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Beate hatte ihre Unruhe drinnen beim Lanz nur müh- ;am beZwungcn. Tie hatte weht gesehen, das; Wernoff und Frentzoß drinnen an der Saaltür miteinander sprachen. Plötzlich waren die beiden verschwunden. Sie ahnte Schlimmes. Was würde sich zwischen den beiden Männern abspiclcn? Ahnte Ali Wcrnvsf, das; Frentzoß der Urheber all dieser Ereignisse war? Die Unruhe in ihr wurde uun zur Angst. Pielleicht hätte sic Aki doch nicht so brüsk ab- fertigen dürfen. Man musste jeden Menschen, der sich entschuldigen wollte, anhörcn. Aber ihr Trotz und ihre verletzte Liebe hatten sie geradezu blind gemacht. Run aber ertrug sie diese Ungewißheit nicht mehr Mitten im Tanze hörte sic auf. „Entschuldigen Sic", sagte sie kurz zu dem Gigolo, „ich möchte nach Hause." Der machte ein enttäuschtes Gesicht: „Aber gnädiges Fräulein kommen doch bald wieder?" Fredy witterte in diesem schönen jungen Mädchen eine willkommene Beute. Beate antwortete nicht. Sic eilte so schnell hinaus, das; Fredy ihr kaum folgen konnte. Jetzt war sic an dcr Tür. Sie öffnete sie hastig. Da schrie sie auf. Mitten auf dem roten Läufer des Korridors, in einer Gruppe aufgeregter Menschen, lag dcr bewußtlose Frcutzoß. Gerade sah sic noch, wie Wernoff mit laufendem Schritte aus dem Restaurant floh. Dreizehntes Kapitel Wie Beate nach Hause gekommen war, wußte sie kaum. Sie hatte im ersten Augenblick gemeint, sie müsse sich um Frentzoß kümmern. Aber es waren bereits Angestellte dabei, den Bewußtlosen aufznhcben und fortzutrageu. Schon erschienen auch, von draußen hcrbcigerufen, zwei Schutzleute. Ein ungeheurer Tumult war plötzlich in dem Vestibül. Alle Gäste der „Taverne" drängten sich herzu, um diese Sensation mitzucrlcbcn. Zitternd war Beate entflohen, hatte sich in den ersten besten Wagen geworfen und war heimgefahren. Sie hatte für Frentzoß nichts tun können. Wäre sie dagcblieben, am Ende wäre sie noch in die polizeiliche Vernehmung hincin- gezogen worden. Dann wäre der Skandal unausbleiblich Wie recht hatte Aki Wernoff gehabt, das; sie nicht hätte dorthin gehen dürfen. Warum hatte sie ihn nur nicht an gehört? Jetzt, wo sie sich alles überlegte, erschienen ihr die Dinge in einem anderen Licht. Die Nolle, die Frentzoß in der ganzen Angelegenheit gespielt, erschien ihr ebenso unsauber wie die Rotte Tillys. Freilich, die Beweisstücke von Aki Wernoffs Unterschlagung lagen in ihrer Tasche. An ihnen war nicht zu rütteln; es war die gleiche Hand schrift, die sie sofort als die von Aki erkannt hatte. Und dennoch, wie Frentzoß und Tilly vorgcgangen waren: es war eine raffinierte Gemeinheit. Man unter grub die Stellung eines Menschen wie Aki Wernoff nicht auf diese Weise. Wäre Frentzoß direkt zu ihrem Vater gegangen, es wäre männlich und richtig gewesen. Aber dieser Weg über sie? Aki Wernoff hätte so etwas niemals getan. Aber wckS sollte sie nun beginnen? Musste sic ihrem Vater nicht von allem Mitteilung machen? Vor allem, was wurde aus Aki, wen,; Frentzoß ernst lich verletzt war? Wie tot hatte er dagelcgcn! Sie schauerte zusammen; immer wieder sah sic die lang hin- gestreckte Gestalt, das verzerrte Gesicht von Frentzoß, wie er dort am Boden gelegen hatte. Völlig ratlos und verzweifelt kam sie zu Hause an. Wenn der Vater sie nur nicht hörte! Sicherlich war er schon zurück. So leise sie konnte, steckte sie den Schlüssel in die Haustür. Sie zog nun die Schuhe aus, schlich auf Strümpfen hinauf in die erste Etage. Sie wagte nicht einmal Licht zu machen. Vorsichtig tastete sie sich im Dunkel bis in ihr Zimmer. Gottlob, der Vater hatte nichts gehört. Alles in seinem Schlafzimmer blieb ruhig. Sie entkleidete sich und legte sich zu Bett. Aber es kam kein Schlaf. Angstvolle Gedanken kreisten durch ihr Hirn. In ihr war es wie ein Fieber des Entsetzens. Immer wieder sah sie das Bild vor sich: Frentzoß wie leblos am Boden liegend, Aki Wernoff wie ein flüchtiger Verbrecher davon- eilcnd. Und sie konnte nichts tun, um ihn zu retten! Sie musste ihn seinem Schicksal überlassen. Ein Schluchzen erschütterte sie. Weinte sie um Aki oder um sich? Sie wußte es nicht. Endlich, nach Stunden verzweifelten Denkens, griff sie zu einem Schlafmittel, das sie von einer Krankheit immer noch hatte. Sie mußte ein paar Stunden Ruhe finden. Sie musste morgen früh frisch sein, um diese schreckliche Angelegenheit richtig durchdenken zu köunen. Vielleicht gab cs irgendwo doch noch einen Ausweg. Sie rührte das Pulver in ein wenig Wasser ein. Es schmeckte bitter. Aber schon nach wenigen Minuten fühlte sic, Ivie eine wohltuende Müdigkeit von ihr Besitz ergriff. Sic hatte gerade noch Muße, das Licht zu löschen. Dann fiel sie in einen bleiernen Schlaf. * » * Wernoff war von der „Taverne" aus in wilder Flucht oavongestürzt. Er war in sein Auto gesprungen, hatte Gas gegeben und war durch die Nacht davongcjagt. Er wußte nicht, wohin er fahren sollte. Er mußte erst einmal von dem Schauplatz dieses Streites mit Frentzoß fort. Sicher war da jetzt schon die Polizei, Vernehmungen waren im Gange. Tilly würde sicherlich seine Adresse an- gcben; man würde kommen, ihn zu verhaften! Ob Frentzoß tot war — er wusste es nicht. Jedenfalls, er hatte dagelcgcn wic tot. Das halte er nicht gewollt, bei Gott nicht! Er hatte sich nur gegen den heimtückischen Angriff Frentzoß' wehren wollen. Aber die Empörung über Frentzoß' Verleumdung hatte ihn fester znfassen lassen, als er eigentlich gewollt. Wenn Frentzoß ernstlich zu Schaden gekommen, wenn er vielleicht gar tot sein sollte, Ivar er sein Mörder! Er stöhnte auf. Warum mußte das kommen? War er nicht von Kindheit an genug durch die Welt gejagt worden? Konnte das Schicksal ihm nicht das bescheidene Glück gönnen, das er errungen hatte? Da hatte er ge glaubt, nun festen Fus; gefasst zu haben, aufwärts- zusteigeu — nun war alles wieder verschüttet und schlimmer als zuvor. I» die Hände der Polizei — ein Schauer ergriff ihn. Er vergaß in diesem Augenblick alles. Er vergaß, das; er in einem Ncchtsstaate lebte, in dem er sich gegen den Vor wurf des Totschlags verteidigen konnte. Er vergaß, daß nicht er, sondern Frentzoß dcr Angreifer gewesen. Er war plötzlich wieder, der heimatlose junge Mensch, der vor nichts auf dcr Welt so zitterte wie vor der Polizei. Es gab nur eins: Flucht! Er raste in seinem Auto zurück. In einer Seitenstraße vor seiner Wohnung stellte er den Wagen hin. Vorsichtige ging er vorwärts. Er schaute sich scheu um. In jedem Schritt, der sich in der einsamen Nacht ihm näherte, glaubte er den Tritt eines Polizisten zu hören. Auch das Haus, in dem er wohnte, beobachtete er zu nächst aus der Dunkelheit heraus. Nein, keine Polizei- patrouillc stand vor dem Hause. Es lag still und dunkel. Auch in den Fenstern seiner Wohnung schimmerte kein Licht. Da wagte er es, hinaufzugehen. Behutsam öffnete er die Tür. Gottlob, Mutter Jochen schlief ihren, festen, tiefen Schlaf, wie ihn alte Leute oft haben. Er schlich in sein Zimmer. An seinem Schreibtische schrieb er hastig ein paar Zeilen. Er dachte daran, wie der alten Frau sein Fortgehen weh tun mußte. Tränew stiegen ihm in die Augen. Aber er biß die Zähne zu- fammen. Er durfte jetzt an nichts anderes denken, als möglichst schnell von hier korttukommcu. (Fortsetzung auf der 4. Seite.)