Volltext Seite (XML)
l^rdoberrLLbtsscbut?: künk Türme-Verlag, Halle (Laalol harten beide gefährlichere Kämpfe zu bestehen! So schlimm war es denn doch nicht. Der Herr, der Sic so in Schrecken »l Nachdruck verboten. Der Botcumcistcr erschien gleich darauf wieder mit dem Verlangten. Seeberg legte in jede der Mappen ein eben bearbeitetes Aktenstück mit der Aufschrift: „Ge heim!" Dann verschloß er die beiden Mappen. Jeden Schlüssel legte er in einen besonderen Briefumschlag, den er an die Stelle adressierte, an die die Akten weitergelcitet werden sollten. Dann befestigte er die Briefumschläge an den dazugehörigen Mappen. Ter Botcnmeister quittierte über die Gchcimakten und nahm sic daun in ihren Eil hüllen zur Beförderung mit. Kritisch musterte Seeburg die Eingänge auf dem Tisch. Das versprach ja wieder einen langen Arbeitstag! Da mußte der Körper, die Maschine geheizt werden. Er mußte wirklich eine Mittagspause einlcge». - Jede Gegend, jede Stadt hat ihre eigene Art von Restaurants. In der Nähe der Fabriken, die keine eigenen Kantinen haben, befinden sich kleine Kneipen, im Zeitungs- Viertel ist eine Anzahl Cafes, die nicht nur darauf ein gerichtet sind, daß in der Mittagspause eine Anzahl männ licher und weiblicher Angestellter rasch eine Tasse Kaffee oder Schokolade trinken, sondern noch mehr den ständigen Kaffeedurst in den Redaktionen zu decken. In der Nähe der Behörden hat sich eine Art von Gaststätten angesicdelt. Eine gewisse Trennung der Rangstufen macht sich da gellend. Eine halbe Stunde nicht unter den Augen des unmittelbaren Vorgesetzten zuzubringen, der im Lokal nebenan frühstückt, scheint ost schon eine Erholung. Die Frühstücks- und Mittagspause bietet reichlich Gelegenheit zu dem in allen Büros blühenden Klatsch. Seeburg war nicht in der Stimmung, die gleichen Ge sichter zu sehen, die täglich in dem kleinen Restaurant saßen, in dem er zu csseu pflegte. Er wollte an dem kleinen Stammlokal vorbei nach ocn Linden, um nach der Neuen Wilhelmstraße zu gelangen. Knapp vor dem Ziel hörte er eine Helle Damenstimmr lebhaft und offensichtlich in großer Erregung französisch mit einem Herrn sprechen, der sic offenbar nicht verstand. Seeburg erkannte Wonne Dnmont, die sich augenscheinlich die Belästigung Durch diesen Herrn verbat, der ihr schon eine ganze Strecke gefolgt zu sein schien. Schnell trat See burg auf Nvonnc zu. In ihren schönen Zügen spiegelten sich Freude und eine sichtbare Erlösung. „Herr von Seeburg! Welch ein Glück, daß ich Sie treffe! Schrecklich! Ich konnte diesen Herrn nicht los werden! Er verfolgt mich schon die ganzen Linden ent lang. Deshalb bin ich gleich in diese Straße cingebogen. Wo bin ich hier eigentlich?" ! „Einen Augenblick, mein Fräulein." Seeburg trat auf den Herrn, der einen Schritt zurück geblieben war, zu, lüftete den Hut und sagte in höflichem, aber bestimmtem Ton: „Mein Herr, die Dame — übrigens eine Ausländerin, die nicht deutsch sprechen kann — verzichtet auf weitere Begleitung. Die Dame steht unter meinem Schutz. Ich hoffe, daß Sic Ihren Irrtum emsehen." Der Fremde griff an seinen Hut, murmelte ein paar undeutliche Worte und war gleich darauf »ach den Linden zu verschwunden. Wonne Dumont lächelte Seeburg dankerfüllt an. „Oh, ich bin Ihnen so dankbar, Herr von Seeburg. Es war so peinlich! Immer hörte ich die Schritte hinter mir. Und französisch schien der Herr nicht zu verstehen. Man ist so hilflos in einem fremden Lände, wenn man seine Sprache nicht kennt! Was hätte ich nur gemacht, wenn Sie nicht als rettender Engel erschienen wären? Ich bin ganz krank vor Aufregung." „Dann müssen wir etwas für Ihre Stärkung tun, Mademoiselle Dumont. Oder" — er zögerte — „darf ich sagen, Fräulein Wonne?" „Oh, Sie wissen auch meinen Vornamen? Es klingt hübscher, wenn Sie Fräulein Wonne sagen, als das steife: Fräulein Dumont." „Ich werde sehr gern das sagen, was besser klingt, Fräulein Nvonnc! Aber Sic müssen nach dem Schreck nun wirklich eine Kleinigkeit genießen. Dars ich Sie zu einem kleinen Lunch einladcn?" „Ich habe hier an der Ecke ein nettes Cafe gesehen. Es erinnert mich sehr an Paris. Man hat kleine Tische auf die Straße gestellt, wie bei uns. Und es ist eine sehr be lebte Ecke, selbst für Berlin. Wollen wir dort hin?" „Aha! Sie meinen offenbar Kranzlcr, Fräulein Wonne?! Bitte, hier entlang! Es sind nur ein paar Schritte." Auf dem kleinen Balkon im ersten Stock nahmen Wonne Dumont und Seeburg Platz. - Wonne bestellte für sich Kaffee, und Seeburg, der durch die Begegnung um seine Mittagmahlzeit gekommen war, ließ sich auch ein paar belegte Brötchen geben. Als der Kellner sich nach Er ledigung seines Auftrages wieder entfernt hatte, ergriff Wonne impulsiv Seeburgs Hand mit einem warmen Druck. „Nochmals meinen Dank für Ihre Hilfe, Herr Baron! Gie sind erschienen wie der Ritter Sankt Georg, oder, wie hAßt doch der jugendliche Held aus der Oper Ihres großen ISvÄponiften Wagner? — Ich weiß es jetzt: Siegfried." »Nun. Fräulein Wonne, Sankt Georg und Siegfried versetzt hat, war durchaus harmlos. Aber wir wollen über eine solche Selbstverständlichkeit doch nicht so viele Worte verlieren. Es war mir eine große Freude, gerade Ihnen behilflich zu sein. Aber im Grunde genommen eine Selbst verständlichkeit..." „Oh!, die edlen Ritter in Ihren Märchen und Sagen waren nicht so kühl, .Herr Baron. Wenn ich gelesen habe, daß sie haben bestanden Abenteuer für eine Dame, sie babcn immer gefordert — und ich glaube, auch einen Dank erhalten." Ein feuriger und zugleich schelmischer Blick traf See burg. Der sah Nvonnc Dumont im ersten Augenblick nur belustigt an. Aber in seine Augen trat bald ein Licht, das sic dunkler färbte. Er lachte etwas gezwungen. „Fräulein Wonne! Sie haben erstaunliche Kenntnisse in der deutschen Literatur. Umsere Kultur hat uns gelehrt, bescheidener in unseren Ansprüchen auf den Dank schöner Frauen zu sein." „Hat das die Kultur getan? Ich habe es sonst noch nie bemerkt. Oder sind Sie, lieber Freund, nur ein Exem plar von besonderer Bescheidenheit? Ich habe immer ge dacht, im Grunde genommen sind die Menschen aller Zeiten sich gleich geblieben?" „Sie sind eine gefährliche Gegnerin in der Debatte, Fräulein Nvonnc! Es stimmt auch, was Sie behaupten. Aber — man kann nicht alles sagen, was man denkt. Und" — Seeburg holte tief Atem, fuhr dann leiser fort — „noch weniger, was man wünscht und begehrt." Wieder traf ihn blitzschnell ein Blick Wönnes. „Warum kann man nicht? Oh, was seid ihr deutschen Männer schwerfällig. Ein Franzose, er hätte nicht gesagt"- — Yvonne Dumont äffte drollig Seeburgs ernsten Ton nach —, „man kann nicht, er hätte zu sagen gewußt, was' er wünscht." „Wonne! Wissen Sic denn, was Sie eben aus gesprochenhaben? Soll, darf ich Ihnen gestehen...?" Wonne Dumont unterbrach Seeburg leise. Fast flüsternd, zärtlich kam es von ihren Lippen: „Sie dürfen — nein, Sie sollen, lieber Freund...!" „Daß ich Sie liebe?" „Glauben Sie, daß es eine Frau gibt, die das nicht gern von Ihnen hören würde, mein Freund? Noch dazu, wenn Sie es schon viel länger weiß als Sie selbst?" Wonne sah sich schnell um und fuhr dann mit einer streichelnden Handbewegung über Seeburgs Hand. „Sie, Wonne? Sie wußten, was ich für Sie emp finde?" „Ich hätte blind sein müssen, wenn ich es nicht gemerkt Hütte, lieber Freund! Aber hier ist nicht der Ort, von solchen Dingen zu sprechen. All die Menschen um uns herum! Nein, hier kann man kein intimes Wort reden. Aber ich habe mich noch zu revanchieren für Ihre Ein ladung hier. Trinken Sie heute eine Tasse Tee bei mir! Dann dürfen Sie mir sagen — aber mit schöneren Worten, als Sie es hier im Lokal können —, was Sie denken. Frauen hören gern, wenn ein Mann, der ihnen gefällt, ihnen Nettes sagt. Aber bringen Sie mir nicht einen Blumengarten mit, wie ihr Männer das gern tut. Weder das Mädchen noch das stolze Fräulein Irene brauchen zu wissen, daß wir uns gut sind. Und nun, mein Freund, muß ich weiter. Auf Wiedersehen heute abend!" Seeburg küßte zum Abschied zärtlich Wönnes Hand. Dann sah er der eleganten, schönen Frau sehnsüchtig nach. Wie gern wäre er jetzt mit ihr hinausgefahren ins Freie, wo nicht jedes Wort, jede Bewegung von neugierigen Menschen beobachtet wurde! Aber die Arbeit rief. Er mußte wieder ins Amt, in die Tretmühle. Hastig zahlte er. Es war später geworden, als er gewollt hatte. Bald saß er wieder an seinem Schreibtisch. Es gehörte viel Willenskraft dazu, bei der Arbeit zu sein, denn von jedem Aktenstück leuchtete ihm Wonne Dumonts rassige Erscheinung entgegen. Seeburg aber war nicht der einzige, der sich in Ge danken mit Ivonne Dumont beschäftigte. Auch Kriminaldircktor Doktor Miller hatte sein Inter esse an der schönen Französin nicht verloren. Freilich waren seine Gedanken weniger zärtlich als die Seeburgs. Das Material, das er über Wonne Dumont bisher zu sammengetragen hatte, befriedigte ihn nicht. Es war bis her nicht festzustellen, ob sie mit Celia Baruska, der ver dächtigen Rumänin, identisch war. Alles Suchen nach einer Photographie der Rumänin und der Versuch, ein Bild von ihr zu bekommen, waren vergeblich gewesen. Doktor Miller hatte, was er sonst gern vermied, mit einem Kollegen über den Fall gesprochen. Er hatte ihm von Nvonnc Dumont erzählt, dabei natürlich Seeburgs Namen ganz aus dem Spiel gelassen und nur erwähnt, daß ein junges Mädchen ein seltsames Gespräch belauscht habe, das in früher Morgenstunde zwischen der Dnmont und dem ihr angeblich unbekannten Zimmernachbarn in deutscher Sprache stattgefnnden habe, während dies Fräu lein Dumont angeblich kein Deutsch könne. Aber der Kollege Werbet, der ein Skeptiker war, hatte Miller aus gelacht. „Wenn Sie weiter keine Verdachtsmomente haben, Kollege, wie die Erzählung eines eifersüchtigen Mädels — denn sicher ist da Eifersucht im Spiel —, dann lassen Sie die Finger lieber davon. Nach Ihrer Erzählung liegt die Sache doch so: Ihr Gewährsmann oder besser Ihre Ge- währssrau hat in der Nacht eine Unterhaltung belauscht. Nehmen wir an, das sei richtig. Dabei hat cs sich heraus- gcstcllt, das; die beiden Zimmernachbarn sich kennen, dies aber verheimlicht haben. Endlich hat der Russe — es war doch der Russe? — das Fräulein Dumont anders an- gercdet, als wie sie heißt. Na, Kosenamen oder Familien- bezcichmmgcn sind manchmal das Verrückteste, was man sich vorstellen kann. Da findet sich kein Mensch zurecht. Und gehört hat das junge Mädchen dazu den angeblichen Namen nur durch die Tür. Warum die beiden verheim lichen, daß sie sich kenne», weiß ich auch nicht. Wie Sie aber auf diese simplen Tatsachen ein ganzes Verdachts- gebäudc aufbaucn lpollcn, ist mir nicht verständlich. Nun ist noch 'von den geheimnisvollen Leuten in Paris die Liede gewesen, die ungeduldig werden. Und die Frau hat sich beklagt, daß sie nicht weiterkommt. Ja, Kollege, das kann sich doch schließlich aus alles mögliche beziehen. End lich will die Dame, die Ihnen die Mitteilungen machte, noch den Namen ihres Angebclcnen gehört haben. Die Dumont hat wahrscheinlich einen ganz anderen Namen genannt. Aber daß ein verliebtes Mädchen denkt, alle Welt beschäftige sich mit i h in, das sollte Wohl ein so er fahrener Kriminalist doch wissen. Also worauf, in aller Welt, stützt sich nun Ihr Verdacht? Aus das Gerede eines eifersüchtigen Mädels? Offenbar doch auch daraus, daß der Geheimnisvolle etwas Feuer gefangen hat. Dafür kann doch die hübsche Französin nichts! Also, da Sie mich gefragt haben — meine Antwort lautet: Hände weg! Wirkliche Verdachtsgründe liegen nicht vor, und Sie sitzen eines Tages schön in der Tinte." Verstimmt hatte Doktor Miller das Zimmer des Kriminalrats Werbel verlassen. Was Werbet gesagt hatte, war nicht zu widerlegen. Aber Werbel und Doktor Miller- Waren sich noch nie einig gewesen. Werbel glaubte nur an Tatsachen. Aber Doktor Miller schwor Darauf, daß zum Kriminalisten noch mehr gehöre. „Witterung!" nannte er cs. Es >var etwas Gefühlsmäßiges. Und cs hatte Miller bisher selten getäuscht. Wenn Miller „Witterung" hatte, dann trug er natürlich auch noch Tatsachen zusammen. Der Verdacht genügte natürlich -ncku. Es mußten selbstver ständlich Beweise sein. bi e u ntes Ka p itcl. Aber darum handelte cs sich ja gerade, diese Beweise zu beschaffen. Das war bisher nicht gelungen. Das stimmte! Ja, wenn Irene einen beliebigen Vornamen ge hört hätte! Aber es war doch der Vorname einer Frau gewesen, Vic als verdächtig bekannt war. Und wie hätte Irene auf diesen Namen kommen sollen, den sie noch nie gehört oder gelesen hatte? Freilich gab cs auch andere Menschen mit dem gleichen Vornamen. Wenn Miller nicht uni Sccbnrg in Sorge gewesen wäre, wahrscheinlich hätte er die Sache auch fallen lassen. Doch Seeburg war es schließlich wert, daß man ihm zu liebe auch einem Fall nachging, der nicht klar lag. Zeigte sich, daß Fräulein Dumont wirtlich harmlos war — nun, dann konnte man die Akten immer noch schließen. Aber die Flinte ins Korn werfen, weil das Wild nicht so leicht zu erlegen war, das war nicht Doktor Millers Sache. Das Telephon der Hauszcntrale läutctc. Doktor Miller nahm den Hörer: „Ein junger Mann möchte Herrn Doktor sprechen. Er heißt Franz Walburg. Was soll ich für Bescheid geben?"' „Lassen Sie ihn zu mir führen." Doktor Miller legte den Hörer auf und zündete sich eine Zigarre an. Was wollte der Junge? Hatte er wieder was augestellt? Es klopfte. Der junge Walburg trat auf das „Herein!" Doktor Millers ins Zimmer. „Was bringen Sie Schönes, Walburg? Haben Sie wieder ein Aktenstück gesichert?" „Nein, Herr Kriminaldircktor! Davon habe ich genug. Aber Sie hatten mir damals erlaubt, wiedrr einmal vor zusprechen, wenn ich im Auswärtigen Amt nicht bleiben dürfte..." „Will man Sie dort nicht mehr behalten, Walburg?" „Ja — das schon! Es hat sich, dank Ihrer Fürsprache, alles wieder eingerenkt. Aber ich passe nicht dahin. Und deshalb möchte ich gern noch einmal frage», ob es.eine Möglichkeit gibt, daß ich bei der Kriminalpolizei beschäftigt werde? Ich hätte zu so einer Tätigkeit, wie Sie sie haben, viel mehr Lust, Herr Kriminaldirektor." „Sachte mit den jungen Pferden, mein Junge. Erstens habe ich auch nicht gleich den Posten gehabt, den ich jetzt bekleide, und zweitens: leicht und sehr angenehm ist mein Beruf auch nicht. So mit der Tabakspfeife herumlaufcn, alle Leute aus den Augenwinkeln ansehen und dann mit dem Revolver in der Hand als stolzer Meistcrdctcktiv den Täter verhaften wie man das jahrelang im Kino vor- gesührt hat, so einfach ist die Sache nun doch nicht." „Das weiß ich, Herr Direktor, aber was ich jetzt zu tun habe: immer Akten abschreiben — ich halte es nicht aus. Und dazu noch die ewige Schikaniererei von dem Male- sius? Seit der so viel Geld hat, ist cs nicht auszuhaltcn mit ihm." „Sic meinen wohl den Herrn Assessor von Malesius? Seit wann hat der denn ,so vicl'Geld', und woher wissen Sie das denn?" „Na, früher, da kam er ost: .Walburg, holen Sie mir doch mal zehn Zigaretten zu drei. Cie müssen es aber auslegen. Gestern haben sie mich mächtig gerupft.' Und auf einmal raucht er die teuersten Zigaretten. Hat immer ganze Schachteln da und tut, als ob er wer weiß was wäre. Seitdem ich ihm gesagt habe, ich kümmere mich nicht darum, was der Herr von Seeburg für Akten in sein Zimmer bekäme, und ob er 8. 518 zur Bearbeitung hätte, seitdem ist der Teufel los! ' artsebuna iolatLt z