Volltext Seite (XML)
II. Max Bruch Arie der Penelope „Ich wob dies Gewand“ aus Odysseus Ich wob dies Gewand mit Tränen am Tage, Und löste es weinend zur nächtlichen Zeit; So schwanden die Wochen, so wuchs meine Klage, So schwanden die Jahre, so wuchs mein Leid! Wo weilst du, mein Gatte? Hat dich die Kere des Todes bereits zum Hades geraubt? Oder schweifst du noch auf dem Meere, zu Sternen hebend dein leuchtendes Haupt? O kehre, Odysseus, eh’ meine Hände vollenden dies Kleid! Mit frevelndem Mute umwerben die Freier dein treues Gemahl! Sie drängen den Sohn dir vom eigenen Gute Und schlingen es, schwelgend beim üppigen Mahl! O kehre, OdysseuS, o kehre! Ich wob dies Gewand mit Tränen am Tage, Und löste es weinend zur nächtlichen Zeit; So schwanden die Wochen, so wuchs meine Klage, So schwanden die Jahre, so wuchs mein Leid! O kehre, Odysseus! Hier, wo sich die Straßen scheiden, Wo nun gehn die Wege hin? Meiner ist der Weg der Leiden, Dess’ ich immer sicher bin. IV. Johannes Brahms Ein Wanderer Wandrer, die des Weges gehen, Fragen freundlich, wo hinaus? Keiner wird mich doch verstehen, Sag’ ich ihm, wo ich zu Haus. Reiche Erde, arme Erde, Hast du keinen Raum für mich? Wo ich einst begraben werde, An der Stelle lieb’ ich dich. C. Reinhold Von ewiger Dunkel, wie dunkel in Wald und in Feld! Abend schon ist es, nun schweiget die Welt. Nirgend noch Licht und nirgend noch Rauch, Ja, und die Lerche, sie schweiget nun auch. Kommt aus dem Dorfe der Bursche heraus Gibt das Geleit der Geliebten nach Haus, Führt sie an Weidengebüschen vorbei, Redet so viel und so mancherlei: „Leidest du Schmach und betrübest du dich, Leidest du Schmach von andern um mich, Werde die Liebe getrennt so geschwind, Schnell, wie wir früher vereiniget sind. Liebe Scheide mit Regen und scheide mit Wind, Schnell, wie wir früher vereiniget sind.“ Spricht das Mägdelein, Mägdelein spricht: „Unsere Liebe, sie trennet sich nicht! Fest ist der Stahl und das Eisen gar sehr, Unsere Liebe ist fester noch mehr. Eisen und Stahl, man schmiedet sie um, Unsere Liebe, wer wandelt sie um? Eisen und Stahl, sie können zergehn, Unsere Liebe muß ewig bestehn!“ wentrig Eduard Grieg Mit einer Wasserlilie Sieh’, Marie, was ich bringe: Blume mit der weiden Schwinge; Auf des Stromes stillen Wogen Kam sie träumerisch gezogen. Wenn sie deinen Busen schmückte, Kehrte heimwärts die Beglückte, Denn auf stillem Wellenthrone Ruhte selig ihre Krone. Hüte dich, am Strom zu träumen, Furchtbar können Fluten schäumen! Neck ist still, als wenn er schliefe; Lilien spielen ob der Tiefe. Gleich der See dein Busen klar ist, Wo ein jeder Traum Gefahr ist; Lilien spielen ob der Tiefe, Neck ist still, als ob er schliefe. Ibsen Ein Traum Mir träumte einst ein schöner Traum: Mich liebte eine blonde Maid, Es war am grünen Waldesraum, Es war zur warmen Frühlingszeit: Die Knospe sprang, der Waldbach schwoll, Fern aus dem Dorfe scholl Geläut’ — Wir waren ganzer Wonne voll, Versunken ganz in Seligkeit. Und schöner noch, als einst der Traum, Begab es sich in Wirklichkeit: Es war am grünen Waldesraum, Es war zur warmen Frühlingszeit; Der Waldbach schwoll, die Knospe sprang, Geläut’ erscholl vom Dorfe her: — Ich hielt dich fest, ich hielt dich lang — Und lasse dich nun nimmermehr! O frühlingsgrüner Waldesraum, Du lebst in mir durch alle Zeit! Dort ward die Wirklichkeit zum Traum, Dort ward der Traum zur Wirklichkeit! Bodens! «K