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Veila-e zur Montag, am 16. April 1934 100. Jahrgang Nr. 88 Intrigen um die Saar Kurze Notizen S-Motsiekretär des Reichspostamts Wirklicher Geheimer Rat Dr K aetke, Exzellenz, ist nach längerer Krankheit ge storben Mehr als 50 Jahre, seines Leben hat er im Dienst der Deutschen Reichspost zurückgelegt * Die im Januar für April in Aussicht genommene Kon- kerem der Vertreter der Hauptgläubigerländer mit der Reichsbank findet am 27. April, nachmittags 3 Uhr, in dem Gebäude der Neichsbank statt. * Wie aus Moskau gemeldet wird, wird Außenkommissar Litwinow an der Tagung des Präsidiums der Abrüstungs konferenz in Genf nicht teilnehmen. Seine Vertretung in Genf übernimmt der russische Gesandte in HelsingforZ, Stein. Handwerk im neuen Reich Erster Deutscher Handwerkstag in Stuttgart. Stuttgart, 16. April. Unter der Schirmherrschaft des Reichsstatthalters fand am Sonntag im Hof der Rotebühl-Kaserne der erste Deut sche Handwerkstag statt, an dem 100 000 Handwerker aus allen Teilen Württembergs und Badens teilnahmen. Reichs statthalter Murr sagte in einer Ansprache, das deutsche Handwerk werde heute wieder eine der wertvollsten Be standteile des Volkes, wie es auch eine der ersten und wert vollsten Stützen der nationalsozialistischen Bewegung gewe sen sei. Im Namen des Ehrenmeisters des deutschen Handwerks, des Reichspräsidenten Generalfeldmarschall von Hinden burg, begrüßte daraus der Reichshandwerksführer Präsident Schmidt die süddeutschen Handwerker. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stand der Gedanke des deutschen So zialismus, der auch nach dem Willen des Führers im Be reich des Handwerks seine Anwendung finden müsse. Bei der Verfolgung diese» Zieles mühte das wirt schaftlich« Denken und handeln aller selbständigen Unter nehmer nach neuen wirtschaflsmoralllchen und wirtschafts ethischen Grundlagen ausaerichtet werden. Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Erfolg mühten alle monopolistischen Bestrebungen zur Beherrschung und Ausbeutung der Roh stoffquellen abgestellt werden. Im Auftrage des Reichswlrtschaftsministers sprach Mi nisterialrat Dr. Wienbeck, der als Ursache dieser ersten großen deutschen Handwerkerkundgebung -ie Tatsachen her ausstellte, daß endlich jenes langerstrebte Ziel erreicht wor den sei: ein einiges Handwerk in einem einigen Volke. Schafft Augendherbergen! Dah sich unsere Jungen und Mädel froh und unbeküm mert ihr Vaterland erwandern — das ihnen tatkräftig zu erleichtern wird jeder gewillt sein, der seine eigene Jugend nicht vergessen Hal und der die deutsche Zukunft in den Hän den starker und treuer Verteidiger des heimalbodena wissen will. von Kittinger, Ministerpräsident und Obergruppenführer der SA. ?,Iugend und Arbeit" Line Massenkundgebung in Berlin. Berlin, 16. April. Zu einer Massenkundgebung „Jugend und Arbeit" marschierten etwa 50 000 Angehörige der Hiller-Jugend und des BDM. aus allen Stadtvierteln Berlins im Lust garten auf. Nach Begrüßungsworten des Gebietsführers Jahn sprach der Leiter der Berliner NSBO., Johannes Engel, über den Reichsberufswettkampf. Der nächste Redner, Obergebietsführer Arthur Axmann, erklärte, in der Zeit des Kampfes sei es nicht möglich gewesen, sich ausreichend dem Berufe zu widmen. Jetzt aber könne das Augenmerk wieder au das stärkste dem beruflichen Können zugewen det werden, und darum werde der Neichsberufswettkampf veranstaltet. Dann ergriff Reichsjugendführer Baldur von Schi- rach das Wort. Er führte u. a. aus: Die Jugend sei zu einem Wettstreit aufgerufen worden, wie er größer und ge- waltiger noch nie in der Geschichte der deutschen Arbeiter» schäft durchgeführt wurde. Dieser Wettstreit solle ein neues goeal der Nation entdecken. Jene Aristokratie, die nicht ihr Recht schöpft aus dem Vorrecht der Geburt, aus irgendei- nem übererbten und übereigneten Vermächtnis der Vergan genheit, sondern allein aus dem Willen zum Volk und der Einsatzbereitschaft der jungen Generation. Noch gebe es viel« in Deutschland, die noch nicht die Gemeinschaft begrif fen hätten, die meinten, die Wandlung in Deutschland sei nur eine äußerliche. „Nein, das, wofür wir hier in Berlin fünf Kameraden auf die Bahre gelegt haben, wofür wir in Deutschland 21 opferten, ist mehr, das ist die Bekehrung einer ganzen Nation von der Ichsucht zur Gemeinschaft, das ist das Bekenntnis zum deutschen Sozialismus." Das Dreierkomilee des völkerbundsrales zur Vorbe reitung der Saarabstimmung tritt am Monlagnachmittag zu seiner nächsten Tagung im Palazzo Chigi in Rom unter dem Vorsitz des italienischen Delegierten Baron Aloisi zu sammen. Das Ratskomitee wird in dieser Tagung vorerst den Bericht der Saarjuristen über eine Anzahl wichtiger Fra gen entgegennehmen und sodann den Bericht für die Mai tagung des Völkerbundsrates vorbereiten, in der das Komi tee dem Völkerbundsat Vorschläge für die Vorbereitung der Saarabstimmung unterbreiten soll. Inzwischen ist in Genf ein Schreiben des Präsidenten der Saar-Regierung, Knox, an den Völkerbundsrat be- kanntgeworden, das sich mit der Bildung der Deutschen Front im Saargebiet und der dadurch angeblich geschaffenen Lage befaßt. Knox erwähnt zunächst, daß ihm die Bildung der „Deut schen Front" seinerzeit von ihren Führern angekündigt mor den sei mit der Versicherung, daß man durchaus legal und diszipliniert Vorgehen wolle. Trotzdem habe die „Deutsche Front" am gleichen Tage den Propagandafeldzug eröffnet. Auf Einspruch des Präsidenten der Negierungskommission mit der Feststellung, daß diese Propaganda unvereinbar sei mit dem Grundsatz der Freiheit, der Geheimhaltung und der Ehrlichkeit der Abstimmung, hätten die Führer der „Deut schen Front" beruhigende Erklärung abgegeben. Sie Hütten ihre Propaganda auch in einigen Punkten seitdem gemil dert. Trotzdem müsse die Ncgierungskommission, fährt Knox fort, feststellen, daß die in dem Schreiben gegebenen Zu sicherungen nicht gehalten worden seien. Noch immer arbeite die „Deutsche Front", wenn auch vorsichtiger, nach der glei chen Richtung. So habe die „Deutsche Front" Gratisnum mern von Zeitungen verteilen lassen mit Formularen, die zum Eintritt in die „Deutsche Front aufforderten. Ueberall seien Werbebüros der „Deutschen Front" errichtet worden. Was ganz bedenklich sei: eine große Anzahl von Beamten beteilige sich an diesem Werbedienst. Sogar ein beträcht licher Teil der Beamten der Polizei und der Gendarmerie hätte seine Unterschrift schon gegeben. „Die Regierungskommission", schließt der Brief des Präsidenten Knox, „erkennt, daß es sich hier um ein mit der Abstimmung zusammenhängendes Problem handelt, das zum grüßen Teil ihre eigene Befugnis überschreitet. Aus diesem Grunde hält sie es für ihre Pflicht, die ernsteste Auf merksamkeit des Völkerbundsrates auf ein Manöver zu richten, das schon heute darauf gerichtet ist, die Freiheit, die Geheimhaltung und die Aufrichtigkeit einer eventuellen Ab stimmung zu kompromittieren!" Die Deutsche Front hält Disziplin Wie abwegig die „Feststellungen" des Herrn Knox sind, zeigt am besten eine Bekanntmachung, die im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers die Landesleitung der Deutschen Front veröffentlicht. In ihr heißt es: In der letz ten Zeit werden wiederholt Versuche gemacht, unter irgend welchem Deckmantel verbotene kleinere Gruppen aufzu stellen, und zwar versuchen diese Leute cs mit der Angabe, die Ziele der Deutschen Front zu verfolgen. Es ist ganz selbstverständlich, daß es sich hier um gewissenlose Sabo teure handelt, die nichts mit den Zielen der Deutschen Front zu tun haben, wohl aber zu der anderen Seite zu rechnen sind. Der Landesleiter der Deutschen Front bringt aus die- ! sem Grunde allen zur Kenntnis, daß für die gesamte Mit gliedschaft mit sofortiger Wirkung eine zweite Mitgliedskarte ausgestellt wird. Diese zweite Mitgliedskarte wird jedoch erst nach der Abstimmung ausgegeben und ist die einzige Legitimation dafür, daß der Inhaber dieser zweiten Karte bis zum Ab stimmungstage innerhalb der Deutschen Front strengste Disziplin gehalten hat. Im Einvernehmen mit dem Stellver treter des Führers wird daher bekannlgegeben, daß nur jene nach der Rückgliederung in die NSDAP. des Reiches ausgenommen werden, die im Besitz der zweiten Karle sind. Unter diese Bekanntmachung fallen selbstverständlich auch alle allen Mitglieder der NSDAP. Im Einvernehmen mit dem Stabschef Röhm wird fest gestellt, dah diese Regelung auch sinngemäß für die Auf nahme in die SA. und SS. nach der Rückgliederung des Saargebieles gellen soll. Jegliche illegale Betätigung von angeblichen SA.-Formationen, die lediglich von Provoka teuren verursacht sein könnte, hat unweigerlich zur Folge, daß eine Aufnahme der Betreffenden in die SA. bzw. SS. unmöglich wird. Nationalsozialismus! Regelung der Urlaubsbezahlung im Ruhrbergbau. Gelsenkirchen, 16. April. Bei einer Kundgebung der NSDAP, und der Deut schen Arbeitsfront in Gelsenkirchen erklärte Dr. Ley, daß er von den Schwierigkeiten gehört habe, die in der Frage der Urlaubsregelung für die Bergarbeiter des Ruhrgebiets entstanden seien. Man habe ihm mitgeteilt, daß die Berg arbeiter des Ruhrgebiets lediglich 70 o. H. ihres Urlaubs bezahlt erhalten sollen. Dr. Ley erklärte, dah, falls die Verhandlungen mit dem Syndikat erfolglos auslausen würden, die Deutsche Ar beitsfront sich entschlossen habe, die Bezahlung der restlichen 30 v. H. des Urlaubs der gesamten Bergarveiterschaft des Ruhrgebiets selbst zu tragen. Diese Erklärung Dr. Ley» fand ungeheuren Beifall. (Stapellauf der „Deutschland" Ein Arbeiter tauft das Schiss. Bremen, 16. April. Auf den Atlas-Werken in Bremen fand der Stapel lauf des von der Reederei Otto Schreiber in Auftrag gege benen Dampfers „Deutschland" statt, der im Unterweser- oertehr Verwendung finden soll. Die Taufrede hielt Kreio- leiter Wegener. Um den Gedanken der Volksverbunden heit im nationalsozialistischen Deutschland einen symboli schen Ausdruck zu geben, wolle man die Taufe durch einen Arbeiter, der an dem Bau des Schiffes mitgewirkt habe, vornehmen lassen. Dann trat der Arbeiter Behrens vor und zerschellte die Flasche an dem Bug des Schisses mit den Worten: „Ich taufe dich Deutschland". Unter den klängen des Deutsch land-Liedes setzte sich der Schiffskörper in Bewegung und glitt immer schneller, von lauten Hurras bealeitet, in die Wellen. Kirchenkonfltkt in Württemberg Stuttgart, 16. April. In Württemberg hat der Snnodalausschuh dem Lan- desbischof Wurm durch die Ablehnung des gesamten Kir chenhaushalts das vertrauen versagt. Landesbischos Wurm, dem von seinen Gemeinden voraeworfen wird, dah er als Persönlichkeit im neuen Deutschland untragbar bei, und dessen Beziehungen zu dem bekannten Pfarrer-Rotbund von seinen Gemeinden nicht verstanden werden, weigerte sich, aus dem Mihtrauensvotum die Konsequenzen zu ziehen. Dadurch herrscht in Württemberg ein Kirchennotstand, der in weite Kreise der Bevölkerung Beunruhigung trägt. Zur Behebung dieser Beunruhigung hat sich der Reichs- statihalter von Württemberg-Hohenzollern telegraphisch an den Reichsbischof mit dem Ersuchen gewandt, umgehend in die württembergischen Kirchennotstände Ordnung zu brin gen. Der Reichsbischoj hat sich nach Stuttgart begeben. Der Mai im (Saargeviet Kundgebungen unter freiem Himmel verboten. Saarbrücken, 16. April. Die Regierungskommission hat der Presse eine Mit teilung zugehen lassen, in der sie verschiedene Maßnahmen zur Kenntnis bringt, die sie für dos Fest der Nationalen Arbeit am 1. Mai vorgesehen hat. Danach sind öffentliche Aufzüge und Kundgebungen unter freiem Himmel verboten. Um die von den Arbeitnehmern der Staatsbetriebe vielfach gewünschte Arbeitsruhe zu gewähren, wird di« im Mai oor- geiehene Feierschicht auf den 1. Mai gelegt. Da die staat lichen und kommunalen Aemter offen sind, werden außer gewöhnliche Beurlaubungen am 1. Mai nicht gewährt. Zwischenspiel in Gens Die Vorschläge der neutralen Staaten. Genf, 15. April. An Genf wurde eine Denkschrift veröffentlicht, di« die gemeinsamen Vorschläge Schwedens, Dänemarks, Spaniens, Norwegens und der Schweiz zur Abrüstungsfrage enthält. Die holländische Regierung hat ihnen grundsätzlich zugestimmt, stellt aber fest, daß sie sich nicht jedes Wort der Denkschrift zu eigen mache. Die Denk schrift, die ihr Entstehen der Initiative Schwedens verdankt, geht von dem britischen Abrüstungsoorschlägen aus. Sie steht ähnlich wie Großsiegelbewahrer Eden auf dem Standpunkt, daß es möglich sein müsse, durch ein« Anpassung d«r eng lischen Vorschläge zu einem für all« annehmbaren Abkommen zu gelangen. Man fühl« sich verpflichtet, schon jetzt di« Aufmerksam keit der Abrüstungskonferenz auf oie wichtigsten Grundsätze zu richten, bei deren Beachtung eine Lösung möglich erscheine. Diese Grundsätze werden dann in vier Punkten entwickelt: 1. Man müsse sich vorläufig mtt einem Abrüstunasab- kommen begnügen, das nur bestimmte Gebiet« der Rüstung umfasse. Jede Entscheidung, die die Aufrechterhaltung oder Abschaffung der Militärluftfahrt betreffe, werde gleichfalls verschoben. Die englischen Vorschläge mühten durch da» be dingungslose Verbot des Luftbombardemenks verflärkk werden. 2. In diesem Rahmen sei es wesentlich, wenigstens einige^ Maßnahmen für eine tatsächliche Abrüstung ins Auge M fassen. 3. Das Abrüstungsabkommen müsse in bescheidenen» Mähe eine praktische Durchführung der Gleichberechtigung! sichern. 4. Lin Abkommen dieser Art scheine nicht durchführbar zu sein ohne eine Verstärkung der Slcherheitsbürgschafken über das hierfür in der englischen Denkschrift vorgesehene Mah hinaus. Vor allem werd« man tatsächliche und präzise Ausfüh- rungsbürgschaflen für das Abkommen ausarbeiten müssen. In diesem Zusammenhang erklärt die Denkschrift die Rück kehr Deutschlands in den Völkerbund für einen Beitrag zur Frage der Sicherheit. An diese Vorschläge knüpft die Denkschrift noch einige interessante Bemerkungen über die Abrüstungsfrag« an. Die! Konferenz befinde sich am Scheideweg«, entweder ein« be schrankte, aber tatsächliche Verminderung der Rüstungen gleichzeitig mit einer mäßigen Wiederaufrüstung gewisser Staaten zu billigen oder aber bei einer einfachen Festlegung! des Status quo mit einer sehr vi«l stärkeren Wiederauf rüstung rechnen zu müssen. Die Unterzeichner der Denkschrift! sprechen sich für die erstere Lösung aus.