Volltext Seite (XML)
3n jebem ber beibcn ©äffe ifl bie „£rcue beS Äunftfleiffes" in taufenb Gingelheifen, in einer unerftfjöpflitfjen Äunff ber Äombinafion gu Derfolgen. 3Itan barf babei aller* bings nicf>t an baß BeethoDenfche ©infoniepringip benfen, bas uns 3Itenfd^en beet 20. 3ai)rfjunberf<s als bas eigentliche 2Üefen ber .Önfirumenfalmufif Dorfdjwebf. Gs gibt feine ©egenfählichfeit ber £ljemcn, bie bann gegeneinanber ausgefpielf werben, cs gibt nur eine in firfj gefcfiloffene ZBcIIenbewegung, baS fdjroerciofe Schweben Don üöolfen, bie Dor bem 2Binbe ^infreiben. 2Benn toir fagen, bafi bie Brahmsfcfjcn Sinfonien an 23eeff>oDen anfnüpfen (unb an bas befannte ZBorf Öanß Don Bülows benfen, bafi bie erffe Sinfonie Don Brahms bie „gchnfe ©infonic" fei), fo fagf bas nichts gegen ben „©otifer" Bral>mS auet. „2Bie ein gotifcher Dom mit feinen 'Pfeilern, ©füllen, ©etoölben, gialen, feinem eblen OTafjwcrf unb feinen Äreugblumcn ficigf fo eine Brahmsfcfie ©infonie in wunber* bar leichter unb transparenter ,gotifcf)er‘ Durcfjbrotfjenl;eit ifres ©afieS auf", fagf 2öalfer Biemann in feiner ausgegeicfjnefen, namentlich in ber ZBerfbefprecffung treffenben Brahms=Siograpf>ie. Unb es i(f fein 3ufall, bafi fitf) Gbuarb fpanslicf, ber 2Bagnerfeinb, auf bie ©eite Don 23raljmS gefcfflagen ^af, in beffen ZBerf er bie „fönenb bewegten gormcn" fanb, in benen er baß 2Dcfenflirf)c ber muftfalifc^en ©e= ffaltung crblicftc. ©o gut bas gefeljen war, gang fonnte Spanslidf —- fcfion aus raffifrfjen ©rünben (©offn einer jübiftfjen OTutfer) — Bral)ms nicht Derffehen. Bor allem tiicfjf bas, was an 21usbrucfsfraft in ber DBufif beS fcffeinbar fühlen Dtorbbeuffcfien fieift. ©erabe bie erffe ©infonie ifl ein Beifpiel bafür, wie es in ilfm gärt unb tobt, aber aud), wie es i^m gegeben ifl, gu fagen, was er leibet. 3n ihrem Beetl)oDenfchen Pafl>oS ifl bie ©infonie innerhalb beS 23ral>msfcf)en Schaffens ein 21usnahmewerf. 2lucf) in ber formalen 21nlage. ZBäljrenb im all* gemeinen Brahms feine 2I)emcii einheitlich geftaltct (gang wie Bach), fehen wir hier im erften wie im leisten Gat; gang im ©inne BeethoDenfcfier Oramatif unb ©ialeftif bie £h cmen fontraflreidj einanber gegenüberffef)en: im erffen ©afs bas Don ben ©eigen fraftool! auSgefprochene, aus ben ©reiflängen herauSgematfifene ibaupf* ©ema unb bas Don ben Römern unb glöten eingeleifefe unb bann Don ben Oboen innig Dorgefragene Seit ent I>ema; im finale bas frohgemute, fafi Dolfsliebhafte .f)aupfthema (Brahms iff ohne bas Bolfslieb nicht gu benfen!) unb bas faff fpiele* rifch leichte ©eifenfhema. 2Bicf)fig für bie ©efamtgeflalt ber ©infonie finb bie beiben Ginleifungen gum erffen unb gum leisten ©afi- Sic am Slnfang beS Zßerfcs ftehenbe gibt fogleich in ihrer büfferen Uhromatif ben „Sjcbbelfchen" ©runbeharafter an. (ihre eigentliche fiöfung finbet fie in ber 5inale*GinIeifuug, wenn nach einem ©chmergensausbruch beS gangen OrchefierS (mit Ausnahme ber pofaunen) bas Sporn feine tröffliche ©fimme erhebt. Gin SllphornmofiD über bem feierlichen ©laubensgrunb ber Pofaunen, eingehüüf in bas ©ternenflimmern ber ©eigen unb Braffchcn, wirflich eine „Berheifjung aus ber Spölje", bie mit einem ©anfcfforal Don fafi Brucfnerfcf)em Pathos beantwortet wirb. 2öic grofj Brahms bicfenSogcn Dom erffen gum IrhfcnSaf! gebaut fyat, gefyt auä bem beroor, was er als Stützpfeiler in ben OTittelfähen eingebaut hat. ©ie finb nicht mehr als ©füf;en. ©ie follen nicht ablcnfen. ©a ifl guerff ber langfame ©a^, ber nach bem erffen gurücfblicft. 3n ber refignierfen Spaltung, in ber noch etwas Don ben borf ge» fchilbertcn Stümpfen unb ©türmen naehflingf. OTufifalifch b)at bas Brahms in fehr feiner ZBeife ju erfennen gegeben: im Dierfen unb fünften Xaft wirb bas cf)romatifche „©chicffalsmotio" ber Ginleifung jitiert. Unb an bie briffe ©feile hat BrahmS ffatt beS üblichen ScherjDS, bas in ben ©fimmungSgchalfen biefer pathetifch=tragifchcn ©infonic nicht paffen würbe, ein grajiöfes 31lIegreffo geffcllt, bas bie ©fimmung bcs finales (gweifes £hewa!) Dorausnimmf. ©o geht Brahms froh “Her BcethoDemiHaehfoIge hoch auch feinen eigenen 2Beg. Oie beutfehe Alaffif unb bas beutfcf>e Sarocf, BecfhoDen unb Bach reichen (fcf) bie Gäiibe unb fegnen ihn gur fchöpferifchen £af. Dr. Karl Laux.