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FMMiMMLÄSÄ! üMÄl _>^ Nachdruck vcrdotca ^ Erst empfand sie ganz undändig starke Freude, weil sic gerade jetzt solche Sehnsucht nach einem Menschen hatte, dem sie ihr Herz ausschütten konnte, aber gleich daraus fühlte sie, wie Angst an sie hcranschlich. Der Vater von Doralies war ja auch gekommen, das war befremdend Frau von Stübnitz mußte irgendwie mit dem über raschenden Besuch Zusammenhängen. Ihr fiel ein, sie hatte Doralies noch keine Mitteilung von der jähen, großen Wendung in ihren Verhältnissen gemacht. Sie war noch nicht dazu gekommen, zuviel ivar seit dem Tage vor Heiligabend auf sie cingedrungen Sie blickte flüchtig an ihrem schwarzen Kleid nieder und ging dann langsam aus den Flur hinaus. Einen Augenblick später lagen sich die beiden Freundinnen schon in den Armen und küßten sich. Ein bißchen besangen begrüßte Regina den Schrift steller. Der reichte ihr die Hand, lächelte: >.Sic haben ja schöne Sachen gemacht!" Das klang lustig, und das nahm mit einem Schlag die Angst von Regina, stimmte sie sroh. Doralies fragte: „Erlaubt uns der Landgcrichtsdircktor wohl einen kurzen Besuch bei dir, Gina?" Regina nickte, und in ihren Augen schimmerte cs feucht, als sie zurückgab: „Er erlaubt einen kurzen oder langen Besuch, ihm ist das alles gleich. Er ist tot, am Ehristabcnd gestorben." Ahl Ein Ausruf des Bedauerns entschlüpfte Doralies. „Armes Mädel", sagte sie warm, „da war cs ja auch nur eine kurze Herrlichkeit hier, und du bist schnell wieder stellungslos geworden." Sic lächelte ihren Vater an. „Gina darf zu uns nach Mooshauscn kommen — nicht wahr?" Fh> Blick ging zu Regina. „Du hast das um mich verdien». Hast dir sowaS Böses sagen lassen »nüssen von Frau von Stübnitz." Regina ösfneie stumn, die Tür zum Arbeitszimmer und schob Doralies sanft über die Schwelle. Nachdem man sich gesetzt hatte, fuhr Doralies fort: „Frau von Stübnitz, die wir heute besuchte»», klärte uns nämlich darüber ans, wie sie sich im Warcnhause gegen dich benommen habe. Reichlich schofel fand ich es und ließ das auch merken." Sie wurde lebhaft. „Mußt zu uns kommen. Vati läßt alles in Mooshausen ab schreiben von jemand, mit dem er schon längst nicht mehr zufrieden ist Er soll dich als Sekretärin einstellen. Das machst du doch, Fritzchen?" schmeichelte sie. Er lächelte: „Wenn mich daS wilde Mädel so anguckt, gebe ich meist nach, deshalb Regina, mache ich Ihnen den Vorschlag, nach unserer Rückkehr aus Garmisch-Partenkirchen, wohin wir jetzt reisen, zu uns nach Mooshausen zu kommen." Doralies sprang auf und klatschte in die Hände. „Fein! Regina, nimm das Angebot an! Ich freue mich ja so sehr, dir dein Opfer ein bißchen belohnen zu können." Regina neigte den schönen Kopf. „Ich bin sehr froh über den Vorschlag, er beweist mir, daß du es gut mit mir meinst, Doralies! Und ich danke Ihnen sehr, Herr Wolfrain! Aber ich kann hier nicht fort, ich habe hier noch allerlei zu tun." Doralies blickte ein bißchen neugierig. .Du meinst, du hast damit zu tun, alles zu ordnen für die neuen Hausbewohner, für die Erben — nicht wahr?" Regina antwortete: „Nein, so meine ich eS nicht, Doralies, denn die Erbin bin ich!" Es würgte sie etwas im Halse, als sie an den Christ abend dachte und an das von keiner Krankheit vorbereitete Sterben Jobst Freeses. „Du bist die Erbin des Landgerichtsdirektors?" Doralies machte ganz große Augen, und auch ihr Vater sah Regina gespannt an. Da erzählte Regina den beiden aufmerksam Zuhören den genau, auf welche Art sie den alten Herrn kennen- gelernt und wie er sie zu seiner Erbin eingesetzt habe. Sie kam dabei nicht vorbei an Peter Konstantin und an Holm Meerhold; sie mußte von beiden sprechen und tat eS in allervorsichtigster Weise, denn niemand sollte m«"cken, daß sie Peter Konstantin liebte. - AlS sie geendet hatte, rief Doralies begeistert: „Das ist ja fast unglaublich, das große Glück, das du gemacht hast. Also bist du mir noch Dank schuldig, weil ick dich nach Berlin schickte, du reiche Erbin!" Fritz Wolfram reichte ihr die Hand. „Meine besten Glückwünsche!" Regina sagte ein wenig hastig: „Ich bitte recht herzlich zu Tisch zu bleiben, ich bin so viel allein und würde mich sehr, sehr freuen." Doralies nickte. „Natürlich futtern wir gern hier — nicht wahr, Vati?" Er lächelte: „Futtere du allein hier, DoralieS, ich muß nämlich noch «inen geschäftlichen Gang machen, eine Redaktion besuchen, «nd allein unterhaltet ihr euch vielleicht sogar besser. 1«tmm dir dann später ein Auto und komm tnS Hotel." Damit erklärte sich Doralies einverstanden. Und iegina war Fritz Wolfram vankbar für sein Fortgehen mir, froh, mit der Freundin allein bleiben zu dürfen. Sie «ounte doch freimütiger sprechen und hielt sich nun auch nicht mehr zurück, klagte offen ihres Herzens Not, erzählte auch von dem Irrtum, den ein Ring zustande gebracht, erzählte, wie die kurze Verlobung geendet hatte. Doralies saß Regina gegenüber und nahm ihre beiden Hände. „Liebst du de,» Mann sehr, der es litt, daß dir Frau von Stübnitz sagen durfte, sie würde dich vom erstbesten Schupo verhaften lassen, wenn sie dich noch einmal dabet ertappte, daß du unter falscher Flagge weiter segelst? liebst du ihn sehr? So'einen könnte ich nicht lieb haben!" Regina erwiderte mit bebender Stimme: „Ich guäle mich doch immer wieder damit herum, und wenn er mir auch web o>»tan bat — ja. ich liebe ihn noch." Doralies nickte: „Ra ja, ou liebst ihn trotz auem; oas ist zwar töricht, aber dagegen ist nichts zu machen." Sie lächelte. „Es läßt sich auch wohl schließlich noch alles einrenken." Sie be tonte: „Er liebt dich nämlich auch. Das heißt", verbesserte sie sich, „er lieble dich, als er dich noch für Doralies Wolfram hielt, und hat das Vati bekannt, als er mit deinem Vater zu sprechen glaubte. Seine Liebe muß aber dadurch, daß er hörte, du wärest nicht die echte Doralies, einen derben Stoß bekommen haben, sonst hätte er dich bei der peinlichen Szene im Warenhause ein wenig ge schützt. Scheint ein sehr peinlich-empfindsamer Herr zu sein. Im allgemeinen, also vom sogenannten moralischen Standpunkt, hat er ja vielleicht sogar recht; aber wenn man liebt, sucht man doch nach Entschuldigungen sür den Menschen, den man liebt, falls er ein bißchen was auf dem Kerbholz hat. Liebste Gina, dem Peter Konstantin dürftest du eigentlich keine Träne nachweinen; aber um den anderen ist's jammerschade, der hätte gut zu dir gepatzt. Und der liebt dich, glaube mir, der liebt dich richtig, wenn der Verlobungsring auch ein Freundschaftsring war." Regina sah sie groß und fragend an: „Du glaubst wirklich, er liebt mich?" „Das ist so klar wie zweimal zwei vier ist!" gab Doralies in einem Ton zurück, als verfüge sie über reiche Erfahrung auf dem Gebiet der Liebe. „Und da ihr dem nächst zusammen arbeiten wollt, hast du selbst Gelegenheit, dir darüber Gewitzheit zu verschaffen." Regina widersprach leise: „Ich kann es nicht glauben. Wenn es sich so verhielte, konnte er doch sehr zufrieden sein, datz der Irrtum mit dein Ring geschah, dann wäre damit für ihn doch alles in schönster Ordnung gewesen." „Das war es eben nicht!" belehrte sie Doralies. „Der Mann wollte dein ganzes Herz, mochte sich nicht mit einem schäbigen Nestchen zufrieden geben. Aber jetzt noch ejns, ehe ich es vergesse, da du jetzt reich bist: schicke doch Frau von Stübnitz etwas Geld. Eine beliebige, nicht allzu kleine Summe. Sie machte die Aeutzerung, datz es dir als Stellungslose natürlich gepatzt hätte, bet ihr gut und be quem zu leben. Schreibe ihr, daß du die verursachten Un kosten ersetzen möchtest und sie das Geld nach Belieben zu wohltätigen Zwecken verwenden könne." Reginas Gedanken waren noch bei Holm Meerhold. Liebte er sie wirklich? Hatte Doralies recht? Erst nach einem Weilchen antwortete sie: „Dein Rat ist gut, ich werde Justizrat Stein um Geld bitten. Weiht du, er finanziert mich nämlich so lange, bis ich vom Gericht offiziell zur Erbin eingesetzt bin, was noch kurze Zeit dauern kann wegen einiger Formsachen." Die Freundinnen sahen dann zusammen beim Mittags- mahl, und Doralies erzählte begeistert von ihrem Lutz. Sie hob das Weinglas, in dem das Helle Gold eines leichten Mosels leuchtete. „Auf dein Wohl, liebe, liebe Gina, und auf unsere Freundschaft! Und innigsten Dank sür den Freundschafts, dienst, den ich dir nie vergessen werde, denn ohne deine Hilfe wäre ich jetzt wohl kaum Lutz Gärtners Braut. Also dein Wohl!" Regina nippte an ihrem Glase, und ihr war es, als sähe sie über den Rand des Glases, da drüben an der Tür, zwei Männer stehen — zwei Männer, die einander ähnelten wie Zwillingsbrüder, und wiederum auch nicht, weil der Ausdruck ihres Gesichts und ihrer Augen so ver schieden war wie ihr Charakter. Später führte Regina die Freundin im ganzen Hause herum, und Doralies »»»einte, als einmal der Name Holm Meerholds fiel, herzlich: „Vergib, wenn du irgend kannst, den wahrheitseifrigen Peter Konstantin, halte dafür aber die Freundschaft mit dem anderen doppelt warm, und freue dich deines Schick sals, das es wirklich gut mit dir gemeint hat." Erst am späten Nachmittag trennte man sich, nachdem Regina versprochen hatte, Ostern nach Mooshausen zu kommen. Als Doralies die Freundin zum letzten Male UM! armte, flüsterte sie ihr inS Ohr: „Verliebe dich in den Anderen, dann ist das mit der Erbschaft gleich iw Otdnüng, in dem Ginne, wie es der alte Herr gewollt hat." Sie lachte vergnügt und ließ davon. . -v, - Regina aber war eS noch tagelang, als flüstere ihr Doralies ins Ohr: Verliebe dich in den anderen! Ob das wohl ginge? Sie glaubte es nicht. Und öÜ Holm sie wirklich liebte, wie Doralies gemeint hatte? * * * Regina sah vom Fenster ihres Schlafzimmers aus, wie; die Wirtschafterin Holm Meerhold die Gartentür auf^ schlotz. Wie elegant er jetzt aussah, anscheinend hatte er; sich einen neuen Paletot und Hut angeschafft. Sie freute sich, daß er doch von selbst kam; seit vierzehn Tagen hatte sie nun nichts mehr von ihm gehört. Sie zog schnell vas kurze Jäckchen aus stumpfer Seide über; sie wutzte, es kleidete sie besonders gut. Warum sollte sie sich nicht auch ein bißchen hübsch mache»? Sie trat vor den Gpiegel, schob die dicken Wellen ihres leuchtenden Haares etwas tiefer in die Stirn und ging dann zur Tür. Plötzlich machte sie eine unwillkürliche Bewegung und blieb stehen. Flüsterte cs nicht wieder in ihr Ohr: Verliebe dich in den anderen! Sie mutzte lächeln. Doralies war schon die richtige Ratgeberin in solchen Dingen; aber sie wär froh, weil Holm nun doch kam, noch ehe sie ihn gerufen hatte, um an die hinterlassene Arbeit des Verstorbenen zu gehen. Sie ging ziemlich schnell die Treppe hinunter. Frau Malwine kam ihr ans dem Treppenabsatz ent gegen. Mit allen Zeichen grosser Erregung blieb sie vor ihr stehen. „Fräulein Gravcn, ein Herr möchte Sie sprechen —l" Regina unterbrach sie lächelnd: „Ein Herr? Das klingt, als ob Sie von einem Fremden redeten. Ich weitz, Herr Meerhold ist gekommen. Aber was ist Ihnen, liebe Frau Malwine?" Die frisch aus- sehendc Frau faßte sich an die Stirn. „Ganz konfus bin ich, Fräulein Graven, denn Herr' Meerhold ist heute nicht Herr Meerhold, wenn er auch so aussieht. Nein, von ganz nahe sieht er vielleicht doch ein klein bißchen anders aus. Der gekommen ist, heißt Doktor Konstantin; aber so von weitem ist die Aehnlichkeit mit Herrn Doktor Meerhold unheimlich. Ich —" Sie unter brach sich: „Nanu, was sehlt Ihnen denn, Fräulein Graven? Sie zittern ja." Regina fühlte Unsicherheit in den Knien und einen starken Druck auf der Brust. Kaum atmen konnte sie. Unter dem fragenden Blick der Wirtschafterin aber ritz sie sich zusammen und antwortete anscheinend leichthin: „Sie haben mich angestcckt mit Ihrer Vcrvatterung. Wie kann man, einer Aehnlichkeit wegen, nur gleich so er schrocken sein! Aber ich glaubte ebenfalls vom Fenster aus Herrn Meerhold zu sehen." Frau Malwine zog jetzt eine Visitenkarte aus der Schürzentasche, sagte: „Ich habe den Herrn in den kleinen Salon geführt." Sie warnte: „Sie werden auch noch mehr erschrecken, Fräulein Graven, wenn Sie die Aehnlichkeit sehen!" Regina zwang sich zum Lächeln und stieg die Treppe hinunter, unablässig von dem einen Gedanken gequält: Was wollte Peter Konstantin bei ihr? Vielleicht hing sein Besuch mit' der Geldsendung zusammen, die sie kürzlich an Frau von Stübnitz hatte überweisen lassen. Vor der Tür des kleinen Salons mutzte sie einen Augenblick stehenbleiben, um Atem zu holen, so ganz tief. Ruhig wollte und mutzte sie Peter Konstantin gegenüber treten. Sie hob die Hand, legte-sie auf die Türklinke; aber es dauerte wieder ein paar Sekunden, bis sie Mut faßte, einzutreten. Dann standen sie sich gegenüber. Regina grüßte, fragte scheinbar ruhig: „Was führt Sie hierher, Herr Doktor?" Er sah sie mit unverhüllter Bewunderung an. Wie schön sah sie aus in dem stumpfschwarzen Kleidß Wie leuchtete das goldrote Haar über der Trauer gewandung! Er dachte: Warum trug das schöne Mädchen ein Trauerkleid? Weil Jobst Freese gestorben war? Sie empfing ihn im Hause deS bekannten, vor kurzem ver storbenen Juristen und tat, als befände sie sich in ihrem eigenen Heim. Er erklärte: „Frau von Stübnitz schickt mich her. Sie ließen ihr tausend Mark übermitteln mit Ihrer vollen Adresse hier und schrieben, es wäre die Entschädigung, für das, waS Sie in ihrem Hause genossen und so weiter, Und Sie wünschten, auf diese Weise von einer Schuld loszukommen und schlügen vor, das Geld für wohltätige Zwecke zu ver wenden." Regina neigte den Kopf: „Stimmt alles." Es klang ein wenig fragend. Peter Konstantins Augen nahmen das Bild des schönen Mädchens in sich auf, während er fortfuhr: „Frau von Stübnitz würde auf Ihren Vorschlag ein gehen, aber es handelt sich um eine immerhin hohe Summe. Sie meint — sie ist der Ansicht das heißt, sie wundert sich, daß Sie, die vor kurzem noch Arbeitslose, über so viel Geld versügen. Und sie möchte das Geld nicht weitergcben, ehe sie davon überzeugt ist, datz —" Er stockte und empfand mit einem Male die ganze Peinlichkeit des Auftrags, den ihm Frau von Stübnitz gegeben hatte. ( Regina vollendete: „Ehe sie davon überzeugt ist, daß ich auf rechtliche Weise in den Besitz des Geldes gekommen bin. Nicht wahr, so ist es doch?" Wie farblos das schöne Gesicht war, wie aus Hellem Marmor gemeißelt. (Fortsetzung folgt.)