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3 4. Fortsetzung.) Er entnahm seiner Schrcibtischschublade alles Geld, das er gerade im Hause hatte, bis auf zweihundert Mark. Diese zweihundert Mark steckte er in einen Briefumschlag, zusammen mit einem Schreiben für die gute Mutter Jochen. Aus seinem Ankleidcschrank nahm er einen einfachen Waudcranzug und ein Paar derbe Schuhe, eine Mütze und seinen festen Handstock, mit dem er so oft weite Wande rungen über Land gemacht hatte. In seinen Rucksack steckte er ein wenig Wäsche, nähte ein Täschchen mit seinem Geld unter den Kleidern fest. So hatte er es früher gemacht mit seinen paar Groschen, wenn er auf der Landstraße gewandert war. Und nun war er wieder soweit. Marschfertig verließ er nach knapp einer Stunde ganz lcisö das Haus. Kein Mensch sah und hörte ihn, wie er eilig den Weg nach der Landstraße zu nahm. Beate schlief nach dem Schlafmittel bleiern und tief. Sie hatte kein Bewußtsein, wieviel Zeit seit dem furcht baren Erlebnis in der „Taverne" vergangen war. Plötz lich fuhr sie aus. Es wurde stark au ihre Tür geklopft. „Ja", rief sie, noch schlaftrunken. Die Stimme des Paters hinter ver verschlossenen Tür ertönte unruhig: „Beate! Bist du wach, Kind?" „Ja, Pater. Was gibt es denn?" „Beate, es ist irgend etwas geschehen. Ein Polizci- beamter ist da und verlangt dich zu sprechen. Was ist denn nur los, Kind?" Beate fuhr sich mit der Hand zum Herzen. Nun kam es. Nun war die Polizei hinter Aki Wernosf her. Da gab es für sie keine Bedenken mehr, keine falsche Scham. Sie mußte sich dem Pater offenbaren. Vielleicht würde er einen Rat wissen. „Ich bin sofort fertig, Vater", sagte sie hinter der Tüc. „Aber ich möchte dich erst einmal einen Augenblick allein sprechen, ehe ich vem Kommissar Auskunft gebe." „Gut! Ich erwarte dich hier nebenan in meinem Wohnzimmer." In höchster Eile kleidete sich Beate an und eilte bereits nach einer Viertelstunde zu dem Vater herein. Ihr Gesicht war bleich, hatte aber einen entschlossenen Ausdruck. Sorgenvoll sah ihr Konsul Nystädt entgegen: „Kind, was ist denn nur geschehen? Ist denn der Teufel los? Mir wurde soeben vom Büro telephoniert, daß Frcntzoß mit schweren Verletzungen im Krankenhaus läge, daß Wernosf ihn niedergeschlagen, daß die Polizei bereits Ermittlungen ausgenommen hätte. Kaum habe ich mich von diesem Schreck erholt, kommt mir ein Kriminal kommissar hier ins Haus und verlangt dich zu sprechen. Was hast du denn mit dieser ganzen schrecklichen Geschichte zu tun? Das kann doch nur ein Irrtum von scite» der Polizei sein." Beate ergriff flehend die Hände des Paters. „Lieber Pater", sagte sie, „ich muß dir die volle Wahr heit sage». Wenn einer helfen kann, dann bist du cs. Ich habe doch nnt der ganzen Sache zu l^u. Und cs war unrecht von mir, mich auf alles cinzulassen, ehe ich mit dir gesprochen halte. Aber nun ist das Unglück einmal geschehen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als dir restlos die Wahrheit zu sagen." Ohne Beschönigung, so klar sic konutc, berichtete sic dem Pater alles, was sich ereignet hatte. Sie begann mit den Andeutungen, die Frcntzoß ihr bcim Tennis gemacht hatte. Dann ging sie zu dem Porschlag Frcntzoß' über, die Wahrheit über Aki Wernoffs Porlebcn durch die Tänzerin Tilly zu erfahren. Hier schüttelte Konsul Nystädt den Kopf. Beate fühlte, er mißbilligte ihr Vorgehen. Leise sagte sie: „Ich verstehe cs jetzt auch nicht, lieber Pater, daß ich auf all dies eiugchen konnte. Aber ich war so verwirrt und so voll Schmerz, daß Aki Wernosf ein Betrüger sein sollte. Ich wollte erst selbst sehen und urteilen. Solange solltest du kein Mißtrauen gegen ihn haben." „Weiter", sagte der Konsul. Beate sprach weiter. Als sie ihren Besuch in der „Taverne" erzählte, ging es wie ein Erschrecken über das Gesicht des Konsuls. Sein Kind in diesem Nachtlokal? Ein bitterer Gedanke für einen Vater. Aber darum ging cs jetzt nicht. Es ging jetzt um Aki Wernosf. Der Konsul konnte sich nicht vorstellen, daß seine Menschenkenntnis ihn betrogen haben sollte. Aki Wernosf war ein redlicher Mensch — diese Anschuldigung Frentzoß' konnte unmög lich stimmen. „Ich kam dann mit dieser Tilly in dem kleinen Extra zimmer zusammen", berichtete Beate weiter. „Sie erhob maßlose Anschuldigungen gegen Wernosf. Sie behauptete, sie wäre es gewesen, die ihn aus Schmach und Elend herausgezogen hätte. Zum Dank dafür hätte er sic ver lassen, ihre Möbel verkauft, ihr Geld gestohlen. Außerdem hätte er auch dich, lieber Vater, betrogen. Man legte mir Briefe vor, aus denen deutlich hervorging, daß Aki Wernosf in deinen Werken zu seinen Gunsten arbeitete, daß unerlaubte Gelder in seine Tasche fließen." „Wo hast du die Briefe?" fragte der Konsul. „Dieke ganze Geschichte erscheint mir so raffiniert, daß sic ver dächtig nach einer abgekarteten Sache schmeckt." Beate lief in ihr Zimmer und brachte die Briefe. Der Konsul sah sie flüchtig durch. „Das ist doch Akis Handschrift, Pater", sagte Beate bedrückt. „Dagegen kann man doch nichts einwendcn." Der Konsul nahm die Briefe an sich. „Ob diese Briefe wirklich von Wernosf geschrieben sind oder nicht, wird die Polizei untersuchen. Vorderhand glaube ich noch nicht an Wernoffs Schuld. Und was geschah dann?" Beates Stimme wurde nuu unsicher. Das letzte dem Pater zu erzählen, war das Schwerste. Aber es blieb nichts anderes übrig. So erzählte sie denn, wie Wcrnoff sic aus dem Lokal hatte hcrausführcu wollen — was sie ihm geantwortet hatte, daß er dann offenbar mit Frcntzoß in einen Wortwechsel geraten wäre. Das Weitere hätte sich außerhalb des Lokals abgespielt. Sie wäre erst vazu- gckommen, als Frentzoß am Boden gelegen und Aki ! Wcrnoff die Flucht ergriffe» hätte. Der Konsul sah sehr ernst aus. Aber angesichts Beates ; Kummer war er nicht inistaude, seinem Kind Vorwürfe j zu machen. Er sah cs ja auch: Bcatc hatte cs gut gemeint, ! sic hatte Wcrnoff schützen wollen bis zum Letzten. Er ! war ja einst ihr Lebensretter gewesen. Das Gefühl der : Dankbarkeit war in ihr wohl noch nicht erloschen. Das 1 Gefühl der Dankbarkeit und vielleicht auch, ihr selbst noch s unbewußt, das Gefühl der Liebe. - Er selbst hatte oft d^can gedacht, wie schön es wäre, § wenn Aki Wcrnoff und Beate sich finden würden. Er hatte , zu dessen Charakter und seinen Fähigkeiten das größte j Vertrauen gehegt. Konsul Nystädt hatte schon zuviel i erlebt an Intrigen und Verdächtigungen, als daß er ohne iveitcrcs an all Vic Beschuldigungen gegen seinen Schütz ling glauben konnte. Er legte den Arm um Beate: „Das ist eine sehr ernsthafte Geschichte, mein Kind. Gebe Gott, daß sie gut ausläuft. Nun komm! Ich mache dir keine Vorwürfe. Du hast aus den besten Motiven heraus gehandelt. Aber dies alles soll dir eine Warnung sein. Ein so junger Mensch wie du, der noch so wenig vom Leben weiß, kann vcrartige Dinge allein nicht meistern. Wozu hast du denn »eich, deinen Vater, ver dir in allem mit liebevollem Nat zur Seite stehen will?" „Verzeih mir", murmelte Beate und beugte sich über die Hand des Vaters. Der umschlang Beale liebevoll. „Nun komm, Beate, wir wollen gemeinsam dem Kom missar sagen, was wir wissen." Beate fühlte sich wunderbar erleichtert vurch die Güte vcs Paters. Sic hatte aus einmal das Empfinden: nun mußte es Licht werden.