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Es war ein schöner Sturm, der mich getrieben; er hat vertobt und Stille ist geblieben. Scheintot ist alles Wünschen, alles Hoffen. Vielleicht ein Blitz aus Höh’n, die ich verachtet, hat tödlich meine Liebeskraft getroffen. Und plötzlich ward die Welt mir wüst, umnachtet. Vielleicht auch nicht; - der Brennstoff ist verzehrt, und kalt und dunkel ward es auf dem Herd. Joseph Suk (1874-1935) war der Schwiegersohn Dvoraks. Fast 25 Jahre lang war er zweiter Geiger im weltberühmten Böhmischen Streich quartett, mit dem er die ganze Welt bereiste. Außerdem war er ein hervorragender Komponist, der als Schüler Dvoraks begann, um später einen eigenen Stil zu finden, der Beethovensche und Brahms- sche Elemente des symphonischen Schaffens glücklich in seine Musik einschmilzt. 1922 wird er Lehrer für Komposition am Prager Konser vatorium. Später steigt er zu dessen Rektor empor, worin die Wert schätzung zum Ausdruck kommt, die er bei seinen tschechischen Lar 1 leuten als Komponist erfährt. Das Erlebnis der Symphonischen Dichtung findet in seinem Scha stärksten Widerhall. Die musikalische Form wird von ihm frei be handelt und ist ganz seinem etwas verträumten und weichen Charak ter angepaßt. Die „Fantasie für Violine und Orchester op. 24“ ist ein solches Werk der freizügig behandelten Form, der frei waltenden und schaltenden Phantasie, die nur um ihre künstlerische Aussage besorgt ist und sich in kein Formenschema pressen lassen will. Suks Werk ist für sein Instrument geschrieben, das er selbst virtuos beherrscht hatte. Mit stürmischen Akkorden beginnt die Fantasie, um sich sogleich wie der zu beruhigen, wobei die Solo-Violine zwar zunächst auch energisch einsetzt, um aber bald in eine wunderschöne Kantilene hineinzumün den. Aber die stürmischen Anfangstakte brechen immer wieder in den Gesang des Solo-Instruments ein. Jedoch unverzagt läßt immer wie der nach einem solchen Sturm die Geige ihr sehnsuchtsvolles Lied erklingen. Dieser Stimmungswechsel ist für die Fantasie charakte ristisch. Dabei gibt aber Suk dem Instrument dankbare Aufgaben. Volksweisen klingen in einem scherzoähnlichen Teil auf, ein Fugato bringt wieder dramatische Akzente ins Spiel, die aber von heiteren Partien abgelöst werden, so daß der häufige Stimmungsumschwung ein Kennzeichen gerade dieser Fantasie ist. Die Gedanken des An fangs werden noch einmal aufgegriffen - und mit den stürmischen Takten des Beginns endet auch dieses Werk des Wohlklangs, dieses Werk der besten Tradition, dieses Werk der Verschmelzung tsche chischer und deutscher Musik. Johannes Paul Tnilman. Peter Iljitsch Tschaikowskij (1840-1893) hat sich zu seiner 5. Sin fonie in e-moll einmal in einem Notizheft selbst geäußert, und man kann diese Bemerkung als Hinweis auffassen, gleichsam als das Motto, das über diesem Werke stehen könnte. „Vollständige Beugung vor dem Schicksal oder, was dasselbe ist, vor dem unergründlichen Walten der Vorsehung.“ Mit der Sinfonie, die seine drei letzten großen Sin fonien einleitet, war Tschaikowskij nicht zufrieden, weil sie dem hb halt einen zu breiten Raum gönnt und dabei die künstlerische F^^^ etwas vernachlässigt. Dafür spricht die Briefstelle: „Nach jeder führung meiner neuen Sinfonie empfinde ich immer stärker, daß dieses Werk mir mißlungen ist. Die Sinfonie erscheint mir zu bunt, zu massiv, zu künstlich, zu lang, überhaupt unsympathisch.“ Wir wun dern uns über die Schärfe des eigenen Urteils, wir bewundern seine schonungslose Selbstkritik, die wir heute nicht mehr teilen. Das Werk ist viersätzig. Im ersten Satz leitet ein Thema das Ganze ein, welches gewissermaßen als Leitmotiv in allen vier Sätzen immer wieder er scheint. Der eigentliche erste Satz bringt die beiden sehr gegensätz lichen Themen, die die Form der Sonate verlangt. Der zweite Satz versucht, von dunklen Klängen zu lichten Höhen emnorzuschwingen, der Schluß verklingt in Ruhe und Harmonie. Der «ritte Satz heißt „Valse“, also ein eleganter, weltmännischer Walzer mit französischem Einschlag, der ein einziges Wiegen und Gleiten darstellt. Der Schluß satz, das Finale, ist ein toller Wirbel der verschiedensten Stimmungen: ein aufreizender Tanz, ein eilig hastender Galopp, ein jauchzender Wirbel, ein hemmungsloses, brutales Gestampfe, das am Schluß in eine schmetternd-glänzende Fanfare mündet, die dem düsteren Werk einen überraschenden, aber um so wirkungsvolleren optimistischen Ausgang verleiht. Johannes Paul Thilman. 111/18/149 Lp 9400/53