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IV. Wagner: Ouvertüre zu „Tannhäuser“. Im Beginn führt uns öas Orchester allein öen Gesang öer Pilger vor, er naht, schwillt dann zum mächtigen Ergüsse an, unö entfernt sich enölich. — Abenddämmerung: letztes Verhallen öes Gesanges. — Beim Einbrüche öer Nacht zeigen sich zauberische Erscheinungen: ein rosig eröämmernöer Duft wirbelt auf, wollüstige Jubelklänge dringen an unser Ohr; wirre Be wegungen eines grauenvoll üppigen Tanzes lassen sich gewahren. Dies sind die verführerischen Zauber des „Venusberges“, die in nächtlicher Stunde denen sich kunögeben, in deren Brust ein kühnes, sinnliches Sehnen brennt. — Von öer verlockenden Erscheinung angezogen, naht sich eine schlanke männliche Gestalt: es ist Tannhäuser, öer Sänger öer Liebe. Er läßt sein stolz jubelndes Liebeslied ertönen, freudig unö herausfordernd, wie um öen üppigen Zauber zu sich herzuzwingen. — Mit wildem Jauchzen wird ihm geantwortet: dichter umgibt ihn Öas rosige Gewölk, entzückende Düfte hüllen ihn ein und berauschen seine Sinne. Im verführerischsten Dämmerscheine vor ihm ausgegossen, gewahrt sein wunöersichtiger Blick jetzt eine unsäglich reizende Weibesgestalt; er hört die Stimme, die in süßem Erbeben ihm öen Sirenenruf zutönt, öer dem Kühnen die Befriedigung seiner wildesten Wünsche verheißt. Venus selbst ist es, die ihm erschienen. — Da brennt es ihm durch Herz unö Sinne; ein glühend zehrendes Sehnen entzündet Öas Blut in seinen Adern; mit unwiderstehlicher Gewalt treibt es ihn näher, und vor die Göttin selbst tritt er mit seinem Liebesjubellieöe, öas er jetzt in höchstem Entzücken zu ihrem Preise ertönen läßt. — Wie auf seinen Zauberruf tut sich nun öas Wunder öes Venusberges in hellster Fülle vor ihm auf; un gestümes Jauchzen unö wilder Wonneruf erheben sich von allen Seiten; in trunkenem Jubel brausen die Bacchantinnen daher unö reißen in ihrem wütenden Tanze Tannhäuser fort bis in die heißen Liebesarme öer Göttin selbst, die ihn, öen in Wonne Ertrunkenen, mit rasender Glut umschlingt, unö in unnahbare Fernen, bis in öas Reich öes Nichtmehrseins, mit sich fortzieht. Es braust davon wie öas wilde Heer, und schnell legt sich dann öer Sturm. Nur ein wollüstig klagendes Schwirren belebt noch die Luft, ein schaurig üppiges Säuseln wogt, wie öer Atem unselig sinnlicher Liebes- lust, über die Stätte, auf öer skh öer entzückende unheilige Zauber kunö- tat, unö über die sich nun wieder die Nacht ausbreitet. — Doch bereits dämmert öer Morgen herauf: aus weiter Ferne läßt sich öer wieder nahende Pilgergesang vernehmen. Wie dieser Gesang sich immer mehr nähert, wie öer Tag immer mehr die Nacht verdrängt, hebt sich auch jenes Schwirren unö Säuseln öer Lüfte, öas uns zuvor wie schauriges Klagegetön Verdammter erklang, zu immer freudigerem Gewoge, so daß enölich, als die Sonne pracht voll aufgeht, unö öer Pilgergesang in gewaltiger Begeisterung aller Welt unö allem, was ist und lebt, öas gewonnene Heil verkündet, dieses Gewoge zum wonnigen Rauschen erhabener Entzückung anschwillt. Es ist öer Jubel öes aus dem Fluche öer Unheiligkeit erlösten Venusberges selbst, Öen wir zu dem Gotteslieöe vernehmen. So wallen unö springen alle Pulse öes Lebens zu dem Gesänge öer Erlösung; unö beide getrennten Elemente, Geist unö Sinne, Gott unö Natur, umschlingen sich zum heilig einenden Kusse öer Liebe. Richard Wagner. Ges. Schriften Bd. V.