmlos, fröhlich. Er aber fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Nora Nordström? Die große norwegische Sängerin, von deren Gastspielen die Zeitungen berichteten und von deren Gesang die ganze Welt entzückt war? Er hals ihr jetzt. War bemüht, daß sie ihre Hände schoßte. Trotzdem er noch nichts mit einem Auto zu tun gehabt hatte, leistete er sehr geschickt Hilfe, und sie lachte leise auf, als er sich erhob und aufatmetid sagte: .So — das wäre getan! Aber, gnädige Frau, ist's nicht ein Wagnis, so allein mitten in der Nacht aus einsamen Landstraßen dahinzufahren? Ohne Chauffeur?" „Ja. das kam mir selber auch so vor!"'sagte sie auf richtig. „Darf ich Sie noch ein Stückchen begleiten, gnädige Frau? Und wie Welt ist eigentlich der Weg noch?" »Rittergut Tobern liegt noch eine gute Fahrstunde von hier. Und dabei wollte ich meine Verwandten überraschen. Mein Bruder hat keine Ahnung, daß ich ankomme. Aber ich wollte bei ihm ein deutsches Weihnachten feiern. Und da ich gerade von Amerika zurückkam, so paßte das so gu». Ja, Ihre Begleitung wäre mir sehr erwünscht. Aber dann müssen Sie gleich mit nach Tobern kommen. Und Lie Festtage über mit bleiben. Mein Bruder Erik ist sehr nett und gastfreundlich, und seine liebe deutsche Frau ist ein Engel! Wirklich. Sie lernten sich in Italien kennen, und da meine kleine Schwägerin von ihren Eltern das schöne Gut Tobern geerbt hatte, so gingen sie dann mit einander dorthin. Ich war schon zweimal dort. Es ist sehr schön, das alte Gut. Also wollen wir?" „Gnädige Frau, ich würde zurückfahren. Hat man keine Bahnverbindung?" , »Doch! Aber ich bitte Sie! Wir kommen heute abend an. In Tobern wird man fröhlich sein. Und da läßt man Sie ja doch nicht wieder fort. Das heißt — werden Sie daheim erwartet? Aber wer am Heiligabend so allein durch die Nacht schreitet, den erwartet wohl kaum daheim jemand. Habe ich recht» Herr Doktor?" »Ja! Sie haben recht, gnädige Frau! Mich erwartet niemand." (Fortsetzung folgt.)