Volltext Seite (XML)
ZUR EINFÜHRUNG Ludwig van Beethovens i. Sinfonie C-Dur, op. 21, an der er vermutlich schon seit 1794 arbeitete, erlebte am 2. April 1800 im Wiener „National-Hof-Theater nächst der Burg“ unter Leitung des Komponisten ihre Uraufführung. Sie war das Schlußstück eines in damaliger Zeit nicht ungewöhnlichen Monsterprogramms, das außerdem eine Mozart- Sinfonie, eine Arie und ein Duett aus dem Haydnschen Oratorium „Die Schöpfung“ sowie ein Beethovensches Klavierkonzert, das Septett und ferner Klavierimprovisationen ent halten hatte. Wie sich in diesem ganzen Programm — des jungen Meisters erste eigene „Akademie“ — die Verehrung und Huldigung des 29jährigen Beethoven für seine Vorbilder Haydn und Mozart manifestierte, so bestätigte gerade sein sinfonischer Erstling die Äuße rung des Grafen Wallenstein, daß der junge Beethoven „durch ununterbrochenen Fleiß Mozarts Geist aus Haydns Händen erhalten“ habe. Beethovens 1. Sinfonie, die C. M. von Weber eine „feurig-strömende“ nannte und die fraglos das erste Gipfelwerk des jungen Genius darstellt, wurde dank ihres lebensbejahenden, strahlend-heiteren Charakters, ihres stolzen Kraftbewußtseins schnell populär. Bereits im Jahre 1802 rühmte die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung die Sinfonie als „geistreich, kräftig, originell“. Dasselbe Blatt bezeichnete das Werk drei Jahre später als das Muster „einer herrlichen Kunstschöp fung. Alle Instrumente sind trefflich benutzt, ein ungemeiner Reichtum der Ideen ist darin prächtig und anmutig entfaltet, und doch herrscht überall Zusammenhang, Ordnung und Licht.“ Die Sinfonie beginnt mit einer langsamen Einleitung (Adagio) — überraschenderweise auf dem breit ausgehaltenen Dominantseptimakkord von F-Dur, bis dann nach etwas unent schlossener Kadenzierung G-Dur erreicht wird. Nach einer gleitenden Zweiunddreißigstel figur erklingt sodann, von den Violinen gespielt, das prägnante, unbeschwerte C-Dur- Hauptthema (Allegro con brio), während das G-Dur-Seitenthema auf Flöte und Oboe ver teilt ist. Die knappe Durchführung ist von Mozartscher Feinheit und Durchsichtigkeit und verwandelt geistvoll das thematische Material. Ein Holzbläser-Unisono bildet den Über gang zur Coda, die den Satz festlich beschließt. Ein versonnen-liedhaftes Hauptthema gibt dem zweiten Satz (Andante), einem Sonatensatz nach Haydnschem Vorbild, seinen edlen, schwärmerisch-innigen Charakter. Nur dem Namen nach ist der dritte Satz ein Menuett. Zwar ist die alte Tanzform noch zu erkennen, jedoch begegnen bereits die typischen Merk male der späteren Beethovenschen Scherzi: das spannungsgeladene, empordrängende. Thema mit seiner kapriziösen rhythmischen Gestaltung und humorvollen Verarbeitung, die kontrastreiche Dynamik und nicht zuletzt das feurige Zeitmaß (Allegro molto e vivace). Die für das 18. Jahrhundert noch obligatorische Tradition des Menuettsatzes wird hier schon recht selbstherrlich, ja umstürzlerisch gehandhabt, ehe sie Beethoven von der 2. Sin fonie ab zugunsten des Scherzos gänzlich auf gibt. Deutlich hebt sich der Trioteil mit seinen Bläserakkorden und Geigenfiguren vom „Menuett“ ab. Nach einer kurios-tastenden Ein leitung hebt das rondohafte, turbulente Finale an mit seinem schwungvoll-vorwärtsstürmen- den Hauptthema, seiner klaren, übersichtlichen Form und der geistreichen (sonatensatz- ähnlichen) Verarbeitung der musikalischen Gedanken. Siegfried Kurz, der junge Dresdner Komponist, in seiner Heimatstadt künstlerisch aus ge bildet und heute als Kapellmeister der Staatsoper Dresden wirkend, ist in den letzten Jahren mehrfach mit außergewöhnlichem Erfolg an die Öffentlichkeit getreten. Fraglos ist er eine der stärksten Komponistenhoffnungen unserer Republik. Seine Handschrift, die sich mehr und mehr von fremden Vorbildern löst und zu eigener Note findet, ist gekennzeichnet durch ein urmusikantisches Temperament, rhythmisch-harmonische Aggressivität und einen starken Sinn für witzig-konzertante Pointen, die oft den Bläsern an vertraut werden. Dabei liegen ihm weniger weitausgesponnene sinfonische Entwicklungen als vielmehr knappe, gedrängte, geistreich profilierte musikalische Aussagen. Immerhin hat Siegfried Kurz in seinem Bela Bartök gewidmeten und stilistisch verpflichteten Violinkonzert wie auch in der eine ähnliche Haltung aufweisenden ersten Sinfonie seine Neigung zu aphoristi scher Kürze zugunsten einer sehr weitgespannten Zielsetzung und auch intensiven thema tisch-formalen Auseinandersetzung aufgegeben. Typischer „Kurz“ sind seine zahlreichen Kammermusiken, wobei Bläser- und Schlagzeugbesetzungen dominieren. in für den Stil von Siegfried Kurz gleichfalls sehr bezeichnendes Werk ist das 1953 ent standene Konzert für Trompete und Streichorchester, op. 23, das der Leipziger Musik wissenschaftler Hermann Heyer einmal trefflich eine anspruchslose, zweckgebundene Gebrauchsmusik, ein echtes Musikantenstück nannte. Und diese Attribute findet dann auch der Hörer in jedem Takt der locker, aber gekonnt entworfenen, echten konzertanten Musik bestätigt. Das Trompetenkonzert umfaßt drei kurze Sätze, in denen es zu keinen sinfonischen Entfaltungen kommt, sondern in denen dem Solisten jede Gelegenheit gegeben wird, seine technisch-gestalterischen Fähigkeiten zu beweisen. Charakteristisch ist für die Anlage des ganzen Stückes eine unablässige thematische Wiederholungstechnik. So bringt gleich zu Beginn des ersten Satzes die Trompete viermal hintereinander ihr Thema, das freilich nicht für den ganzen musikalischen Verlauf des Werkes entscheidend wird, das sich vielmehr aus den Energien zahlreicher aphoristischer Motivbildungen ergibt. Diese motivische Klein- gliedrigkeit, Mannigfaltigkeit, dazu ständige metrische Verlagerungen weisen auf exotische, südosteuropäisch-folkloristische Einflüsse hin, die Kurz ebenso wie starke Dissonanzbil dungen in seine stilistischen Mittel einbezieht, um die Reizwirkung seiner Tonsprache zu steigern. Ob derartige Versuche die geistig-stilistische Entwicklung des jungen Komponisten fördern, bleibe dahingestellt. — Im ruhigen zweiten Satz entfaltet sich das Soloinstrument monologisch über ausgehaltenen Streicherakkorden, nur einmal von der Solovioline unter brochen. Eine rasante Ostinato- (beharrliche Wiederholungs-) Technik beherrscht bis zur Ipchlußsteigerung den dritten, lebhaften Satz. Serge Prokofjew, der große sowjetische Meister, schrieb zwei Violinkonzerte. Das erste, op. 19, D-Dur, entstand bereits in den Jahren 1915 bis 1917 — die in Petrograd vorgesehene Uraufführung mußte wegen der Revolutionsereignisse abgesagt werden —, das zweite, op. 63, g-Moll, wurde 1935 vollendet. Während der Arbeit am ersten Violinkonzert, das 1922 in Paris zum erstenmal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, beschäftigte sich Prokofjew gleichzeitig, mit der dritten Klaviersonate und der Dostojewski-Oper „Der Spieler“. Das Konzert besitzt einen reichbedachten virtuosen Solopart. Seine grundsätzliche Flaltung ist jedoch mehr — dem Soloinstrument entsprechend — lyrisch, gesangvoll, ohne weichlich zu