Volltext Seite (XML)
Theodor Berger, der-Komponist der „Legende vom Prinz Eugen“ (op. 11), Träger des Nationalpreises für Komposition, gilt als eine der großen Hoffnungen im schaffenden Nach wuchs. Der 1905 in Traismauer (Niederdonau) geborene Komponist war Schüler von Franz Schmidt und ist seit einigen Jahren in Wien ansässig, wo er in bedachtsamem Tempo Werk nach Werk der Öffentlichkeit übergibt. Sein Stilist sehr stark impressionistisch; jenem Kreis junger Komponisten, die sich dem Neuaufbau einer linear bestimmten Polyphonie widmen, steht Berger ferne. Seine „Malinconia“ für Streichorchester z. B. ist ein sehr reizvolles, oft kühnes, diffuses Gemisch von Farben, eine „Ballade“, das der „Legende“ unmittelbar vorangegangene Orchesterwerk, stellt die klangliche Spiegelung des Kriegsgeschehens dar. Das Werk hat ob der Unerbittlichkeit seiner Dissonanzen seinerzeit bei der Uraufführung durch Furtwängler in Berlin einen Skandal im Konzertsaal hervorgerufen. Eine gewisse Maßlosigkeit, ein zigeunerisch freies, wildes Musizieren bestimmt auch sein Streichquartett, op. 2, das dieser Tage in Dresden zu hören war. Der „Ballade“ gegenüber gibt sich die „Legende vom Prinzen Eugen“ weit gemäßigter, wenn auch hier allerhand aufgeboten wird, um den Kriegslärm von 1717 zu symbolisieren. Das zehn Minuten dauernde Stück ist formal nicht gekennzeichnet. Das bekannte Volkslied vom Fall der „Stadt und Festung Belgarad“ liegt ihm zugrunde. Doch handelt es sich nicht um ausgesprochene Variationen, man könnte das Werk eine freie Phantasie über jenes Lied heißen. Es ist als großes Crescendo angelegt (im Ganzen gesehen), beginnt mit einem gespenstig-geisterhaften Vorspiel und endet mit der „Großaufnahme“ des Themas, zu der nicht nur das gesamte Orchester mit dreifach be setztem Holz, vier Hörnern, drei Trompeten, zwei Posaunen, Baßtuba und dem vollgriffigen Streichquintett aufgeboten wird, sondern auch vier große Glocken ertönen, die Triangel läutet, die Militärtrommel grundierend eingesetzt wird und die Pauke als Hauptstimme ihr schon in den ersten Takten hervortretendes rhythmisches Motiv herunterdonnert. Jenes Vorspiel dürfte man wohl, ohne dem Komponisten eigentliche programmatische Absichten in die Schuhe zu schieben, als das fahle Licht der Morgendämmerung, die dem Tag des Sieges vorangeht, deuten (gedämpfte Streicher, die das Thema anklingen lassen, traumhaft aufzuckende Fanfare zweier Trompeten, mahnendes Pochen der Pauke), den Schluß als die Siegesmusik beim Einzug in Belgrad. Die zweite Sinfonie von Johannes Brahms nennt man gern seine „Pastorale“ und trifft damit den Kem der Sache. Ein ausländischer Kritiker meinte, sie sei „die am wenigsten gelehrte“, dafür aber zeige der Hamburger Meister seine wahre Natur, zart, poetisch, heiter. Auch das stimmt, wenigstens in der zweiten Hälfte. „Gelehrt“ ist auch diese Sinfonie, es steckt allerhand „Kunst“ darinnen. So wird der erste Satz mit einem Einleitungstakt in den Streichbässen eröffnet, der sich bald als ein „Urmotiv“ entpuppt, das die Entwick lungsmöglichkeiten des ganzen Werkes in sich birgt. Gleich die Fortsetzung des ersten Themas ist ein Beweis dafür. Später, in der Durchführung, taucht es in den Bässen auf, im zweiten Satz-begegnen wir ihm in der Begleitung (Oboe und Posaune) der seelenvollen Cello-Melodie, und ganz besonders deutlich wird es im Finale zum Aufbau der Thematik ausgewertet: es steckt da im ersten Thema, es blickt uns in der Umkehrung aus dem zweiten entgegen und es bildet einen wichtigen Baustein in der Durchführung. Von dieser kunst vollen Arbeit braucht der Hörer gar nichts wahrzunehmen, er kann sich ganz dem Genuß dieser fröhlich fließenden Musik hingeben. Im zweiten Satz mischen sich allerdings dunklere Untertöne ein, Brahms fängt an zu grübeln, mitten in der schönsten Sommerlandschaft. (Die Sinfonie entstand im Sommer 1877 in Pörtschach am Wörther See. Als Billroth, der Arzt und Musiker, sie zum erstenmal durchgespielt hatte, rief er aus: „Am Wörther See muß es doch schön sein!“) In einem Mitteteil scheint sich der Komponist froher Kind heitstage zu erinnern. In der Wiederholung und in der Koda aber stimmt er wieder das Lied an: „0 wüßt’ ich doch den Weg zurück ...“ Umso fröhlicher und leichter gibt sich das dann folgende Allegro grazioso, mit dem Brahms wieder einmal dem Scherzo aus dem Wege geht. In seinem Tanzcharakter, der verschiedenfach abgewandelt (Menuett im Dreivierteltakt, ungarischer Tanz im Zweivierteltakt), aber immer aus dem gleichen Tonstoff geformt ist, kommt er allerdings dem normalen Scherzotyp nahe. Im Finale macht sich gelegentlich eine volksfesthafte Fröhlichkeit breit und laut, sie dudelt aus den Terzenläufen der Klari netten und Flöten, aber auch die schaurigen Gründe des Waldes mit ihrem geheimnisvollen Flirren und Flimmern tuen sich auf (Durchführung). Fast ein StückOpernmusik, „Frei schütz“, „Siegfried“, aber auch an den Bruckner der vierten Sinfonie kann man denken, wenn man diese Brahmssche Waldpoesie hört. Dr. Karl Laux.