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Episoden und leidenschaftbewegten Äußerungen spürbar wird; doch die angeborene Heiterkeit Mozartschen Wesens, die sich immer gegen den Druck der Armseligkeit und Dürftigkeit der äußeren Lebensumstände zur Wehr zu setzen suchte, weiß auch hier alles Häßliche und Dunkel-Leid volle der Welt in eine durch Anmut und Schönheit gebändigte Sprache zu kleiden und dem Werk im Rondoschlußsatz einen versöhnlichen und freien Ausklang zu sichern. So stehen sich in diesem Klavierkonzert frohe Laune und wehe Leidenschaftlichkeit, friedvolle Ergebenheit und schmerz liche Ausbrüche in vielfach fragmentarischer Äußerung schroff gegenüber. Auf einen Orundton ist sein erster Allegrosatz gestimmt, der sich ganz auf einem erhabenen Hauptthema aufbaut. Zarte Melancholie breitet sich über den langsamen Satz der Andante, einen ergreifenden Klagegesang in Moll, der bei allem melodischen Zauber, von geheimnisvollem Ernst und tiefer Erregung widerhallt. Und selbst die ausgelassene Heiterkeit des abschlie ßenden Rondosatzes bleibt nicht ungetrübt und wird von einer Episode voll sehnsüchtiger Empfindung unterbrochen, bevor der Ausweg zu einer ungehemmten Lebensfreude endgültig gefunden und behauptet wird. Jean Sibelius (geb. 1865). 1902 schrieb der Finne Jean Sibelius seine 2. Symphonie in D-Dur. ln Sibelius ist das Lebensgefühl der Romantik noch lebendig. Er will niemals absolute Musik schreiben wie etwa Haydn, sondern eine Musik, die entweder etwas zu schildern beabsichtigt, die vielleicht Abbilder der Natur und des Menschen geben, die vor allem Gefühl erregen will. Der Inhalt ist also wichtiger als die Form, ln vielen seiner symphonischen Dichtungen, die den finnischen Wald, die Wasserfälle, die Seen, die alten finnischen Sagen besingen, geht er deshalb mit der musikalischen Form sehr freizügig um. In seinen Symphonien jedoch (er hat 7 geschrieben), greift er die klas sische Symphonieform wieder auf und hält sich ziemlich streng an sie. Da Sibelius aber seinem Wesen nach Romantiker ist, ist ihm der Urantrieb zum Schaffen nicht der Wille zum Formen, nicht der Bau- und Ge staltungstrieb, sondern das Verlangen, Gefühle breit ausströmen zu lassen und sie anzusingen. Er geht formalen Durchführungen gern aus dem Wege und ersetzt sie durch explosive Naturlaute oder durch eine pointil- listische Arbeitsweise, oft verkürzt und verändert er die notwendigen Wiederholungen, die eine Form erst ausmachen. Es ist eine Hilfe für den Hörer, bei Musik des finnischen Komponisten an Waldesrauschen, Stur mesbrausen, Vogellied und Stille der Natureinsamkeit zu denken. Klang liche Eigentümlichkeiten (Tremolo der Streicher, Triller der Holzbläser, Paukenwirbel und ein Auf und Ab der Lautstärke) fördern diese Ein drücke. Der erste Satz der 2. Symphonie verarbeitet drei Gedanken: ein vor wärtsstrebendes Thema der Streicher und Holzbläser, eine weitgeschwun gene Melodie der Violinen als Gesangsthema und in der Durchführung ein kurzes Motiv, das an seinem Ende durch eine fallende Quinte kennt lich ist. Der zweite Satz ist einer Ballade vergleichbar, die das finnische Volk besingt. Der dritte Satz entwickelt ein stürmisches, lebhaftes Element —■ als heftige Kontraste sind breite und gehaltene Episode« eingeschoben, die ein Thema bringen, das auf dem Umspielen eines Tones beruht. Das Finale beginnt mit einem rhythmisch sehr prägnanten Ein fall, dem später ein tiefes Oboenmotiv gegenübersteht. Ein markantes Trompetensignal erhält für die Durchführung eine wichtige Bedeutung. Dieser Satz erhebt sich am Schluß zu einer gewaltigen Steigerung, die als eine Apotheose der Natur Finnlands gelten kann. Mit diesem Be kenntnis des Komponisten zu seiner Heimat schließt das Werk, das in aller Welt starke Anerkennung gefunden hat und noch findet. Johannes Paul Thilman. IV/10/23 Pz 5192/55 509 8382