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Orkoberrccktscliutr: ?ü»k Dürme-Vorlng Halle (8aalel. Erstes Kapitel. »Leben Sie wohl, Farnhorst. Und beißen Sie di Zähne zusammen, wenn es ab und zu schwer sein wird Aber Sie sind ein ehrenhafter Mensch und treu und fleißig Das ist manchmal mehr wert als Geld. Ich hoffe, daj > Sie mich auch einmal besuchen, wenn Sie einmal zi Ihrem Herrn Onkel auf Besuch kommen. Und — Farn Horst, hier hab' ich noch etwas für Sir! Ich habe cs all ! jährlich mit meinem Lieblings-Abiturienten so gehalten Und Ihre Arbeiten in diesem letzten Jahre waren wirklici prima, so daß Sie diese kleine Auszeichnung verdien habend Rektor Doktor Eckberg drückte dem langen, schmale, Abiturienten einen Hundertmarkschein in die Hand. „Nehmen Sie nur, lieber Farnhorst. Es ist hübsch : wenn man ein paar Mark in Händen hat bei diesem Schrit ins wirkliche Leben." „Gehorsamsten Dank, Herr Rektor!" Die Hellen grauen Augen Friedrich Farnhorst« ! strahlten. Auf diese Auszeichnung Ivar er nicht gefaßt ge § wesen. Und fast krampfhaft drückte er die entgegengestrecku Rechte des Rektors. Der klopfte ihn dann auf die Schulter i „Alles Gute, Fritz Farnhorst!" > Als Fritz Farnhorst inmitten der anderen Abituricnter j saß, war dieses öde Verlassenheitsgesühl nicht in ihm ge- ! wesen-. Aber als er jetzt am Strome hinschritt, da Iva, ! dieses Gefühl in ihn,. ; Grau, trübe wälzten sich die Wellen dahin. Der Schiss § fahrtsvcrkehr war noch eingestellt. Darum wirkte de, ! Strom traurig, häßlich. Im Sommer, wenn schinuckc ! weiße Dampfer fuhren, zahllose kleine Boote ihn belebten, große beladene Zillen ihre Lasten mühsam schleppten, del Strom selbst blaugrün aussah im festlichen Sommerklcide, die Wiesen ringsum ihn mit saftigem Grün umspannte» dann war es schön hier. Langsam ging Friedrich Farnhorst weiter. Abituriemcntag! Alle Kameraden hatten an diesem Tage ihre An gehörigen mit hier gehabt! Nur er nicht! Seine Ellern waren früh verstorben. Der einzige Bruder seiner Mutter, ein von seiner Pension lebender alter Major, Ler weit vor dem Kriege mal an einer der be ¬ rühmten „Ecken" gescheitert War, nahm ihn zu sich. Der war ledig geblieben. Und nur eine schweigsame alte Frau führte ihm den Haushalt. Die Pension war schmal. Sehr I schmal! Und darum hatte der Herr Major diese mürrische i alte Frau schon Jahrzehnte bei sich, weil sie monatlich nur ' fünfzehn Mark als Lohn nahm. Und dabei schaffte sie alles allein und kochte auch noch ausgezeichnet. Fritz Farnhorst wußte vom ersten Tage an, daß er ! dem Onkel Major nur eine schwere Last bedeutetem Und er begriff das! Begriff es vollständig! Für die erste Zeit waren noch einige Sparpfennige der Ellern und der Erlös aus dem Verkauf der Möbel da gewesen. Dann aber kam es doch dahin, daß er dem Onkel gänzlich auf der Tasche lag. , Das bedrückte ihn! üedrückte ihn unendlich! Von der Unterprima an gab er Nachhilfestunden an wenig begabte jüngere Schüler. Er lief in Wind und Wetter von Haus zu Haus. Denn daß die Schüler ins Haus kamen, das litt die Engelhardten nicht. „Die machen mir man bloß meine Stuben dreckig!" Onkel Major nickte dazu mit dem Kopfe. Und so war oie Sache erledigt. Nun konnte er sich wenigstens- seine Bücher selbst kaufen. Und einen Teil zum Essen gab er auch. Auf dem Gymnasium besaß er eine Freistelle. Weil er Vollwaise war! So ging das nun! Jahre ging es! Und es gab Tage, an denen daheim kein Mensch mit ihm sprach. Onkel Major schriftstellerte auch ein bißchen. Aber meist erhielt er seine kleinen Skizzen und Aufsätze zurück. Es mochte daran liegen, daß in diesen Manuskripten eine bissige Schärfe nicht gefiel. Diese bissige Schärfe aber haftete dem Onkel Major als ständige Begleiterin an. Kam solch ein kleines Manuskript zurück, dann war Sturm auf der ganzen Linie. Vorbei! Dieses Leben zwischen zwei alten, mürrischen Menschen war vorbei! Er würde sich durch vier bis fünf Studien jahre durchhungcrn! Im Grunde genommen würde es nicht einmal viel anders sein als jetzt. Er war oft genug hungrig schlafen gegangen, hatte dem Onkel gesagt, daß er keinen Hunger habe. Und er hatte dann gesehen, wie gierig der Onkel den Rest des mageren Abendbrotes noch vorschlang. Aber ihm, dem jungen, ans Hungern gewöhnten Menschen würde nun auch die Zukunft nichts ausmachen. Er würde während des Semesters noch Nachhilfestunden geben. Während der Ferien würde er aufs Land gehen. Monatlich fünfzig Mark gab der Onkel. Ein Teil der Hochschulgebühren wurde ihm erlösten. Die fremde Stadt würde neue Eindrücke hinterlassen. Fritz Farnhorst freute sich auf das Fremde, Neue. Und er freute sich, daß er für sich sein konnte. Endlich frei! Er konnte sein Leben ae- stalten. wie es ihm gefiel. Ein tiefer Atemzug. In Gedanken verloren war Fritz Farnhorst stehens geblieben. Nun ging er langsam Wetter. Droben an der! Karlstraße begegnete ihm Doris Langer, die hübsche Vlon ! dine. Der Schwarm der gesamten Oberprima' Er grüßt höflich, weil er sie durch seinen Freund Max Blaskei kannte. Max Blasten hatte immer viel Geld. Der bekan hohes Taschengeld von daheim, hatte eine Menge gute, Onkels und Tanten und erhielt da auch noch in Hülle un! Fülle. Aber Max Blasken war klein und dick. Er halb manchmal netdvoll gesagt: „Du, Farnhorst, um deine Figur beneide ich dich Siehst 'n bißchen verhungert aus! Aber sonst? Wenn di dich mal herangefuttert hast, dann stichst du uns alle aus Und was die Doris Langer ist, die hat mir neulich gesagt warum du eigentlich nie mit dabei wärst, wenn's mal irgendwo lustig zugeht. Na, ich weiß ja — laß gut sein!* Doris Langer blieb stehen, lächelte schelmisch, sagte: „Nun? Und der Ball heute abend?" „Ich werde nicht lange da sein." „So? Und Ihre Dame?" „Ich hab' ja keine Dame!" „Ich bin auch nicht eingeladen l" Er hob ruckartig den Kopf. „Max Blasken?" „Nein! Ich wollte nicht." »Ja — Fräulein Langer, ich würde mich ja sehr freuen, abdr jetzt in letzter Minute bittet man doch keine Dame mehr, und Ihren verehrten Eltern müßte ich ja dann auch noch einen Besuch machen." „Oh, Vater ist verreist. Mutter würde gegen ein Uhl für Sie zu sprechen sein." Ein jähes Gefühl der Freude durchzuckte ihn. „Fräulein Langer, dann bitte ich Sie herzlich, mit mir heute abend den Ball zu besuchen." Ihre Hände lagen ineinander, und den jungen Men schen durchrieselte ein sonderbares Gefühl. Sie gingen noch ein Weilchen nebeneinander dahin. An der Ecke drüben trennten sie sich. Als Farnhorst an der hohen Mauer entlang schritt, die den Garten des Großkaufmanns Martin umgrenzte, da i durchzuckte ihn plötzlich schreckhaft der Gedanke: Mein ! Gott, das kostet doch Geld! Was soll ich tun? — Er konnte noch nicht nach Hause. Er mußte gleich sehen, Doris Langer noch zu erreichen. Aber er erreichte sie nicht mehr. Sie mußte sehr schnell gelaufen sein. Da kehrte er um. Ein ganz feiner Sprühregen kam herunter. Es war gut, daß die Wohnung des Onkels nicht mehr weit war. Droben war Besuch. Ein alter, weißbärtiger Mann. Maior Wcndolin (Fottsehung folgt.)