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(U. Uorlsetz»«.) Doktor von Rakenius schien mit irgend etwas innerlich , stark beschäftigt, und auch Caßler mußte erst sein Glück , zanz erfassen. Da geschah etwas gänzlich Unerwartetes. I »Wer diente Ihnen als Modell? Können Sie mir die . Adresse der jungen Dame nennen?" j Schwer rangen sich die Worte von Rainer von Nake- j nius' Lippen. Bernd Caßler war aufgesprungen. ! Sein Gesicht, noch eben von warmer Freude durch sonnt, war wie versteinert in grimmiger Abwehr. ! Er dachte nicht mehr an die Chance des Niesender- l vienstes. Nur Ellen Ehlers' Ehre zu verteidigen, war sein ! einziger Gedanke. Seine Augen loderten vor Zorn, während sie kaum , bewußt Rakenius' rechte Hand streiften, an der ein gol- l eener Trauring blitzte. „Herr Doktor! Ich gab dem gnädigen Fräulein mein ' Ehrenwort. Ein purer Zufall nur — eine menschliche gütige Hilfe war es von der Dame, die mir als Modell viente. Niemals werde ich ihren Namen nennen." „Sie lieben diese Dame? Sie lieben Siel?" — Die ! Stimme des großen Chemikers war verändert. Und Bernd ! Laßlers feines Ohr fing diesen veränderten Ton Wohl auf. j Aber er wollte ihn nicht hören — wollte nicht. Die Blicke der Männer kreuzten sich jäh. Rainer von ! Rakenius zitterte innerlich. Er griff zerstreut nach einer Zigarette. „Rauchen Sie?" Caßler dankte kalt. Alles in ihm war Aufruhr. Was j sollte er auf die verhängnisvolle Frage antworten? Ja, j >md tausendmal ja — er lieble Ellen Ehlers. ! Schon krampfte sich Rainer von Rakenius' Herz. Er i konnte sein Gesicht nicht sehen lassen. Scheinbar gleich gültig stand er auf und schaute durch das Fenster hinunter m den Hof. „Sie lieben Sie also, Herr Caßler?" Kategorisch hieb sie Frage. „Ja!, wenn Sie es unbedingt wissen wollen. Ja!" seine Stimme überschlug sich fast in Erregung. „Ich liebe iie, wie jeder sie lieben muß, der sie sieht und ihre Reinheit rhnt. Aber ich schwöre Ihnen, Herr Doktor, sie ist eine Heilige — verstehen Sie? Eine Heilige !" Rainer von Rakenius fuhr sich mit der Hand über die johe Stirn und schloß sekundenlang die Augen. Die Schwäche war vorbei. Was ging es ihn an, ob dieser Mensch Ellen Ehlers siebte. Er zweifelte keinen Augenblick daran, daß sie es war... Er hatte kein Recht zu fragen. Keines. Er hatte ja jetne Frau, seine schöne, stolze, kalte Frau. „Eine Heilige!" wiederholte er still bei sich und nickte Ichwer. Dann riß er sich zusammen. „Ich fragte nur aus dienstlichen Gründen, Herr Caßler. Ein Weltunternehmen, wie das unsere, muß auch über den Ruf der Dame unter- cichtet sein, die von nun an alle Prospekte unserer neuen Kosmetika zieren und also unser Haus auch repräsentieren loll. Verstehen Sie?" Unter den ruhigen Worten des anderen ebbte Bernd Laßlers Erregung ab. Ja, er schämte sich jetzt seiner un lauteren Gedanken, und es war ihm, als habe er um Ver leihung zu bitten. „Ich war töricht, Herr Doktor! Bitte, verzeihen Sie nir!" stammelte er verlegen. „Also werde ich jetzt Namen und Aufenthaltsort ver Pngcn Dame erfahren? Ich werde es Ihnen bezahlen — rxtra gut!" „Nein, nein! So nicht, Herr Doktor! Sie dürfen mich richt wortbrüchig machen. Ich will kein Geld. Lieber vürde ich hungern, als an diesem Mädchen wortbrüchig werden. Es wäre eine Sünde. Reine Menschen zu hüten, ind wir Starken auf der Welt — auch Sie, Herr Doktor!" „Es ist gut, Herr Caßler. Ihre Treue rührt mich. Wohl inserem Vaterlande, wenn es noch solche Menschen gibt. Vergessen Sie, was ich sprach. Es war alles dienstliche Not wendigkeit. Doch in solches Schema lassen sich außer- ;ewöhnliche Menschen natürlich nicht einreihen. Ich danke Zhncn, Herr Caßler! Die Kasse wird Ihnen draußen den Betrag anweisen. Und — halt!, noch eins: Wenn wir weitere Zeichnungen brauchen, wird Ihnen diese Danie wieder zur Verfügung stehen?" „Sie wird mir helfen, wie sie in ihrer Güte jeden Helsen würde, der ihrer Hilfe bedarf." Caßler verneigte sich devot. Er sah nicht mehr den traurigen Schein in den Augen dieses reichen und doch so einsamen Menschen. Er sah nicht mehr, wie Rakenius schwer in seinen Sessel sank und n schmerzliches Grübeln verfiel. Ach, wie oft hatte er schon so vergeblich über das Schicksal gegrübelt, das ihn an die Seite einer Frau gc- lesselt hatte, die ihn nicht liebte und für die auch er keine Empfindung aufbringen konnte, weil die Grundzüge ihres Wesens so fundamental verschieden waren. So wundersam und rein stand ihm noch immer Ellens Bild in der Seele wie an jenen ersten Tagen, als er das kleine Siedlungshaus verlassen hatte. Plötzlich schreckte ihn ein Gedanke auf. Irgend etwas schien ihm'nicht klar. Wie kam Ellen hierher? Hatte sie! hier plötzlich Stellung gesunden? Eine nervöse Unruhe ergriff von ihm Besitz. Er mußte ich Gewißheit verschaffen, daß es ihr gut ging. Weiter nichts. Gegen Abend fuhr er mit seinem Wagen hinaus in die Siedlung. Er hatte Glück und Pech. Ernst Holm verließ gerade das Haus. Sofort hatte j -r den Großindnstriellcn erkannt, doch er wollte ihn nicht j mehr kennen. s „Doktor von Rakenius! Entschuldigung, bitte! Ich j hätte gern einmal kurz Fräulein Ehlers gesprochen. — ! Wir kennen uns doch übrigens." j Holm unterdrückte ein faunischcs Lachen. „Ach, richtig, Herr Rakenius?! Natürlich! Und was führt Sie, wenn ich fragen oarf, zu meiner Braut ?" Rainer von Rakenius hatte das Gefühl, als müßte er taumeln. Wie ein Schlag ins Gesicht war ihm diese Ant wort, doch er blieb ruhig und beherrscht. „Ich hatte aus unerklärlichen Gründen eigentlich Angst, vaß es Ihrem Fräulein Braut nicht gut gehen könnte. Damals lehnte sie zwar das Engagement in meinem Betrieb ab, aber immerhin — es war wohl nur ein törichter Einfall von mir. Ich fühle mich durch die damalige aufopferungsvolle Hilfe noch immer tief in der Schuld der beiden Damen." „Auf meine Veranlassung lehnte meine Braut damals allerdings ab", log Holm. „Doch inzwischen haben sich frei lich die Verhältnisse für uns recht verschlechtert. Leider ist meine Braut augenblicklich abwesend." „So bleibt mir also nur der persönliche Dank — und k Ich hätte so gern etwas für sie getan!" Er brach traurig i ab. „Bitte, Herr Holm, haben Sie die Güte und empfehlen I Sie mich den beiden Damen. Ich bleibe immer tief in ! ihrer Schuld." Unbefriedigt und unverständlich unruhig fuhr Rainer s von Rakenius stadtwärts. Holm aber lachte frech auf. „Meine Braut?! Hal, schöne Ellen! Der ist geheilt! Der kommt nicht wieder hierher!" „Also verlobt — doch mit diesem Holm verlobt! Ich ! muß ihr Bild aus meiner Seele reißen. Muß es. Ob ich I cs je kann?" Doktor von Rakenius sagte es still vor sich hin, als er durch das Tor in sein Villengrundstück einfuhr. Seine Villa lag neben der seines Vaters draußen am Südende der Stadt, inmitten eines herrlichen Parkes. Seil Monaten war sie ver Mittelpunkt des gesellschaft- ichen Lebens der großen Handelsstadt. Evelyn von Rakenius wußte, warum sic den reichen Lhemiker geheiratet hatte. Ihr Vater war schwer ver- chuldet. Durch die Heirat war er vollkommen saniert.