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Ihr Vater hatte den Part gepflegt; damals hatte,es .feine, kiesbestreute Wege gegeben, verschnittene Bäume kurzen, englischen Nasen. Jetzt wucherte alles wild,' .wie es der liebe Gott wachsen ließ. Aber gerade diese Wildheit gefiel Leonore. I, Ueppig blühten die Notdornbüsche, der Jasmin wucherte, und der Flieder zeigte seine schon ins Verblühen übergehenden Dolden. Goldregcnsträucher prangten mit ihren herabhängenden, giftigen gelben Vlütentrauben, da- 'zwischen standen Gruppen ernster, hoher Tannen. Die Laubbäume zeigten den Schmuck ihrer'neuen Blätter, auf den weiten Wiescnflächcn wucherten bunte Blumen. - Märchenhaft schön war dieser Park, wie ein ver wunschener Garten. Die Zeit schien hier stillgestanden zn sein. Fast bewunderte Leonore den Vetter, der diesen Schimmer von Romantik um sich zu breiten vermochte. 1 „Oh, wie schön, wie wunderschön ist es hier!" rief sie entzückt aus. ! „Wirklich, gefällt es Ihnen, gnädiges Fräulein?" fragte Bruno, Leonore mit dankbaren Blicken ansehend. „Oh, es ist herrlich! Aber — Bruno, sagen Sie doch nicht gnädiges Fräulein, das kann ich nicht leiden und patzt auch nicht zu einer Sekretärin. Sagen Sie ruhig Fräulein Lore, das gefällt mir besser!" „Fräulein Lore ... oh, ich danke Ihnen!" Der junge Baron kützte Leonore enthusiastisch die Hand. , „Und ich? Darf ich auch Fräulein Lore sagen?" fragte eifrig Erich und hing sich an Leonores Arm. „Natürlich, Erich!" „Famos! Sie gefallen nur überhaupt ausgezeichnet/ Fräulein Lore! Sie scheinen keine solche Zimperliese zu^ sein wie die meisten anderen Damen, die ich kenne. Würden! Sie sich auch trauen, in einem Flugzeug zu fahren?" „Ob ich mich das traue! Ich bin ja schon geflogen." „Sie sind schon in einem Flugzeug gefahren?" „Ja, von Berlin nach Kopenhagen, als ich meine' Freundin besuchte." „Haben Sie Angst gehabt?" , „I wo, nicht die mindeste! Auch das erstemal nicht,' als ich aus dem englischen Pensionat kam und nach Deutsch land zurückflog." „Sie waren in einem englischen Pensionat?" fragte jetzt Bruno, doch ein wenig erstaunt. i Leonore wurde rot. Datz sie sich immer wieder ver- schnapptc! Doch hier bei den Jungens w ürde'es wenig stens nicht viel auf sich haben. „Ja! Ist das so schlimm? Das war früher, als es mir noch gut ging. Jetzt mutz ich mir halt mein Brot selber verdienen. Die Zeiten haben sich gründlich geändert." „Sind Sie sehr unglücklich darüber, Fräulein Lore?" „Ach wo! Im Gegenteil, ich bi» quietsW»NDgt.,WH Leben ist immer schön, wenn man es zu neyMn^weiW Der kleine Erich war einige Schritte vyraüsgermgttz, »Ach, Fräulein Lore!" seufzte der SelunÄiner tiefstem Herzen. „Was ist denn, Bruno? Wo drückt der Schuh? Kann ich Ihnen helfen?" -- „Ach, wenn ich Ihnen nur wenigstens mein Herz aus schütten könnte — aber..." 's Bruno flüsterte es und zeigte dabei auf Erich. In diesen« Augenblick drehte sich der Junge"herum und ries lebhaft: „Hast du gesehen, Bruno? — Ein Pfauenauge! Ich mutz ihm nach, vielleicht kann ich es fangen ..." Er stürmte davon, quer über die Wiese. „Fräulein Lore ... oh ... ich bin so unglücklich!" „Um Gottes willen! Warum denn, Bruno?" „Vater will doch, ich soll Zoologie studieren oder so, etwas Achnliches, damit ich später — ehe ich das Majorats übernehme — Expeditionen unternehmen kann wie Onkel! Altenberg. Aber — ich habe so gar kein Interesse für diese! Dinge. Ich schwärme nur für die Kunst und für die Musik.! Am liebsten möchte ich Musiker werden oder vielleicht auch Schauspieler. Oh — vor einer andächtigen Hörerschaft zu musizieren oder Klassiker spielen — das mutz herrlich sein! Die Menge mit sich reihen, Freude bereiten, Ovationen be kommen. Nur das würde das Leben lebenswert machend Wie herrlich sind alle diese Lichtungen, angefange^ von Homer bis zu Goethe! Han könnte sich ganz in sie, versenken; es ist ganz gleichgültig, ob sie aus der deutschen Literatur kommen, aus der griechischen oder aus der französischen. Jmnrer sind es Wunderwerke. Welch eine Poesie, welch eine Beschwingtheit liegt in diesen Dich tungen! Verstehen Sie das, Fräulein Lore? Können Sie mich begreifen?" Leonore sah das zarte, blasse Fungensgesicht mit seinen übernatürlich glänzenden Äugen fast betroffen an. Wie konnte dieses schmächtige Kind auf einmal reden! Es wai^ wirklich, als ob ein Künstler in ihm verborgen wäret Eine Künstlernatur, die uqch gefesselt war durch dis Bindungen der Erziehung Md des Drills, die sich aber! dnrchrang gegen alle HemmMgLN» Segen den Willen des Vaters und gegen allen'Gehorsam. Dieser schüchterne j^nge Hensch, der auf der Stu^ stand zwischen Knabe.und Jüngling, der kaum zu reden! wagte, wenn der Vater ihn "examinierte"..wie beredt er> sein konnte, wie er aus sich herausging. ' Leonore vergas; in diesem Augenblick die Schrankens die sie jetzt eigentlich von diesem Jungen trennten. Das' verwandtschaftliche Band war stärker als die Vernunft? Sie legte ihren Arm um die Schulter Brunos, kützte'ihn guf die Stirn. Sie find.wie Ms zMMejMkch^W^HMt k^te voll«-JMs ,kKsW,LMoMMuMeijM ' MVr^Brüno? wer 'MM so wild und so ungestüm fein!" »Ach, Fräulein Lore, noch nie hat mich jemand, ver- AWKikl Vater will'so etMs nkD' höMn, Md* Wh vkel zu jung und zu -Mm dazu« Mer ÄLMäülel« Wre... oh, Sie sind so wunderschön uiWsyMt!" Voll ehrlicher RewünEMg^fkarrteKM^ äugen an „Sie sind die schönste Frau, die ich je gesehen Habel Was "ist MW Verneil gegen Sie ...!" Leonore horchte auf. Was mußte sie da hören? Sollte der Sechzehnsührige schon Dummheiten machen? „Bruun., wer ist diese Mia Verneil?" „Die größte Künstlerin der Welt, der Star des Jenaer Stadttheaters. Oh, sie spielt eine Maria Huart... sie,P eine herrliche Künstlerin. Sic müßten sie sehen, als Iphi genie — sie hat mich ganz bezaubert..." ,OH, Bruno, wenn das der Vater wühts..^!" „Sie werden mich nicht verraten, Fräülein Lore? Im habe mir wirklich nichts zuschulden kommen'lassen. Nur in meinen Gedichten habe ich sie besungen." „Sie dichten, Bruno?" „Ja! Darf ich Ihnen einmal etwas vorlesen?" fragte Bruno in atemlosem Entzücken. „Aber still, später ..." „Entwischt ist er mir, und dabei hatte ich ihn beinah schon gehabt." Erich war ganz außer Atem, als er setzt gelaufen kam. „Na, mutz ich ihn halt sein lassen. Wollen wir ein wenig gondeln, Fräulein Lore? Drüben auf unserem Teich? Ich rudere. Können Sie steuern?" „Natürlich kann ich das!" „Können Sie denn auch rudern?" „Jawohl, auch das kann ich!" . „Au, sein, dann rudern wir beide, und Bruno geht? ans Steuer." „Was du nur immer mit deinem albernen Gondeln! hast, Erich? Wenn du absolut Kahn Mren willst, dann tue es doch allein und störe andere Menschen nicht mit deinen Kindereien." „Ach, du kannst ja vom User aus zusehen, Bruno, wmp! du nicht mit uns fahren willst! Sonst wird es dir schließ lich nur wieder schlecht, wie l as letztemal."- kFortsehung folgt.)