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Beilage zur Wecheritz-Zettung Nr. 132 Freitag, am 9. Juni 1933 99. Jahrgang Ergebnis »er Woche „Ein Schritt erster Eriche" Die Sensation der Woche bildet der am Mittwoch in Rom paraphierte Viererpakt. Deutschland hat nach einge hender gewissenhafter Prüfung seine Zustimmung gegeben, obwohl festgestellt werden mutzte, datz der jetzt zustande gekommene Pakt nicht mehr in allen Punkten identisch ist mit jenem, den Mussolini in ehrlichem Bemühen um eine, Entspannung der europäischen Atmosphäre vorgeschlagen hatte. Ueber drei Monate hat man um ein Abkommen gefeilscht, das in seinem ursprünglichen Sinn nichts anderes wollte als Frieden auf der Grundlage von Wahrheit, Ver trauen und Gerechtigkeit. Paris hat gegen den Ursprungs plan Mussolinis von Anfang an Sturm gelaufen. Denn gerade jene Punkte, die der Forderung nach Wahrheit und Gerechtigkeit entsprachen, wurden von Frankrech abgelehnt. Das festzustellen, gebietet die historische Wahrheit. Mag man heute überall in der Welt ein Gefühl der Erleichterung empfinden, an der Tatsache kann nicht gerüttelt werden, daß Frankreich das höhere Ziel des Mussolini- Vorschlages vereitelte, weil es seine machtpolitischen Be strebungen trotz allem nicht aufgeben will. In Frank- reich spricht man ganz unverhohlen davon, daß der neue Pakt an den Rechten und Zielen Frankreichs nichts än dere. In der ernsteren französischen Presse kommt gleich wohl die offenbar in weitesten Kreisen des französischen Volkes verbreitete Ueberzeugung zum Ausdruck, daß mit diesem Paktabschluß nicht nur das italienisch-französische Verhältnis sich herzlicher gestalten wird, sondern daß auch Deutschlands Friedensliebe und Opferbereitschaft anerkannt werden muß. Selbst im nationalistischen „Echo de Paris" wird heroorgehoben, daß Hitler „einen Schritt erster Größe" getan habe. Von deutscher Seite ist bereits ein Kommentar zu dem Inhalt des Paktes und den Entscheidungsgründen des Kabinetts gegeben worden. Darin wird ausdrücklich heroorgehoben, daß die deutschen Erwartungen nicht ihre volle Befriedigung erfahren hätten, daß aber an der Grund idee des Mussolini-Planes mit der Festlegung der deut schen Gleichberechtigung und von Vertragsreoisionsmög- lichkeiten grundsätzlich nichts geändert worden sei. Musso lini hat das in seiner Senatsrede am Abend des Unter zeichnungstages nochmals ausdrücklich heroorgehoben, eine Tatsache, die den Schritt der Reichsregierung in der Frage des Viererpaktes als berechtigt erscheinen läßt. Die Zu kunft wird zeigen, wer es jetzt noch zu unternehmen wagt, oie Beunruhigung der Völker fortzusetzen durch Hinweise auf angebliche deutsche Kriegsabsichten. Mererpalt und Dreier-Konferenz In dem Viererpakt verpflichten sich seine Träger, sich für ein positives Ergebnis der Abrüstungskonferenz einzusetzen. Diese Bestimmung ist besonders wichtig ange sichts der Vorgänge, die wir in den letzten Wochen auf der Genfer Abrüstungskonferenz beobachten mußten. Man wird hoffentlich in der Welt Verständnis dafür haben, daß man in weitesten Kreisen des deutschen Volkes den französischen Friedensversicherungen so lange mißtraut, so lange die fran zösischen Machthaber sich entschieden weigern, auch nur einen Beweis ihres Abrüstungswillens zu erbringen. Die Mani pulationen, die man soeben in der Hauptkommission der Abrüstungskonferenz in der Frage der Waffenfabrikation und des Waffenhandels von dieser Seile versucht hat, sind jedenfalls nicht dazu angetan, dieses Mitztrauen zu beseiti gen. Frankreich erstrebt nach einem von ihm eingebrachten Antrag nicht mehr und nicht weniger, als den französisch- tschechischen Rüstungsindustriekonzern Schneider-Creuzot- Skoda zum alleinigen Waffenlieferanten der Welt zu ma chen, indem es „sich bereit erklärt, alle schweren Angriffs waffen zur Verfügung des Völkerbundes zu halten". Diese Zumutung ging selbst den Engländern und Japanern über die Hutschnur, und der Amerikaner Norman Davis erklärte Mit vornehmer Bestimmtheit, daß es nicht darauf ankom- -men könne, die Waffenfabrikation zu zentralisieren, sondern sie nach Möglichkeit überhaupt zu unterbinden. Am Don nertag ist im Zusammenhang mit all diesen Vorgängen in Paris eine Konferenz englischer, amerikanischer und fran zösischer Staatsmänner zusammenaetreten. um in der Abrü- stungsfrage zu einer richtungweisenden Entscheidung zu kommen. Ziel Englands und Amerikas ist es, von Frankreich eine Aenderung seines Standpunktes in der Abrüstungs frage zu erreichen. Ohne eine bindende Zusage Frankreichs zu positiver Abrüstung hält man in Amerika die am Mon tag zufammentretende Weltwirtschaftskonferenz für aus sichtslos. Roosevelt und mit ihm zahlreiche andere Staats männer der alten und neuen Welt haben wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß einer Ueberwindung der Weltwirt schaftskrise eine allgemeine umfassende Abrüstung in der Welt vorausgehen müßte. Nur Frankreich will diese These nicht anerkennen, und deshalb versucht man gerade im Hinweis auf den soeben abgeschlossenen Viererpakt , mit neuen weitgehenden Friedenssicherheiten Frankreich zu einer anderen Auffassung zu bekehren. Deutschlands Schulden Der Weltwirtfchaftskonferenz sind in tzen abgelaufe nen Wochen interne Besprechungen des Neichsbankpräsiden- ten in Washington und London und in der ablaufenden Woche solche mit den deutschen Privatgläubigern ooraus- gegangen mit dem Ziele, der deutschen Devisenlage durch eine zweckentsprechende Behandlung der der deutschen Wirt schaft gewährten Kredite Rechnung zu tragen. Einzelheiten aus diesen Verhandlungen sind nicht bekanntgeworden. Man hat aber erfahren, daß sich die ausländischen Gläubiger einig in der Auffassung waren, daß Deutschland ohne Ge fährdung seiner Währung ein weiterer Abzug seiner Devi sen- und Goldbestände nicht zugemutet werden kann. Trotz dem sind gewis e Tendenzen einzelner Gläubigervcrtreter bervorgetreten.d e unter Außerachtlassungvernünftiger Ueber- leaunaen volitikcke oder wirtschaftliche Sonderinteressen er- Prinz Philipp von Hessen, der neue Oberpräsident der Provinz Hessen-Nassau, bei Ent gegennahme der Huldigung der Bevölkerung anläßlich seiner Amtseinführung. Neben ihm seine Gattin, Prinzessin Ma falda, eine Tochter des italienischen Königs. kennen lassen. Deutschland ist bereit, seine Schulden zu be zahlen. Voraussetzung ist, daß die Gläubigerländer ihm die Möglichkeit geben, durch Absatz seiner Waren die Devi sen herbeizuschaffen, die notwendig sind, um seinen Verpflich tungen nachkommen zu können. Das Reichskabinerl hat sich am Donnerstag mit dem Ergebnis der Verhandlungen Dr. Schachts befaßt und sich seinen Vorschlägen angeschlossen, die auf einen begrenzten Transferaufschub abzielen. Der Aufbau beginm ES ist selbstverständlich, daß die Lösung der Schulden frage auf die Entwicklung der innerwirtschaftlichen Verhält nisse von Bedeutung ist. Erst wenn das Reich bzw. die Reichsbank über die Gelder ohne Beeinträchtigung von außen verfügen kann, läßt sich ein Arbeitsprogramm zur Neubelebung der Wirtschaft in vollem Umfange in Angriff nehmen. Die organisatorischen Vorbereitungen sind im Ver trauen auf eine verständnisvolle Regelung auch bereits über den Rahmen der Projekte weit hinausgediehen und werden in zahlreichen Fällen bereits in die Tat umgesetzt. Das dadurch innen- und wirtschaftspolitisch immer stärker wer dende Vertrauen zur eigenen Kraft und zu besserer Zukunft wirkt sich erklärlicherweise auf weiteste Bevölkerungskreise günstig aus. Man erkennt allgemein den starken Willen zur Meisterung der Lag«, sieht die Wege, die gegangen wer den sollen und begreift die Notwendigkeit, daß alle zusam- menstehen, das große Werk des Aufbaues alücklich zu vol lenden. „Graf Zeppelin" von Rio de Janeiro wieder heim- wärl». Das Luftschiff „Graf Zeppesin" ist Donnerstag um 5.55 Uhr Ortszeit in Rio de Janeiro gelandet und'mit Dr. ' Eckener an Bord um 6.35 Uhr Ortszeit wieder aufgestiegen. Wieder ein Bolt Die deutsche Erziehertagung in Magdeburg hat ans Donnerstag ihre Krönung in dem großen EinigungswerkS- der deutschen Erzieherschast gefunden. Cingeleitet wurde d»^ Tag mit Gottesdiensten im Magdeburger Dom und in dey katholischen Sebastiankirche. Der feierliche Akt wurde durch eine grundlegende An«i spräche des bayerischen Kultusministers Hans Schemm, der Seele der Einheitsbewegung in der deutschen Erzieher« schäft, eingeleitet. Trotz aller Bedrängnisse hätten sich die Tausende von anständigen Dorf-, Mittel- und Hochschullehrern nicht von ihrer gesunden Basis abdrängen lassen. Wie wäre der Tag von Potsdam vom deutschen Volke erlebt worden, wenn in diesem Volke nicht so viel charakterliches und rassisches Erb gut vorhanden gewesen wäre, wenn nicht hätte appelliert werden können an die im deutschen Lrziehungsleben vor handenen sittlichen, charakterlichen, völkischen und religiösen Grundkräfle des deutschen Volkes. Daraus habe sich der Wille zur Einigung -es gesamten deutschen Volkes ergeben. Ueber das, was noch zu tun sei, erklärte Kultusminister Schemm, es werde ein Zweifaches noch geschehen: Volk und Vaterland und das gesamte Erziehungswesen würden rein gefegt werden; die letzten Fetzen von Marxismus und Ma terialismus, von Zerrissenheit, von Teilungs- und Zer setzungsbestrebungen müßten verschwinden, müßten der Brüderlichkeit und Kameradschaftlichkeit Platz machen. Es gelte das Ziel zu erreichen, daß alle Lehrer, seien sie Dorf schul-, Mittelschul- oder Hochschullehrer und Kindergärtne rinnen, sich die Hände reichen als deutsche Erzieher. Die Er zieher seien die Garanten für das Leben des Volkes, weil sie die Zukunft des Volkes durch das Wirken am :ie Jugend in der Hand hätten. Urkundlich wollten nun die Führer der Verbünde ihr Gelöbnis zur nationalen Revolution bekräftigen. Denn diese Urkunde dem voikskanzler überreicht werde, sei ihm damit die Garantie in die Hand gegeben, datz die Erzieher dafür sorgen wollten, datz die deutsche Jugend in seine Ge dankenwelt und seine LrziehungsiSern hiaeiawachie. Nicht der Begriff ..Lehrer" sei in der jetzigen Zeit das wichtigste, sondern der Begriff „Erziehung", und darüber sei geschrieben der Begriff „Volk". Volk und Gott seien zwei Ganzheiten: die irdische Ganzheit „Volk" bedeute Bo den, Heimat, Wehr — und darüber stehe die Ganzheit „Gott". Die heute begründete Erziehungsgemeinschaft werde ein gewissenhafter Wächter darüber sein, daß die Einheit der deutschen Erziehung und damit die Einheit des deutschen Volkes nie mehr zerrissen werden könne. Die Parole „Volk und Gott" sei auch die Parole, die über jedem Ministerium stehe. Damit schalte sich der Wille der ganzen Erziehungs gemeinschaft gleich mit dem Willen des Staates. Allen zer setzenden Kräften werde der Kampf angesagt werden. Ueber das Verhältnis der nationalsozialistischen Idee zur Religion erklärte der Minister, wenn sich in Deutschland zwei christ liche Konfessionen befänden, so seien dies zwei Lebens kräfte der Nation. Sie gehörten zur geschichtlichen Vielgestaltigkeit des geistigen und kulturellen Lebens im- seres Volkes. Der Nationalsozialismus stehe nickt auf dem Boden einer bestimmten Konfession, sondern auf dem Boden des Christentums. „Unsere Politik heißt Deutschland, un sere Religion heißt Christus", das sei die Definition, die er dem Nationalsozialismus gegeben habe. So dürften auch im Religionsunterricht nicht konfessio nell zerreißende Kräfte die Oberhand gewinnen, er müsse vielmehr wie aller Unterricht, au» den Quellen der echten Religion heraus da, Volk verbinden. Sollte ein Lehrer die ihm anvertrauten Sinder mit haß gegen den Protestantis mus einerseits oder den Katholizismus andererseits erfül len, dann, so versicherte der Minister, würde er es mit den Fäusten des Staate» zu tun bekommen. Unter dem Mantel wissenschaftlicher Objektivität habe man die Seele des Deutschen vergiften wollen. Gemeinsam mit der politischen Erneuerungsbeweauno Adolk Hitler» Paraphierung des Viererpaktes. Unser Bild zeigt die Be vollmächtigten der be teiligten Mächte nach der Paraphierung des Paktes; von links nach rechts: Der deutsche Botschafter von Hassell, Mussolini und die Bot schafter Englands und Frankreichs.